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Bollinger-Bänder

Nicht nur für die Verpackung eines schönen Geschenks sind die richtigen Bänder unverzichtbar. Bei Charts ist es nicht anders. Denn auch in der technischen Chartanalyse können Bänder eine wichtige Rolle spielen und zu den schönsten Überraschungen führen. Wir sehen uns daher in dieser Ausgabe die Bollinger-Bänder an, die die beliebtesten Vertreter ihrer Art sind.

BÖRSE am Sonntag

Vom Amerikaner John Bollinger in den 80er Jahren erfunden, versuchen die Bollinger-Bänder Kursbewegungen anhand der Analyse von Aufenthaltswahrscheinlichkeit mittels historischer Werte vorherzusagen. Kompliziert? Hier ein einfaches Beispiel: Nehmen wir einmal an, ein Aktienindex wie der DAX hat gestern bei 7.000 Punkten geschlossen. Wie wahrscheinlich ist es, dass er heute einen Wert von 4.000 oder 1.000 Punkten erreichen wird? Ist das wahrscheinlich? Eher nicht, werden sich die meisten denken, weil sie wissen, dass der DAX typischerweise keine derart großen Ausschläge zeigt. Aber nehmen wir an, es handelt sich nicht um den DAX. Könnten wir dann ausschließen, dass der Wert nicht auch 10.000 Punkte erreichen kann? Eigentlich nicht. Denn was fehlt, ist das Wissen über die typische Schwankungsbreite des Index.

Typische Bewegungen

Erst wenn wir wissen, welche Bewegungen für den Index typischerweise zu erwarten sind, können wir auch einschätzen, wie wahrscheinlich eine solche Bewegung heute sein wird. Sind die Bewegungen pro Tag zum Beispiel im Bereich von 100 Punkten, dann würden wir es wohl für unmöglich halten, dass der Wert im Laufe eines Tages von 7.000 auf 10.000 Punkte springt. Genau das versuchte auch John Bollinger darzustellen. In unserem Chartbeispiel haben wir einen Teil des DAX dargestellt. Ohne Hilfslinien scheint sein Kurs zufällig hin- und herzuspringen.

Zunächst muss feststellt werden, wo sich der Kurs typischerweise befindet. Jede Sekunde kann er seinen Wert ändern, doch wir wissen aus Erfahrung, dass diese Änderungen nur gering sind. Also können wir frühere Werte verwenden, um einen Durchschnitt zu bilden. Sehen wir uns zum Beispiel die letzten 20 Werte an, dann bekommen wir ein Gefühl dafür, wo wir den Kurs häufig erwarten können. Im zweiten Chart ist dafür der einfache Durchschnitt mit Periode 20 dargestellt (SMA20). Nun wissen wir, wo sich der Kurs typischerweise aufhalten sollte.

Doch ein Blick auf den Chart zeigt ein Problem: Der Kurs befindet sich in Wirklichkeit fast nie auf dem Wert des Durchschnitts. Stattdessen umkreist er diesen in Abständen, die immer wieder ähnlich weit scheinen. Man könnte sich vorstellen, dass der Kurs mit einem unsichtbaren Gummiband mit dem Durchschnitt verbunden ist und immer wieder zurückgezogen wird. Klappt das nicht, kommt ihm der Durchschnitt schließlich etwas entgegen. Wenn wir also nicht sagen können, wo sich der Kurs als nächstes befinden wird, so können wir doch zumindest sagen, wo er wahrscheinlicher sein wird – nämlich näher am Durchschnitt – und wo nicht: weit vom Durchschnitt entfernt.

Standardabweichung

Damit kommt ein Trick ins Spiel, den sich John Bollinger bei den Statistikern ausgeborgt hat. Die Idee basiert auf dem, was wir gerade festgestellt haben. Tatsächlich spricht man von der Standardabweichung. Ihre Berechnung ergibt, dass ca. 68% aller vorkommenden Kurswerte innerhalb eines Abstands der einfachen Standardabweichung um den Mittelwert liegen, also um den SMA20. 68% ist nicht besonders hoch. Es können immer noch 32% der Werte weiter entfernt sein. Vergrößert man die Breite jedoch zur doppelten Standardabweichung, so lässt sich beweisen, dass nun 95% aller Werte innerhalb dieser Zone liegen. Da für die Berechnung der Standardabweichung jedoch die Varianz des Kurses benutzt wird, ändert sich die Breite der Zone mit der Sprunghaftigkeit des Kurses, also der Volatilität. Größere Ausschläge führen zu einer breiten Zone, in der sich der Kurs aufhalten kann. Bewegt sich fast nichts, so schrumpft auch die Zone der Aufenthaltswahrscheinlichkeit von mindestens 95%.

