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Nordrhein-Westfalen verscherbelt Kulturgut für Spielbank

Zwei Warhol-Bilder aus dem Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen sind in New York für 151,5 Millionen Dollar verkauft worden. Mit dem Erlös sollen nicht etwa Kulturprojekte gefördert oder auch Kindergartenplätze geschaffen werde – nein, es sollen Spielbanken saniert werden. NRW-Ministerpräsidentin Kraft (SPD) verteidigte den Verkauf derweil mit dem Hinweis, es handele sich „nicht um nationales Kulturgut“.

BÖRSE am Sonntag

Zwei Warhol-Bilder aus dem Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen sind in New York für 151,5 Millionen Dollar verkauft worden. Mit dem Erlös sollen nicht etwa Kulturprojekte gefördert oder auch Kindergartenplätze geschaffen werde – nein, es sollen Spielbanken saniert werden. NRW-Ministerpräsidentin Kraft (SPD) verteidigte den Verkauf derweil mit dem Hinweis, es handele sich „nicht um nationales Kulturgut“.

Den etwa tausend Anwesenden wurde am Abend des 12. November bei Christie’s erstklassiges Auktionstheater geboten. Innerhalb der ersten fünfzehn Minuten purzelten bereits vier Rekorde, ein vielversprechender Auftakt für die nächsten knapp drei Stunden. Die Spannung war mit Händen zu greifen. Die Versteigerung der ersten acht Bilder schien fast nur Vorspiel zu sein, auch wenn ein Bild von Seth Price mal eben für 650.000 Euro verkauft wurde – mehr als das Zehnfache des erhofften Preises. Dann folgten zwei Toplose des Abends: Andy Warhols wichtige und rare Großformate „Triple Elvis (Ferus Type)“ von 1963 und „Four Marlons“ (1966), die von der Kasinogesellschaft Westspiel GmbH gegen starken Protest der deutschen Museen eingeliefert worden waren.

Die Bilder mit den beiden coolen Typen waren in den späten 70er Jahren beim renommierten Züricher Händler Thomas Ammann gekauft worden, seitdem hingen sie im Casino Aachen, „umgeben von Spielautomaten“, so erinnert sich Christie’s Laura Paulson. Sie hat das Paar mit Kollegen mehrfach besucht. Händler und Auktionshäuser waren sich der Raritäten bewusst, sprachen regelmäßig bei Westpiel vor und offerierten ihre Dienste. Der starke Warhol-Markt, der auch zur Einlagerung der Bilder im Jahr 2009 führte, und die Restrukturierung der Firma, bewogen erst jetzt zum Verkauf.

Für das große Bild mit einem dreifachen Elvis Presley, der mit einem Revolver auf die Bieter zielte, der den Sänger nach einem Publicityfoto für seinen Film „Flaming Star“ zeigt, flogen anfangs die Millionen durch den Saal, dann tröpfelte es. Auktionator Jussi Pylkkanen beugte sich immer wieder nach links und rechts, rechts und links, suchte nach Bietern und er fand sie nach und nach. „Four Marlons“ funktioniert nach demselben Rezept Warhols: Prominente verfremden, vervielfältigen und dann damit Geld verdienen. Das klappte auch 27 Jahre nach dem Tod des Meisters noch mit seinen Werken. Das Bild mit dem vierfachen Marlon Brando, der sich als cooler Rebell in seinem berühmten Film „The Wilde One“ über sein Motorrad lehnt, wie die Elvisse gut zwei Meter hoch und 1,70 Meter breit, brachte 69,6 Millionen Dollar, beide zusammen also mehr als 151,5 Millionen.

Gekostet hatten die Elvisse einst 85.000, die Brandos 100.000 Dollar.
Nach nicht einmal zehn Minuten war alles vorbei und gut 150 Millionen Dollar wechselten ihren Besitzer. Wie immer gibt Christie’s keine Auskunft über den Kaufer. Die beiden Warhol-Bilder des nordrhein-westfälischen Casinobetreibers Westspiel haben in New York die Erwartungen übertroffen und sind für umgerechnet insgesamt 120 Millionen Euro versteigert worden. Das sind 20 Millionen Euro mehr als erwartet worden waren. Und 820 Mal so viel, wie sie Ende der 70er Jahre gekostet hatten. Sie gehen in unterschiedliche Sammlungen, so Brett Gorvy, Abteilungschef von Postwar & Contemporary Art.

Der Kunstmarkt gilt als unberechenbar und gerade Warhol-Bilder haben immer wieder für Überraschungen gesorgt, im negativen wie im positiven. Ein Auktionsrekord für Warhol sind die Bilder aber nicht. Vor fünf Jahren wurde „Eight Elvis“ für satte 100 Millionen Dollar versteigert. Und vor einem Jahr wurde „Silver Car Crash (Double Disaster)“ des 1987 gestorbenen Künstlers für 105 Millionen Dollar versteigert. In den letzten Jahren hat sich der Markt für Warhols, nach einer langen Schlappe, wieder hervorragend entwickelt. So wurden die Bilder viel zu teuer, um sie ins Casino zu hängen. War also der Verkauf eine gute Idee? Na klar, heißt es von Westspiel und der Landesregierung. Um Gottes Willen, reagierte Opposition und Kulturszene. Ein Ausverkauf der Kunstschätze, um die Haushaltslöcher des Landes zu stopfen, wird befürchtet. Was komme als nächstes dran?

Zu optimistisch oder eben pessimistisch sollte aber keine Seite sein: Auch wenn der New Yorker Kunstdeal weit von einem Auktionsrekord für Warhol entfernt ist, war ein Verkauf in dieser Größenordnung etwas Besonderes, was sich nicht so einfach wiederholen lassen dürfte. Kritiker warfen Nordrhein-Westfalen vor, sich durch den Verkauf von Kunstwerken sanieren zu wollen. Selbst die Bundesregierung sprach sich gegen den Verkauf aus. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mahnte, Kunst sei „kein Spekulationsobjekt“, und bezeichnete den geplanten Verkauf als „schlichtweg unanständig“. Landes-Finanzminister Norbert Walter-Borjans verteidigte dagegen den Verkauf. Er sagte im Gespräch mit dem Radiosender WDR2 am Donnerstagmorgen, Unternehmen im Eigentum den Landes müssten sich genauso verhalten wie andere Unternehmen. „Wenn die wirtschaftlich etwas auf die Beine stellen wollen, müssen die erstmal gucken: Was habe ich an eigenem Vermögen?“

Das Auktionshaus Sotheby`s kritisierte den Verkauf dagegen scharf. „Die Schuld auf die Auktionshäuser zu lenken, geht nicht“, sagt Philipp Herzog von Württemberg, Deutschland-Chef und Europa-Chairman von Sotheby's, im Gespräch mit dem Handelsblatt (Donnerstagausgabe). Die Haltung der Landesregierung in Düsseldorf sei „ignorant“, die „Argumente inkompetent“. So lässt Württemberg den Hinweis von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nicht gelten, dass es sich bei Warhol nicht um nationales Kulturgut handeln könne, weil er kein deutscher Künstler sei. Kritiker stellen derweil fest, sie habe sich gegen die Kunst und für den Roulettetisch entschieden.