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Anlagetrends 2018/1

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Interview 27 muss abgebremst werden, indem man den Tarif auf Räder stellt. Das ist eine alte Forderung und die sollte sie jetzt realisieren. Der Staat muss mit wachsendem Volkseinkommen auch wachsende Mittel haben. Aber die Mittel sollten nicht schneller wachsen als die Einkommen der Bürger. Das ist in unserem Steuersystem derzeit leider der Fall. Anlagetrends: Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag wird die Debatte um die deutsche Migrationspolitik noch heftiger werden. Was kostet sie uns noch? Oder bietet sie sogar Chancen? Prof. Sinn: Nein, die Flüchtlinge werden in der ersten Generation niemals so integriert werden können, dass sie die staatlichen Leistungen, die sie bekommen, auch selber durch die Steuern, die sie beitragen, bezahlen können. Das ist schon bei den Türken nicht passiert, noch nicht einmal in der zweiten Generation. Und die Berechnungen, wie die von Bernd Raffelhüschen, deuten darauf hin, dass eine Million Flüchtlinge den deutschen Staat langfristig bis zu ihrem Lebensende 450 Milliarden Euro kosten werden. Letztlich bezahlen sie einfach zu wenig Steuern, um die öffentlichen Leistungen, die sie beanspruchen, ausgleichen können. Es geht ja nicht nur um die Sozialleistungen. Das übersehen viele. Anlagetrends: Lassen Sie uns einmal verstärkt auf die europäische Union blicken. Was sind in den nächsten vier Jahren die dringlichsten wirtschaftlichen Probleme der EU? Prof. Sinn: Das Flüchtlingsthema ist das Thema Nummer eins. Das zweite Thema ist die Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa, resultierend aus einer fehlenden Wettbewerbsfähigkeit, die uns in eine Transferunion hineinzuziehen droht. Das dritte Thema ist, dass die Banken in Südeuropa in riesigem Umfang mit faulen Krediten belastet sind. Und viertens: die Fragmentierung der Energiemärkte. Anlagetrends: Stichwort Südeuropa: Ist, die finanzielle Lage der Staaten dort betreffend, Land in Sicht? Prof. Sinn: Nein, überhaupt nicht. Unter dem Schutz der Haftungsvergemeinschaftung, der Frau Merkel im Jahr 2012 zugestimmt hat und die dazu führte, dass die Zinsen, zu denen sich die Länder verschulden konnten, fielen, haben sich diese Ländern massiv zusätzlich verschuldet. Damit ist die Gefahr einer Schuldenlawine entstanden, die ich für außerordentlich problematisch halte. Anlagetrends: Zuletzt rückte vor allem Italien verstärkt in den Fokus. Wie groß ist das Risiko, das von dort kommt? In Italien liegen die faulen Kredite der Banken bei etwa 90 Prozent des gesamten Eigenkapitals des italienischen Bankensystems. Würde Deutschland als größter Garantiegeber durch Rettungsfonds und EZB-Politik die italienischen Staatspapiere nicht garantieren, dann käme Italien in enorme Schwierigkeiten und könnte sich wahrscheinlich nicht mehr im Euro halten. Anlagetrends: Wird es Zeit für Jens Weidmann als neuen EZBChef? Und damit eine straffere europäische Geldpolitik? Prof. Sinn: Auch Herr Weidmann kann da nichts ändern. Es ist ja der EZB-Rat, der entscheidet. Und über 60 Prozent der foto: © alexlmx - Fotolia.com


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