Stärke am Durchschnitt
Die Charttechnik bietet in Kombination mit den Softwarepaketen vieler CFD-Broker inzwischen allerlei versierte Möglichkeiten zu Strategien, mit denen die Hobby-Trader immer wieder versuchen, die endgültige Wahrheit aus den Kursen herauszulesen. Dabei stellt sich die Frage, was eigentlich die Profis verwenden, um beim täglichen Trading nicht unterzugehen. Verfolgt man die Strategien internationaler Größen in diesem Geschäft, so macht man die ernüchternde Entdeckung, dass viele nur einfachste Hilfsmittel benötigen. Dazu gehören seit Jahrzehnten gleitende Durchschnitte.

Eine auf einem gleitenden Durchschnitt basierende Strategie wollen wir an dieser Stelle unter die Lupe nehmen. Sie ist sehr einfach. In einem 15-Minuten-Chart wird ein einfacher gleitender Durchschnitt von 20 Perioden eingeblendet (SMA20). Zur Orientierung kann außerdem ein zweiter Durchschnitt von 200 Perioden verwendet werden, der ist aber eigentlich nicht nötig. Nähert sich der Kurs dem ersten Durchschnitt oder kreuzt ihn, so ist häufig zu beobachten, dass er von ihm abzuprallen scheint. Die sich so ergebende Strategie ist daher bei den Trendfolgern einzuordnen.
Beliebter Durchschnitt
Viele werden denken, dass das doch gar nichts Neues ist. Der SMA20 ist einer der beliebtesten Durchschnitte, auch wenn es eine Fangemeinde gibt, die den SMA21 bevorzugt. Doch dieser unterscheidet sich in der Darstellung im Chart kaum vom SMA20. Eine Besonderheit ist die Wahl des Zeithorizontes von 15 Minuten. Die Frage ist nun, ob dies einen großen Unterschied macht. Eine weitere Frage ist die nach dem Markt, in dem diese Strategie funktionieren soll.
Betrachtet man die Herkunft dieser Strategie, so stammt sie aus den USA und wird dort bei Aktien verwendet. Da Aktien-CFDs aus den USA bei Brokern zu recht unterschiedlichen Konditionen angeboten werden, muss jeder selbst entscheiden, ob dies Sinn ergibt. Unter Umständen sind die Spreads zu groß. Kleinere Werte werden zudem oft nicht angeboten. Kann man also auf andere Instrumente ausweichen?
Historischer und aktueller Öl-Chart
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Suche nach geeigneten Titeln, bei denen regelmäßig am SMA20 eine Wende im 15-Minuten-Chart stattfindet, war in der Redaktion ernüchternd. Hier und da scheint es einen Kandidaten zu geben, doch in der Regel springen die Kurse über den Durchschnitt hinweg. Eine erfolgreiche Tradingregel lässt sich so nicht ableiten. Es ist daher Kreativität gefragt. Wenn wir eine Trendfolgestrategie verfolgen wollen, wäre es sicher hilfreich, einen Titel zu wählen, der sich in einem Trend befindet. Der bekannteste Trend der letzten Jahre war ein Auf- bzw. Abwärtstrend im Ölpreis. Wir schauen also auf den Ölchart 2008. Hier sehen wir tatsächlich das beschriebene Verhalten. Erreicht der Kurs den Durchschnitt (blau), so scheint er in vielen Fällen zu drehen. Hier handelt es sich jedoch um einen Tageschart. Im 15-Minuten-Chart sind die Dinge nicht mehr so eindeutig. Betrachten wir den Öl-Chart der letzten Monate, so lassen sich auch einige Punkte finden, an denen der Kurs am SMA20 gedreht hat. Doch er hat diesen Durchschnitt auch immer wieder durchbrochen. Ein anderes Handelsinstrument mit Trend aus dem Bereich der Rohstoffe ist das Gold. Der Preis steigt seit geraumer Zeit, und gerade in den letzten Monaten ist der Trend sehr glatt. Blendet man hier den SMA20 ein, so sieht man recht schnell, dass die Strategie Erfolg hätte. Doch auch hier handelt es sich um Tagescharts. Im 15-Minuten-Chart sind die Erfolge geringer.
