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AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  FONDS  ZERTIFIKATE  Rohstoffe   Lebensart nach dem Zweiten Weltkrieg, aber innereuropäische Spannungen, die Flüchtlingskrise und die islamistische Bedrohung versetzen den europäischen Kontinent in einen Schwächezustand, der bei der Supermacht USA Helferreflexe hervorruft. Nun ist TTIP keine reine Samariter-Tat oder ein amerikanischer Rettungsschirm für eine am Boden zerstörte europäische Wirtschaft, aber dennoch eine große ökonomische Chance. Für Deutschland, Europa und die USA gleichermaßen. Für deutsche Autobauer und andere Exporteure sowieso. Aber auch für den deutschen Mittelstand, dem durch das Freihandelsabkommen unter anderem Markteintritte in den USMarkt erleichtert werden. Wenn zwei der stärksten Wirtschaftsräume dieses Planeten — die USA und die EU — sich zu einem Freihandelsabkommen zusammenschließen, dann sollten chinesische Hersteller und Verbraucher, arabische Ölproduzenten und russische Gaslieferanten sich fürchten, nicht aber die eigene Bevölkerung. Eine Anti-TTIP-Bewegung gibt es übrigens nicht nur im ängstlichen Deutschland, nein auch in den Vereinigten Staaten. Nach einer aktuellen Umfrage der Bertelsmann Stiftung sprechen sich dort 18 Prozent gegen das transatlantische Freihandelsabkommen aus und nur 15 Prozent sind dafür. Auch die Mehrheit der US-Präsidentschaftskandidaten lehnt TTIP ab. Lediglich Hillary Clinton hat eine deutliche Haltung für das Abkommen eingenommen. Von der amerikanischen TTIP-Skepsis haben wir in Deutschland schon zu genüge. Vielleicht werden wir Barack Obama noch vermissen - weil er für Kooperation und Offenheit, für Freihandel und transatlantische Partnerschaft eingetreten ist. Trotz politischem Pazifik-Fokus hat er das alte Europa nicht vergessen. Und selbiges daran erinnert, dass es jenseits des Atlantiks eine Grundhaltung zur Freiheit gibt, die auch uns ganz gut tun würde. Was bedeutet TTIP konkret für Aktionäre? Anleger, die ihr Geld in DAX-Unternehmen investiert haben, dürften grundsätzlich vom Freihandelsabkommen profitieren. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle DAX-30-Konzerne stark in internationalen Geschäfte verwickelt. Allein das Wegfallen von Zöllen würde den deutschen Exporteuren Milliardenkosten ersparen. Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) addierten sich die US-Zölle im vergangenen Jahr für deutsche Autohersteller auf rund eine Milliarden US-Dollar. Ein Wegfall dieser wäre gleich doppelt gut für Daimler und Co. Denn die deutschen Hersteller produzieren teilweise in den USA und müssen auch für die Ausfuhr der dort hergestellten Pkw zehn Prozent Zollabgaben bezahlen. Einen weiteren großen TTIP-Vorteil haben Branchenkenner in wegfallenden Umrüstungen ausgemacht. Denn aufgrund einer Vielzahl an technischen und regulatorischen Vorschriften, müssen Fahrzeuge, Maschinen und andere Exportgüter kostenintensiv umgerüstet werden, um den US-Standards zu entsprechen. Eine Harmoniersung der Richtlinien ließe einige Zusatzkosten wegfallen. Und damit Geld, das für neue Investitionen oder Dividenden für Aktionäre benutzt werden könnte. TTIP ist somit geradezu eine erlaubte Doping-Spritze für den deutschen Aktienmarkt. Wir wollen zwar keine Chlorhühnchen, Bevormundungen und zweifelhafte Gerichtsinstanzen, aber einen gerechten Freihandel. Ein Abkommen, das Unternehmen und ihre Anleger auf beiden Seiten des Atlantiks entzücken sollte. Wer weiß, vielleicht gesellt sich neben den Frankfurter Bullen und Bären sogar noch eine kleine Barack-Statur. WCW Spezial 13 BÖRSE am Sonntag · 17/1 6


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