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Bundestagswahl: Mehr Geld zum Leben mit den Grünen?

Robert Habeck versichert: Wer dafür sorgt, dass die Grünen ans Ruder kommen, hat in der nächsten Legislaturperiode mehr Geld in der Tasche. Stimmt das? Wir machen den Faktencheck.

(Bild: picture alliance / SvenSimon | Malte Ossowski/SVEN SIMON)

Robert Habeck versichert: Wer dafür sorgt, dass die Grünen ans Ruder kommen, hat in der nächsten Legislaturperiode mehr Geld in der Tasche. Stimmt das? Wir machen den Faktencheck.

Haben die Menschen in Deutschland mehr Geld zum Leben, wenn die Grünen an der Regierung sind? Robert Habeck vermittelt diesen Eindruck. „Wenn Sie die Grünen wählen, haben Sie am Ende mehr Geld in der Tasche, als bei CDU und SPD, weil die die gleichen Erhöhungen machen, aber das Geld für den Staat behalten wollen“, sagte der Grünen-Co-Chef gestern in einer RTL-Sendung. Und: „Je mehr CO2 man spart, umso mehr Geld hat man am Ende des Jahres im Portemonnaie – völlig eindeutig.“

Im Faktencheck wird schnell klar, dass die Aussage alles andere als eindeutig ist. Sie gilt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die nicht alle erfüllen können.

Wer die Aussage prüfen will, muss ein paar Zahlen kennen: Der Bund hat für 2021 mit Ausgaben von rund 499 Milliarden Euro geplant. Dem stehen Einnahmen gegenüber, die zu 61 Prozent aus Steuern fließen sollen. Wichtigste Steuer ist mit 119 Milliarden Euro die Lohn- und Einkommensteuer gefolgt von der Umsatzsteuer mit 88,5 Milliarden Euro. Auf Platz 3: die Energiesteuer mit 35,9 Milliarden Euro. Wenn die Energiesteuern durch eine höhere Steuer auf CO2 steigen, wäre es am gerechtesten, diese Mehreinahmen über die Umsatzsteuer wieder auszuschütten. Denn die zahlt wirklich jeder, sowie er sich etwas kauft. Das hieße die Umsatzsteuer von in der Regel 19 Prozent zu senken – davon ist jedoch im Grünen-Parteiprogramm keine Rede.

Alles andere ist Klientelpolitik. Und genau das haben Habeck und Co. vor: Einige profitieren, andere haben das Nachsehen. Ihr umfangreiches Investitionsprogramm in Klima, Infrastruktur und Bildung will die Partei durch höhere Einnahmen finanzieren. Zahlen sollen vor allem die sehr gut Verdienenden und die Vermögenden. Die Grünen wollen den Freibetrag, für den keine Steuern anfallen, erhöhen. Menschen, die weniger als die breite Masse verdienen, zahlen dann weniger Steuern.

Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln würde ein Single mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro bei den Grünen mit 98 Euro mehr Netto vom Brutto nach Hause gehen. Kinderlose Ehepaare und Ehepaare mit zwei Kindern würden bei einem Haushaltseinkommen von 80.000 Euro jeweils rund 200 Euro sparen. Selbst bis zu einem Haushaltseinkommen von 150.000 Euro würden Ehepaare von den Steuerplänen der Grünen profitieren. Alleinerziehende mit einem Kind würden sowohl mit einem niedrigen als auch mit einem mittleren sowie einem hohen Einkommen Steuern sparen.

Auf der anderen Seite aber stehen die, die mehr zahlen müssen. So soll der Spitzensteuersatz für Einkommen über 100.000 Euro (Alleinverdiener) und 200.000 Euro (Doppelverdiener) auf 45 Prozent steigen. Ab 250.000/500.000 Euro würden dann sogar 48 Prozent fällig. Die Grünen planen auch, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, vorgesehen ist ein Prozent. Die Steuer soll für Vermögen über zwei Millionen Euro gelten. Kapitalerträge wie Zinsen und Dividende sollen künftig ebenfalls der Einkommensteuer unterliegen. Die geltende Abgeltungssteuer von pauschal 25 Prozent will die Partei abschaffen. Wer sein Geld an der Börse verdient, wird damit richtig zur Kasse gebeten. Das ist besonders widersprüchlich, da angesichts unsicherer Renten die private Altersvorsorge in den Vordergrund rückt. Die kann aber nur über eine geschickte Geldanlage funktionieren. Anleger stärker zu besteuern, wirkt da kontraproduktiv.

