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Wirecard-Aktie: Verdoppler in Sicht?

Mit einer Kurszielerhöhung auf 271 Euro traut die Société Générale der Aktie von Wirecard gigantisches Potenzial zu. Und tatsächlich könnte das Wachstum des Bezahldienstleisters aus Aschheim dank neuer Kooperationen noch stärker an Fahrt aufnehmen, als bislang von Experten erwartet. Ebenso steht ein Aktienrückkaufprogramm in Aussicht.

BÖRSE am Sonntag

Mit einer Kurszielerhöhung auf 271 Euro traut die Société Générale der Aktie von Wirecard gigantisches Potenzial zu. Und tatsächlich könnte das Wachstum des Bezahldienstleisters aus Aschheim dank neuer Kooperationen noch stärker an Fahrt aufnehmen, als bislang von Experten erwartet. Ebenso steht ein Aktienrückkaufprogramm in Aussicht.

Dass sich Analysten an eine derart explosive Kursprognose wagen, wie sie die Experten der französischen Société Générale jüngst für die Wirecard-Aktie ausgaben, hat Seltenheitswert an der Börse. Noch dazu, da es sich bei den Franzosen um keinen kleinen nach Aufmerksamkeit gierenden Finanzmarktneuling handelt, sondern um eine der über Jahre hinweg größten Geschäftsbanken der Welt. Unseriöse Kaufempfehlungen als schlagzeilenträchtige Kurstreiber würden da eher dem eigenen Ruf schaden. Sie werden sich also etwas dabei gedacht haben in Paris, als sie ihr Kursziel für die Papiere des deutschen Bezahldienstleisters mal eben auf 271 Euro hochschraubten, obwohl diese aktuell mit deutlich günstigeren 147,80 Euro bewertet sind.

Die Begründung liest sich am Ende weit weniger aufregend, als das Kursziel. So erwartet man schlicht, dass sich das Ertragswachstum von Wirecard in Zukunft beschleunigt. So zumindest die eine Kernaussage. Als zweiten großen Kurstreiber will die Bank den Einstieg des japanischen Softbank-Konzerns ausgemacht haben. Für 900 Millionen Euro sicherte sich der Tech-Gigant 5,6 Prozent der Unternehmensanteile. Geld, das zumindest teilweise in Aktienrückkäufe investiert werden könnte. Zudem eröffnet der Einstieg der Japaner Wirecard neue Kooperationsmöglichkeiten. Schon jetzt arbeiten die Aschheimer mit dem Gebrauchtwagenhändler „Auto 1“ und „Brightstar“, einem Mobilfunkanbieter, die beide zum Softbank-Konzern gehören, zusammen. Zu Beteiligungen an vier weiteren Softbank-Firmen laufen Gespräche.

Steht Neubewertung der Aktie bevor?

Aber reicht das als Legitimation für eine Kurszielerhöhung, die beinahe eine Verdopplung des aktuellen Börsenwerts impliziert? Antworten darauf gibt in erster Linie ein genauerer Blick auf Wirecards kurz- bis mittelfristige Wachstumschancen. Und der auf die Konkurrenz. Zunächst gilt festzuhalten: Das Aschheimer Unternehmen, welches die Commerzbank vor einem Jahr aus dem DAX verdrängte und zudem an der Börse mehr wert ist als die Deutsche Bank, wächst kontinuierlich und mit großen Schritten.

Im zweiten Quartal stieg der Umsatz um 37 Prozent auf 643 Millionen Euro. Das operative Ergebnis kletterte um 36 Prozent auf 184,1 Millionen Euro. Auch dank geringerer Steuern blieb ein Nettogewinn von 131,4 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vorjahrszeitraum ein Plus von 57 Prozent. Das als Kennzahl wichtige abgewickelte Transaktionsvolumen stieg dazu über das gesamte erste Halbjahr auf 77,3 Milliarden Euro. Das entspricht einem Zuwachs von 37,5 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten 2018. Gleichzeitig hob CEO Markus Braun zum zweiten Mal in diesem Jahr die Ergebnisprognose an, erwartet den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen nun in einer Spanne von 765 bis 815 Millionen Euro. Für 2020 besserte er sogleich die Umsatzprognose von drei auf 3,2 Milliarden Euro auf. Die operative Ergebnis-Marge soll weiter bei 30 bis 35 Prozent liegen. 2025 sieht Braun den Umsatz bereits bei zehn Milliarden Dollar.