Deutsche Aktien
Werfen wir also einen Blick auf deutsche Aktien, die von vielen CFD-Brokern angeboten werden, z.B. DAX-Titel wie der Stahlriese ThyssenKrupp. Als konjunktursensibler Industrietitel liegt seinem Kurs zum einen die Hoffnung auf eine langsame Erholung der Wirtschaft zugrunde, zum anderen werden die Anleger durch Pressemeldungen fast jede Woche entweder in Stahlaktien getrieben oder davor gewarnt. Es sollte also eine gewisse Schwingung zu beobachten sein. Auch hier ist bei 15-Minuten-Charts kaum etwas Lohnendes zu entdecken. Wesentlich besser sieht es da im 5-Minuten-Chart aus. Hier scheint sich in der Tat eine Regelmäßigkeit herauszubilden, mit der der Kurs den SMA20 als Grenze benutzt. Im Chart sind diese Stellen markiert. Ob sich diese in der Praxis nutzen lassen, hängt davon ab, zu welchen Konditionen und mit welchen Spreads CFDs auf diese Aktie angeboten werden.
Besuchen wir als nächstes einen Kandidaten, dessen Kurs nachrichtenbedingt ebenfalls einem gewissen Trend unterworfen ist. Die Deutsche Bank machte in letzter Zeit immer wieder von sich reden. Das bewegte den Kurs. Mit dem SMA20 war auch hier im Tages- oder 15-Minuten-Chart nichts anzufangen. Wieder ist es der 5-Minuten-Chart, der hier einige Wendepunkte liefert. Dieses Mal sind sie jedoch nicht allzu exakt. Was beim Chart der Deutschen Bank auffällt, ist die Tendenz, im Laufe des Tages zumindest über gewisse Strecken einen Trend aufzubauen, der sich dann mit dem SMA20 einfangen lässt.
Devisenhandel
Werfen wir abschließend einen Blick auf ein Segment, das zunehmend an Bedeutung gewinnt und von CFD-Brokern oft auch angeboten wird. Gemeint ist der Devisenhandel Forex. Währungspaare unterscheiden sich von herkömmlichen Märkten dadurch, dass es keine lokale Börse mit Handelszeiten gibt. Sie werden weltweit rund um die Uhr gehandelt. Die dezentrale Natur dieser Märkte ist auch der Grund, warum kein absolutes Handelsvolumen festgestellt werden kann. Das trifft ich gut, denn CFD-Broker zeigen in der Regel sowieso nicht das wirkliche Marktvolumen, sondern bestenfalls das Volumen der bei ihnen gehandelten CFDs.
Blickt man auf das Währungspaar Euro/US-Dollar, so lassen sich hier durchaus Stellen finden, an denen der SMA20 im 15-Minuten-Chart als Grenze für Schwingungen auszumachen ist. Doch zu anderen Zeiten wird der Durchschnitt ebenso missachtet wie in den vorherigen Beispielen. Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht die Beobachtung, wie sich der Kurs zum Durchschnitt verhält. Handelt es sich um einen steilen Abfall, so dreht der Kurs zunächst schon vor dem Erreichen des SMA20 wieder nach unten. Im unserem Beispielchart folgt dann eine Zone, in der der Kurs tatsächlich am Durchschnitt dreht, bevor er ihn schließlich durchkreuzt. Letztlich zeigt er Stärke und dreht am SMA20 nach oben. Während sich so zwar keine Garantie zur punktgenauen Wende ableiten lässt, ist der Durchschnitt doch zumindest als Indikator zu gebrauchen, der durch seinen Abstand zu den Wendepunkten angibt, wie stark der Trend ist. Diese Idee ist auch Grundlage von Indikatoren wie dem MACD.
Fazit:
Der von Profis seit langem verwendete einfache gleitende Durchschnitt mit 20 Perioden ist nicht so leicht für Trendfolgestrategien zu verwenden wie oft angenommen wird. Beispiele zeigen, dass oft erst ein geeigneter Zeithorizont über Erfolg oder Misserfolg passender Signale entscheidet. Trotzdem lässt sich der Durchschnitt als Messinstrument für die Trendstärke verwenden.