Die Grünen haben für sich erkannt, dass sie Klimapolitik am besten durch finanzielle Einbußen und Anreize betreiben können. Sie stellen deswegen Steuervorteile und erweiterte Abschreibungsregeln für klimaschonende Investitionen in Aussicht. Die Umlage für erneuerbare Energien (EEG) wollen sie ganz abschaffen, was den Strompreis verbilligen wird. Dagegen ist eben eine knappe Verdreifachung des CO2-Preises auf 60 Euro die Tonne vorgesehen, was Strom etwa aus Kohle verteuert. Niedrigere Steuern für Dieselsprit und die Abschreibungsregeln für Dienstwagen sollen gestrichen werden.

Was sich radikal anhört, ist tatsächlich weitgehend Beschusslage der amtierenden Bundesregierung. Sie hatte im November des vergangenen Jahres entschieden, dass der CO2-Preis pro Tonne schrittweise auf bis zu 55 Euro im Jahr 2025 ansteigt. Für das Jahr 2026 – also nach der übernächsten Bundestagswahl - soll ein Preiskorridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro gelten. Alle Belastungen, so heißt es auch jetzt schon offiziell von Seiten der Bundesregierung, sollen durch Fördermaßnahmen und parallele Entlastungen ausgeglichen werden. Die Bundesregierung will dazu die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung vor allem für eine Entlastung bei der EEG-Umlage und damit der Strompreise einsetzen. Außerdem hat sie die steuerliche Entfernungspauschale angehoben.

Egal ob bei Habeck und Co. oder bei der jetzigen Bundesregierung – es gilt: Nicht nur Entlastungen, sondern auch Mehrbelastungen sind in Sicht. Zum Beispiel für Pendler. Deutschland hat laut Bundesagentur für Arbeit derzeit rund 3,4 Millionen Pendler, mehr als jemals zu vor. Sie können seit diesem Jahr zwar ab dem 21. gefahrenen Kilometer eine erhöhte Pendlerpauschale geltend machen, gleichzeitig hat aber der höhere Benzinpreis durch die bereits gestiegene CO2-Abgabe dazu geführt, dass unterm Strich keine Entlastung in Sicht ist. Viele von ihnen fahren vom Land, wo sie leben, in die Stadt, um zu arbeiten. Eine Tankfüllung pro Woche geht drauf, verteuert sie sich um ein Drittel holt das auch kein billigerer Strom wieder raus.

Öffentliche Verkehrsmittel? Fehlanzeige. Der Bus fährt zweimal am Tag und braucht ewig. Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär, der in der Lüneburger Heide zu Hause ist, wo die Landschaft zwar schön, aber die Verkehrsinfrastruktur eher mau ist, brachte das Problem jüngst in einer Diskussionsrunde mit den Grünen so auf den Punkt: „Entweder Du fährst mit dem Auto oder Du bleibst zu Hause“, sagte er und widersprach damit auch Habecks aktueller Äußerung. Die „Lenkungsfunktion“, die die Grünen durch die hohe CO2-Abgabe erreichen wollen, sei eine Illusion. „Da lässt sich nichts lenken“, sagte Klingbeil. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock weiß das eigentlich auch. Sie hat deswegen jetzt weitere Hilfen für die in Aussicht gestellt, die von der CO2-Abgabe besonders betroffen wären. Familien sollten pro Jahr und Kopf ein „Energiegeld“ von 75 Euro bekommen. Die Zahlung will die Co-Parteichefin aus den Mehreinnahmen finanzieren, die der Staat durch höhere CO2-Preise erzielt. Berechtigte für diese neuerliche Transferleistung des Staates? Baerbock nannte sie bisher nicht.

Die Grünen ahnen indessen, dass sich das Geld, das sie mehr ausgeben wollen, nicht durch höhere Einnahmen ausgleichen lassen wird, es sei denn, sie belasten eben doch die, die sie eigentlich fördern möchten. Zu ihrem Konzept gehört es deswegen, die Schuldenbremse, die die Nettoneuverschuldung des Bundes eng begrenzen soll, etwas zu lockern. Für Investitionen in die Zukunft des Landes sollen in größerem Umfang neue Schulden möglich sein. Wobei unklar bleibt, was genau alles unter Investitionen in die Zukunft fällt.

Oliver Stock

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