Zwar stiegen zuletzt auch die Kosten – in Quartal Zwei um 37 Prozent – und die möglichen Transaktionsvolumina durch Neukundengewinne kletterten mit 15,3 Prozent langsamer als im Jahr zuvor, doch die Aussicht auf neue, lukrative Kooperationen könnte schon bald helfen. Dazu waren die Zugewinne die vergangenen Jahre sehr hoch.

Erst vor kurzem ging Wirecard eine neue Partnerschaft mit Unionpay, immerhin dem weltgrößten Kreditkartenemittenten, ein. Dies, so schrieben daraufhin die Analysten der Baader Bank, sei ein Indiz dafür, dass die Umsatzwachstumsraten von mehr als 35 Prozent 2018 und im ersten Halbjahr 2019 kein einmaliges Phänomen gewesen seien.

Die Kooperation eröffnet Wirecard vor allem in China neue Märkte. „Der chinesische Markt ist gigantisch, wir erwarten ein signifikantes Wachstum durch die Zusammenarbeit mit Union Pay“, sagte Vorstandschef Braun, und fügte, aus Anlegersicht womöglich noch wichtiger, an: „Es gibt viele Faktoren, die die Vision 2020 konservativ aussehen lassen“.

Das spräche dann auch für eine Neubewertung der Aktie. Zwar ist bereits viel Positives im Kurs enthalten, doch ein Übertreffen der ohnehin schon starken Prognosen, wäre schon ein großes Ausrufezeichen. Dafür spricht, dass Wirecard deutlich schneller wächst, als der Markt. McKinsey rechnet bis 2022 mit einem durchschnittlichen Plus von neun Prozent im Jahr. Zur Erinnerung: Wirecards Umsätze stiegen im ersten Halbjahr um 37 Prozent. So beließ unter anderem Goldman-Sachs-Analyst Mohammed Moawalla die Aktie der Aschheimer auf der „Conviction Buy List“. Sein Kursziel: 230 Euro. Auch das liegt um 55 Prozent höher, als der aktuelle Kurs.

Starke Konkurrenz aus den Niederlanden

Eine große Herausforderung jedoch bleibt der hart umkämpfte Markt. Immer mehr Konkurrenten wollen ein Stück ab vom Kuchen. Die Markteintrittsbarrieren sind eher niedrig. Ob seiner Bekanntheit und Größe muss sich Wirecard inzwischen weniger fürchten, doch einen großen Konkurrenten gibt es mit Adyen aus den Niederlanden weiterhin. Der Bezahldienstleister aus dem Nachbarland weiß dabei mit Facebook, Alibaba, Netflix oder Spotify namhafte Kunden in seinen Reihen. Gut möglich, dass sich die beiden Europäer über Jahre einen erbitterten Kampf um die vielversprechendsten Kunden liefern werden. Das könnte zulasten der Gewinne passieren. Bei beiden.

Die Konkurrenz aus den USA derweil hängt in Sachen Wachstum hinterher, ist allerdings nach wie vor das Maß aller Dinge. Platzhirsch Paypal macht mit vier Milliarden Dollar so viel Umsatz in einem Quartal, wie Wirecard das ganze Jahr über nicht. Da die Europäer mit Blick auf die Zukunft stark aufgestellt sind, bleiben sie für Paypal und Co. Übernahmekandidaten. Überhaupt droht der Branche in Europa eine baldige Konsolidierung. In den USA schreitet sie bereits voran. Übernahmephantasien dürften so hin und wieder auch die Wirecard-Papiere beflügeln.

Alles ist möglich

Nicht nur deshalb deutet viel auf eine weiterhin volatile Kursentwicklung hin. Schließlich sind da ja auch noch die Bilanzvorwürfe der „Financial Times“. Klarheit herrscht in dem Fall noch immer nicht. Die „Zeit“ berichtete dazu vor kurzem über Zahlen zweier Tochterfirmem, die von Wirecard wohl ungeprüft veröffentlicht worden sind. Vertrauen schaffen, sieht anders aus. Die Wachstumsstory bleibt dagegen intakt. Strategie und Ziele bis 2025 klingen verheißungsvoll. Ein Kursziel von 271 Euro auszugeben, ist deshalb ob der vielen Unwägbarkeiten mutig und optimistisch, jedoch keinesfalls absurd.

Oliver Götz