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Warum verklagen wir nicht die Bank?

Die Deutsche Bank hat es geschafft: Es ist ihr gelungen, eine Hauptversammlung skandalfrei und mit ausreichenden Wahlergebnissen fürs Spitzenpersonal hinter sich zu bringen. Allerdings fiel das geplante Bonifikationssystem für die Chefs glatt durch. Wieder so eine Peinlichkeit, die man sich hätte ersparen können, wenn man denn mit Leidenschaft etwas leisten würde statt nur immer wieder sich etwas zu leisten. Reinhard Schlieker analysiert.

BÖRSE am Sonntag

Die Deutsche Bank hat es geschafft: Es ist ihr gelungen, eine Hauptversammlung skandalfrei und mit ausreichenden Wahlergebnissen fürs Spitzenpersonal hinter sich zu bringen. Allerdings fiel das geplante Bonifikationssystem für die Chefs glatt durch. Wieder so eine Peinlichkeit, die man sich hätte ersparen können, wenn man denn mit Leidenschaft etwas leisten würde statt nur immer wieder sich etwas zu leisten.

Ob der Wille der Aktionäre überhaupt Beachtung finden wird, ist dennoch völlig offen. Nebenbei wurde bekannt, dass bei der Deutschen Bank ein weiterer Betrugsfall untersucht wird: Da hatten sich mutmaßlich Mitarbeiter an einem Anlagevehikel bereichert und sich möglicherweise eine selbstgemachte Gehaltserhöhung in zweistelliger Millionenhöhe genehmigt. Wozu arbeitet man schließlich in einem Geldhaus?

Ein wenig absurd klingt es dann doch: Aktionäre, als die Eigentümer eines Unternehmens, spielen mit dem Gedanken, ihr eigenes Unternehmen und die von ihnen angestellten und hoch bezahlten Manager zu verklagen. Vorerst aber wird es wenigstens übersichtlicher. Aus dem einen Co-Chef wurde ein Ex-Chef, der andere geht mit der Hauptversammlung vorzeitig, aber ein bisschen bleibt er auch. Während Anshu Jain längst zu neuen Investmentufern aufgebrochen ist, musste Jürgen Fitschen bei der Jahresversammlung der Aktionäre noch dabei sein, um sich jede Menge Kritik anzuhören. Und dann in einer Beraterrolle weiter für das Geldhaus zu arbeiten. Während gewichtige Anteilseigner sogar mit Haftungsklagen drohen. Aber mit Klagen und Strafzahlungen hat die Deutsche Bank neuerdings reichliche Expertise, und sich Anwürfe anzuhören, und seien es grotesk überzeichnete, übte Jürgen Fitschen norddeutsch-stoisch lange Monate in Sachen Leo Kirch im Münchener Oberlandesgericht. Mit einem uneingeschränkten Freispruch endete das – die Aktionäre haben allerdings andere Vorwürfe, die sie nicht so leicht aufgeben werden.

Dabei steht Fitschen bereits für den Kulturwandel, ein Wort, das man heute nicht mehr hört in der Bank. Er aber war es neben anderen, der den Wandel von der leidenschaftlichen Leistungsbank, vor allem im Investmentbanking, anstoßen sollte. Jede Menge Prozesse kamen dazwischen, vor allem in den USA, und die Altlasten nahmen kein Ende. Mit den Zornesstrudel geriet da nun auch der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner: Ihm werfen Großaktionäre zu zögerliche Handhabung der vielen Rechtsrisiken in der Bank vor. Nach der für die beiden Co-Chefs desaströsen Hauptversammlung 2015 mit jeweils 60 Prozent für eine Entlastung der Vorstände zauberte Achleitner seinen Aufsichtsratskollegen John Cryan aus dem Hut – als neuen und ab jetzt dann auch alleinigen Vorstandschef. Cryan gilt als Experte und Könner – aber nicht als Motivator und überzeugender Redner. Seine Vision für die Zukunft der Bank bleibt ein Gegenstand von Rätselraten.

Vor kurzem dann musste der Aufklärungsbeauftragte Georg Thoma den Aufsichtsrat verlassen – man rechnet dies ebenfalls Achleitner zu, der den offenbar verbissenen Anwalt, der überall in der Bank Missbrauch und Schuld witterte, allerdings zuvor selbst geholt hatte. Er verstand sich offenbar deshalb als Vorsitzender des Integritätsausschusses, weil Integrität in der Bank nicht existierte und fühlte sich berufen, sie herzustellen – das war vielen im Hause zu viel des Guten.Nun forderten Aktionäre für die Hauptversammlung auch noch einen Sonderprüfungsausschuss zu Schadensersatzforderungen gegen Vorstand und Aufsichtsrat – und verfehlten nur knapp die Stimmenmehrheit. Unter den „Rebellen“ ist nicht nur eine einzelne Aktionärin, sondern auch die Aktionärsberatungen ISS und Glass Lewis, einflussreiche angelsächsische Firmen, auf deren Expertise sich Großanleger verlassen.

Wenn es bisher noch nicht ungemütlich genud war, dann wird es das jetzt. Den Schaden zu beziffern dürfte den Beschwerdeführern leicht fallen: An die 20 Milliarden Dollar könnten die ganzen Strafverfahren die Deutsche Bank eines Tages gekostet haben; manche davon wurden besonders teuer, weil die Gremien des Geldhauses offenbar mauerten und verschleierten. Die ähnlich betroffene Großbank UBS kam durch Kooperation mit den US-Behörden deutlich billiger davon. Verantwortlich nach Aktionärssicht: Vorstand und Aufsichtsrat. Alles, was die Deutsche Bank in den letzten Jahren an Kapitalerhöhungen vornahm, geht wohl dafür drauf – die Stärkung der eigenen Kapitalbasis muss weiter warten. Und das wird ein Thema für die Aufsichtsbehörden.

Gleichzeitig verharrt der grausam abgestürzte Aktienkurs unter 15 Euro. Ein peinliches Desaster ganz eigener Güte; im Aktienindex Dax ist die Deutsche Bank ein Wert, der den Index nach unten zieht. Sogar auf der Höhe der Finanzkrise war die Bank an der Börse doppelt so viel wert, und das war schon wenig. Dividenden fallen vorerst aus – so etwas war bisher das zweifelhafte Privileg von Wackelfirmen. Der Tag der Abrechnung brachte düstere Ziffern und der Rest ist Hoffnung.