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BÖRSE am Sonntag INVEST 2017

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Stromer in der Klemme Die Crème der deutschen Wirtschaft hat 2016 blendend verdient: Die DAX-Unternehmen reportierten unlängst sagenhafte Geschäfte, was den Verwerfungen in der Weltwirtschaft und den Verwicklungen der europäischen Politik Hohn zu sprechen scheint. Dennoch – auch wenn die Konzerne derzeit über 90 Milliarden Euro Reserven gebunkert haben und so aussehen, als könnten sie noch manches Unwetter überstehen: Man sollte die disruptive Wirkung amateurhafter und irrationaler Politik nicht unterschätzen. Einen Kursus in „Wie überlebe ich die Politik“ absolvieren derzeit vor allem die einst mächtigen Energiekonzerne. Andere Branchen dürften sich das riesige Desaster mit vorheriger Ansage sehr genau ansehen – und insgeheim aufatmen, wenn sie auf ihre Ertragsperlen im Ausland blicken. Hierzulande ist angesichts ideologischer Erstarrung des deutschen Wesens auf Sicht kein Lichtblick zu erwarten. Und so ist von „Übergangsjahren“ in der deutschen Wirtschaft neuerdings verdächtig oft die Rede – das Wort fällt immer, wenn es nicht rund läuft und eigentlich nur besser werden kann. Bei Banken, Versicherungen – und in der Stromwirtschaft. Beim Energieriesen EON war 2016 dieses Übergangsjahr, will man Konzernchef Johannes Teyssen Glauben schenken. Der gigantische Verlust ist in der Tat etwas, das sich kaum wiederholen kann, ohne den Tanker zu versenken. Teyssen macht gute Miene zum bösen Spiel und rettet immerhin eine kleine Dividende durch diesen Übergang, was die vielen Kommunen und Stadtwerke besänftigen soll, die immer noch zu den Eignern des Unternehmens gehören und den jahrelangen Niedergang von EON in der Stadtkasse ausbügeln mussten. Der sagenhafte Bilanzverlust spiegelt die komplette Verwirbelung des Konzerns, der mit der Abspaltung seines ehemaligen Kerngeschäfts radikal neue Wege beschritten hat. Die neue Tochterfirma namens Uniper (das Kunstwort besteht aus „Unique Performance“, zu deutsch: einzigartige Leistung – hört, hört) machte die Misere in Zahlen und Fakten deutlich. Denn anlässlich des Teil- Börsengangs 2016 mussten die Kohle- und Gasaktivitäten, die bei Uniper gelandet sind, aktuell neu bewertet werden, und da herrschte Heulen und Zähneklappern. Statt 15 Milliarden Euro Vermögenswerte kam Uniper nur noch auf einen realistischen Wert von rund vier Milliarden, der Rest: verpufft. Eigentlich ohne Not, denn natürlich hat sich an der Substanz nichts geändert – verantwortlich ist in diesem Falle der Staat und seine durchgeplante Energiewende. Mit enorm hohem Aufwand modernisierte Kohlekraftwerke und neu erbaute Gasmeiler wurden vom hochsubventionierten Solar- und Windstrom aus dem Markt gedrängt, mussten und müssen aber gleichzeitig funktionstüchtig vorgehalten werden, da 08 BÖRSE am Sonntag · II | 2017 Schliekers Börsenjahr Reinhard Schlieker Wirtschafts- und Börsenkorrespondent des ZDF Foto: © Pavel Ignatov - Fotolia.com


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