Elon Musk ist der Verlierer des Jahres
Er wirkte wie ein Jahrhundert-Unternehmer und war noch 2021 reichster Mann der Welt. Jetzt droht seinem Imperium der Zusammenbruch. Tesla verliert jeden Tag eine Milliarde an Wert, Twitter droht die Pleite. Weltreichster Mann ist jetzt ein Anti-Musk aus Europa.
Er wirkte wie ein Jahrhundert-Unternehmer und war noch 2021 reichster Mann der Welt. Jetzt droht seinem Imperium der Zusammenbruch. Tesla verliert jeden Tag eine Milliarde an Wert, Twitter droht die Pleite. Weltreichster Mann ist jetzt ein Anti-Musk aus Europa.
Vor einem Jahr wähnte sich Elon Musk noch als reichster Mensch der Welt. Sein Autokonzern Tesla war an der Börse mehr als eine Billion Dollar wert. Die Raketen seines Weltraumunternehmens SpaceX überholten die NASA, selbst eine private Mondmission wurde gestartet. Er machte sich auf, den Kommunikationskonzern Twitter zu übernehmen und wirkte für eine ganze Generation von Start-up-Unternehmern wie der Superman der digitalen Ära. Ein Parade-Freigeist und Mega-Macher. Von Los Angeles bis Mumbai trugen Jugendliche sein Konterfei stolz auf T-Shirts wie eine andere Generation dereinst das von Che Guevara.
Doch im Jahr 2022 ist der Held gestürzt. Musk zählt zu den globalen Verlierern des Jahres. Und das gleich dreifach.
Erstens hat die Tesla-Aktie an der Börse in absoluten Zahlen einen der größten Wertverluste in der Börsengeschichte erlitten. Knapp zwei Drittel der Marktkapitalisierung von Tesla haben sich binnen 13 Monaten in Luft aufgelöst. Das Unternehmen ist nur noch rund 460 Milliarden Dollar wert. Rechnerisch hat Tesla im Jahr 2022 damit anderthalb Milliarden Dollar am Tag verloren. Und der Crash dürfte noch nicht zu Ende sein. Denn Tesla macht deutlich weniger Umsatz oder Gewinn als Mercedes, ist aber an der Börse immer noch siebenmal so viel wert. Die groteske Überbewertung der Musk-Aktie dürfte also weiter korrigiert werden. Immer mehr Analysten warnen die Anleger vor dem einstigen Börsenliebling, auch weil die Konkurrenz bei E-Autos inzwischen ebenbürtig ist. Sogar Musk selbst stößt dieser Tage gewaltige Aktienpakte ab, um sich mit dem Geld in andere Abenteuer zu stürzen. Das wiederum treibt die Abwärtsspirale bei Tesla weiter nach unten. Zuletzt hat er zwischen dem 12. und 14. Dezember fast 22 Millionen Tesla-Aktien für insgesamt knapp 3,6 Milliarden Dollar verkauft. Es war bereits das vierte Mal in diesem Jahr, dass er sich von Tesla-Anteilen im Milliardenvolumen getrennt hatte, maßgeblich zur Finanzierung des umstrittenen Twitter-Kaufs mit einem Volumen von insgesamt 44 Milliarden Dollar.
Zweitens droht Musk mit seinem Riesen-Invest bei Twitter spektakulär zu scheitern. Er selbst sagt, der Konzern sei seit Mai "auf der Überholspur in die Pleite". Das Unternehmen würde derzeit vier Millionen Dollar am Tag verbrennen. Tatsächlich hat Twitter in zehn der letzten zwölf Jahre nur Verluste gemacht. Die Verschuldung liegt inzwischen bei zweistelligen Milliardenbeträgen. Das Unternehmen hat allein durch die Übernahme neue Schulden in Höhe von fast 13 Milliarden Dollar in seine Bilanz aufgenommen und muss nun Zinskosten von etwa 1 Milliarde pro Jahr stemmen. Tendenz steigend. Da die Zinsen steigen, wird die Luft für Twitter immer dünner. Aus eigener Kraft scheint Twitter die Lasten kaum mehr stemmen zu können.
