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Adidas-Aktie im freien Fall

Europas größter Sportartikelkonzern rechnet 2023 mit einem Verlust. Es wäre der erste seit über 30 Jahren – und lässt Anleger an einem baldigen Comeback der Aktie zweifeln. Neu-CEO Björn Gulden steht vor gewaltigen Herausforderungen.

(Foto: Shutterstock)

Europas größter Sportartikelkonzern rechnet 2023 mit einem Verlust. Es wäre der erste seit über 30 Jahren – und lässt Anleger an einem baldigen Comeback der Aktie zweifeln. Neu-CEO Björn Gulden steht vor gewaltigen Herausforderungen.

Ein „schrecklicher Ausblick“, der unter allen Erwartungen liege. So schonungslos ordnete Baader Bank-Analyst Volker Bosse die Prognose von Adidas für das laufende Geschäftsjahr ein. „Der Einschnitt in Umsätze und Gewinne wird viel tiefer sein als irgendjemand vorausgesehen hat.“

Europas größter Sportartikelhersteller wird 2023 aller Voraussicht nicht zum ersten Mal seit 1992 in die roten Zahlen rutschen. Die Herzogenauracher erwarten einen operativen Verlust in Höhe von 700 Millionen Euro. Der Umsatz soll ebenfalls sinken, um bis zu neun Prozent beziehungsweise zwei Milliarden Euro. „Effektiv ist das die dritte Gewinnwarnung innerhalb von vier Monaten“, schrieb JPMorgan-Analystin Chiara Battistini und kürzte ihr ohnehin niedriges Kursziel für die Aktie von 105 auf 100 Euro.

Die Adidas-Aktie brach auf die Prognose hin um fast zwölf Prozent ein. Die Rally zum Jahresauftakt ist damit zu drei Vierteln rückabgewickelt. Der Kurs findet sich nun wieder unter der 200-Tage-Linie wieder. Bei Analysten wie Anlegern schwindet das Vertrauen in den Konzern mit den drei Streifen. Mehr als die Hälfte an Wert hat die Adidas-Aktie im Vergleich zu ihrem Kurshoch aus dem Sommer 2021 inzwischen verloren. Mit dem Chefwechsel von Kasper Rorsted hin zu Ex-Puma-CEO Björn Gulden kehrte, wie sich nun zeigt, unter Anlegern nur kurzfristig Hoffnung ein. Die jetzige Prognose macht vieles davon zunichte.
Dass der Ausblick so katastrophal ausfällt, liegt vor allem an der aufgekündigten Partnerschaft mit dem Rapper Kanye West und dessen Sneaker-Marke Yeezy. West fiel in der Vergangenheit wiederholt mit antisemitischen Äußerungen auf, weshalb sich Adidas im zurückliegenden Jahr gezwungen sah, die äußerst erfolgreiche Partnerschaft zu beenden. Yeezy fungierte als eine Art Luxusmarke im Konzern, ein Paar Schuhe der Marke kostete mindestens 200 US-Dollar, häufig noch deutlich mehr. Adidas macht allein mit Yeezy 1,2 Milliarden Euro Umsatz und rund 500 Millionen Euro Gewinn. Das entspricht einer erstklassigen Umsatzrendite von rund 40 Prozent.

Adidas verliert an Boden gegenüber der Konkurrenz

Fällt ein solcher Gewinnlieferant von heute auf morgen weg, belastet das wohl jedes Unternehmen. Doch es kann nicht der Anspruch von Adidas sein, dass ein solches Ereignis gleich den gesamten Konzern in die Verlustzone manövriert. Yeezy ist eine bedauerliche Sonderbelastung, doch die eigentlichen Probleme von Adidas liegen tiefer. Das Umsatzwachstum schwächelt in den Kernmärkten Europa und den USA. Die Marke scheint zuletzt an Hipness gegenüber Nike und Puma eingebüßt zu haben. Während Adidas den Umsatz 2022 nur ganz leicht auf 22,5 Milliarden Euro steigern konnte, erhöhte Puma seine Erlöse um 17 Prozent und Nike überraschte zum Ende des Jahres mit einer Prognoseerhöhung. Adidas hingegen kürzte die eigenen Erwartungen nach mehreren Gewinnwarnungen am Ende auf 254 Millionen Euro ein. Ursprünglich waren einmal 1,8 Milliarden Euro eingeplant gewesen.

Das Argument, dass die gesamte Sportartikelbranche unter Lieferengpässen und Corona-Lockdowns in China leidet, greift für Adidas damit nicht mehr. Inzwischen gibt es deutliche Erholungstendenzen, die zuletzt guten Zahlen von Nike und Puma beweisen das. Der Konzern habe zu viele Produkte, ignoriere den Großhandel und sei zu dezentral organisiert, bemängelt Oddo BHF-Analyst Andreas Riemann. RBC Capital-Analyst Piral Dadhania sieht viel Arbeit für den Konzern in Sachen Unternehmenskultur und Produktvielfalt.

Ist jetzt alles Negative eingepreist?

Für Björn Gulden geht es nun also darum, die Marke wieder aufleben zu lassen. Dafür braucht es in erster Linie möglichst bald einen echten Kassenschlager, eine Produktlinie, die Kunden fasziniert und die Marke aufpoliert. Marketing- und Vertriebsstrategie müssen dazu überdacht werden. Bei Puma hatte Gulden viel Erfolg über die Zusammenarbeit mit dem stationären Einzelhandel. Adidas hatte sich unter Rorsted zunehmend davon gelöst. Wie auch immer, eine neue Strategie scheint dringend notwendig.

Gulden ist geholt worden, um sie zu implementieren. Dass dies viel Zeit brauchen wird, ist mit der jüngsten Horror-Prognose nun noch einmal deutlich geworden. „Wir sind derzeit nicht so leistungsfähig, wie wir sein sollten“, gibt Gulden selbst zu. 2023 werde zum Übergangsjahr, so der Norweger.
Als einer der ganz wenigen Analysten sieht das Jörg Frey von Warburg Research positiv für Anleger. Die Talsohle des Nachrichtenzyklus sollte nun erreicht sein, so der Experte. Er erwarte, dass Adidas nun eher positiv denn negativ überraschen werden. Anleger sollten den neuerlichen Rücksetzer für Nachkäufe nutzen.

Auf der anderen Seite werden sich immer mehr Investoren wohl auch die Frage stellen, warum sie auf eine Erholung bei Adidas spekulieren sollen, während sie bei anderen Unternehmen der Branche bereits sichtbar ist und deren Kurse ebenfalls noch deutlich von den jeweiligen Hochs entfernt sind. Adidas wird wohl mehr bieten müssen, als die Ankündigung eines Übergangsjahres, um Anleger wieder langfristig von der eigenen Geschäftsstrategie überzeugen zu können.

OG

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