Der Durchschnittswert (in unserem Beispiel 20) und die Standardabweichung (normalerweise zwei) bilden die Parameter, die sich für die Einstellung der Bollinger-Bänder in Chartprogrammen wählen lassen. In unserem dritten Chart fügt sich nun alles zusammen. Die blaue Linie ist nach wie vor der Durchschnitt SMA20. Darüber befindet sich eine rote Linie, die die 95%-Grenze der Werte über dem Durchschnitt darstellt. Darunter ist eine grüne Linie. Sie liegt unterhalb von 95% der Kurse.

Nutzen in der Praxis

Im Klartext heißt das also, dass wir nun wissen, wo sich 95% der Kurswerte aufhalten werden: zwischen der roten und der grünen Linie. Doch damit lässt sich nicht traden. Nur weil sich der Kurs irgendwo in dieser Zone aufhalten wird, kennen wir noch nicht seine zukünftige Bewegungsrichtung oder seinen Wert. Aber so werden Bollinger-Bänder auch nicht verwendet. Ihre Funktion wird klar, wenn man den umgekehrten Fall untersucht. Denn wir wissen von den verbleibenden 5% der Kursdaten, dass sie außerhalb der Zone zwischen den Bollinger-Bändern liegen. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass sich der Kurs wie von einem Gummiband angezogen um den Durchschnitt bewegt. Finden wir also einen Kurswert außerhalb der Bollinger-Bänder, können wir davon ausgehen, dass er sich relativ zügig wieder Richtung Mittelwert zurückbewegen wird. Und mit dieser Information lässt sich durchaus etwas anfangen.

Praktische Trading-Strategien mit Bollinger-Bändern beleuchten unterschiedliche Fälle. Besonders prägnant sind Werte außerhalb der Bänder. Da die Neigung besteht, wieder in den Bereich der Bänder zurückzukehren, sind bei solchen Extremwerten häufig lange Dochte (am roten Band) oder Schatten (am grünen Band) zu beobachten. Eine solche Kombination von Kerzentechnik und Bollinger-Bändern kann die Wahrscheinlichkeit noch erhöhen, einen Treffer zu landen. Darin liegt auch der Grund in der Farbe der Bänder. Am roten Band sollte eher verkauft, am grünen Band gekauft werden. Dann liegt man statistisch wahrscheinlich richtig.

Fans von Bollinger-Strategien gehen des Weiteren davon aus, dass der Kurs von einem zum anderen Band läuft oder zumindest zum Durchschnitt. Damit sind auch gleich Ziele für einen Trade vorgegeben. Hier gibt es allerdings einen Schönheitsfehler, der von Anfängern gern übersehen wird: Wenn sich der Kurs außerhalb der Bollinger-Bänder befindet, kann das auch dazu führen, dass sich die Bänder voneinander entfernen. Damit muss der Kurs nicht die Richtung wechseln, um wieder innerhalb der Bänder zu liegen. Das kann dazu führen, dass man sich zu sehr auf die statistische Wahrscheinlichkeit verlässt und uneinsichtig zusehen muss, wie der Verlust eines missglückten Trades immer größer wird, weil der Kurs nicht dreht.

Fazit:

Bollinger-Bänder sind ein Hilfsmittel, das durch statistische Methoden eine Zone hoher Aufenthaltswahrscheinlichkeit für einen Kurswert darstellt. Die Grenzen dieser Zone werden als Linien dargestellt. In deren Mitte befindet sich der Durchschnitt, auf dem dann die Standardabweichung basiert. Liegen Kurswerte außerhalb der Bollinger-Bänder, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass folgende Werte wieder innerhalb der Bänder liegen. Trading-Systeme auf Bollinger-Basis machen sich diesen Umstand zunutze.

Nicht nur für die Verpackung eines schönen Geschenks sind die richtigen

Bänder unverzichtbar. Bei Charts ist es nicht anders. Denn auch in der

technischen Chartanalyse können Bänder eine wichtige Rolle spielen und zu

den schönsten Überraschungen führen. Wir sehen uns daher in dieser Ausgabe

die Bollinger-Bänder an, die die beliebtesten Vertreter ihrer Art sind.