Zugleich sind die Werbeerlöse, von denen Twitter zu 90 Prozent lebt, gefährdet, weil Musk die Plattform politisiert und nach rechts rückt. Werbekunden und Nutzer ziehen sich zurück. Musk versucht die Rettung mit einem Kahlschlag beim Personal und hat Tausende von Mitarbeitern mit rüden Methoden gefeuert. Das aber löst zusätzliches Chaos im Konzern aus, denn viele überlebenswichtige Führungskräfte haben Twitter inzwischen fluchtartig verlassen. Darunter sind Spezialisten, die für die Sicherheit der Plattform und für die Einhaltung von Gesetzen zuständig waren. Es droht also von allen Seiten Ungemach.
Finanzanalysten warnen lautstark, dass Musk mit den 44 Milliarden viel zu viel bezahlt und sich überhoben haben könnte. Die Pleite gilt an der Wall Street inzwischen als realistisches Szenario, womöglich auch bei Musk selbst. Denn ein Konkurs von Twitter könnte ihm zumindest dabei helfen, Zeit zu gewinnen und die erdrückenden Schulden auf eine für ihn günstigere Weise umzustrukturieren. US-Medien nennen Twitter trotzdem den "Nightmare" Musks - seinen Albtraum.
Um sich selbst möglicherweise geschickt aus der Schusslinie zu nehmen, hat Musk nun die Twitter-User abstimmen lassen, ob er dort als CEO überhaupt im Amt bleiben sollte. Von den 17,5 Millionen abgegebenen Stimmen waren am Ende 57,5 Prozent für den Rücktritt und 42,5 Prozent dagegen. Zuvor hatte Musk versichert, sich an das Ergebnis des Votums zu halten.
Drittens erlebt Musk einen Absturz seines öffentlichen Ansehens. Seitdem er sich als rechtspopulistischer Meinungsmacher in der Öffentlichkeit präsentiert, bekommt er heftigen Gegenwind. In Politik und Gesellschaft wachsen Sorgen, dass der Multimilliardär den weltweit wichtigsten Kurznachrichtendienst als politische Waffe einsetzen könnte. So ließ er kurzzeitig mehrere Twitter-Accounts von US-Journalisten sperren, die ihn kritisiert hatten, schaltete aber den Account von Donald Trump demonstrativ wieder frei.
Seine exzentrische Art zu kommunizieren und zu führen, irritiert Investoren zunehmend. Seine brutale Vorgehensweise beim Entlassen von Mitarbeitern schockiert nicht nur Mitarbeiter. Im breiten Publikum wird er nicht mehr als cooler Erfolgsunternehmer angesehen, dafür vielmehr als ein verantwortungsloser, eitler Spieler. Das Magazin "Forbes" diagnostiziert: "Musks Popularität sinkt, seit er Twitter gekauft hat. Der umtriebige Milliardär nahm eine Reihe unüberlegter Änderungen an der Social-Media-Plattform vor, verhängte Massenentlassungen, löste unbeabsichtigt einen Exodus von Werbekunden aus und schlägt regelmäßig online auf seine Kritiker ein, wobei er oft als dünnhäutig und unnahbar erscheint."
Der Absturz des Überfliegers zeigt sich schließlich auch in der "Forbes"-Rangliste der weltreichsten Menschen. Dort ist Musk vom Spitzenplatz verdrängt worden. Er muss die Führung ausgerechnet an den Franzosen Bernard Arnault abtreten, Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH Moët Hennessy - Louis Vuitton SE. Arnault verkörpert geradezu einen Gegenentwurf zu Musk. Arnault ist bekennender Liberaler, kämpft gegen den Rechtspopulismus und unterstützt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er setzt - anders als Musk - auf gepflegte Umgangsformen und Stil. Arnault spielt Klavier, wo Musk nur pfeifen kann. Und wo Musk die moderne Tech-Welt verkörpert, ist Arnault die Inkarnation der alten Welt. Ausgerechnet ein altmodischer Europäer, der mit klassischen, nicht-digitalen Produkten wie Schmuck, Champagner, Mode, Parfum und Lederwaren sein Vermögen macht, stößt Musk vom Thron.
Wolfram Weimer
Lesen Sie auch: Gold, Öl, Kohle und Co. – wie wird 2023?