Page 12

BaS_35-16_V2

AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  FONDS  ZERTIFIKATE  Rohstoffe   Lebensart werden. Die Lieferketten breiter aufstellen, um zumindest stellenweise Risiken zu reduzieren? Jahrelang Abgase manipulieren und im Skandalfall dann eine stärkere Zukunftsausrichtung anmahnen? Auf diese Ideen hätte man bei VW auch früher kommen können. Nun müssen die Wolfsburger den Karren erst aus dem Dreck ziehen, bevor sie ihn anschieben können - eine weitestgehend selbstverschuldete Krise. Anleger können nur hoffen, dass sich die zuletzt überraschend positiven Absatzzahlen auf einem erfreulichen Niveau halten und keine weiteren Zulieferer zur Machtprobe antreten. Zudem gilt es, die finanziellen Schäden des Abgasskandals möglichst gering zu halten. Neuer Ärger steht hier von australischer Seite ins Haus, wo die Verbraucherschutzbehörde ACCC den Wolfsburger Konzern verklagen wird. Der Nachrichtenagentur „Reuters“ zufolge wirft sie dem Autohersteller vor, in den letzten fünf Jahren mehr als 57.000 Fahrzeuge mit einer Betrugssoftware in Down Under verkauft zu haben - Volkswagen hat die Manipulation von weltweit elf Millionen Diesel-Autos ja bereits gestanden. Das behördliche Verfahren tritt in der unheilvollen Gesellschaft privater Sammelklagen auf. Analysten gespalten: Volkswagen bald auf 180? Die Börsianer scheint die Gefahr vom anderen Ende der Welt nicht sonderlich zu kümmern. Die VW-Vorzugsaktie reagierte nicht auf die Meldung, sondern setzte ihren seit fast zwei Wochen anhaltenden Aufwärtstrend fort. Doch selbst wenn das Papier auf diesem Kurs bleibt - zum Jahrestag des Dieselgate-Schocks an den Börsen dürfte es mehrere dutzend Euro unter dem Wert von Mitte September 2015 liegen. Die aktuellste Analyse zur VW-Vorzugsaktie kommt von der Commerzbank. Sascha Gommel beließ den Wert in einer Branchenstudie vom Dienstag bei der Einstufung „Hold“ und einem Kursziel von 137 Euro. Besser gefallen dem Analysten die Aktien von Peugeot und Daimler, dennoch gebe es bei allen europäischen Autobauern ein Aufwertungspotenzial aufgrund aussichtsreicher Gewinnschätzungen. Präsentiert sich die VW-Aktie weiterhin so robust wie in den letzten Monaten, könnte tatsächlich wieder ein Wert über 130 Euro winken. Diese Marke wurde zuletzt Anfang Juni erreicht. Träumerisch wirkt da fast die Analyse von Patrick Hummel für die UBS. Er sieht die Vorzugsaktien von Volkswagen nicht mehr bei 175, sondern gar bei 180 Euro und rät zum Kauf. Hummel erwartet eine Margenerholung und ist hinsichtlich der Profitabilität der Kernmarke VW im Jahr 2018 optimistisch. Auch in diesem und im kommenden Jahr dürfte sich nach seiner Einschätzung ein bereinigter Gewinn je Aktie ergeben, der um etwa ein Fünftel über dem Konsens aller Schätzungen liegt. Deutlich finsterer liest sich die Einschätzung von Goldman Sachs, die den Aktien nur 115 Euro zutraut. Analyst Stefan Burgstaller betrachtet den kompletten europäischen Automobilsektor mit Sorge und hebt die Dieselaffäre als gesonderte Begründung für seine Verkaufsempfehlung hervor. Kaufen oder nicht kaufen, verkaufen oder halten - das sind hier die Fragen. Der Abgasskandal und seine Folgen haben die Volkswagen Aktien derart unberechenbar gemacht, dass alles möglich scheint. Sicher ist: Wenn der Konzern seinen merkwürdigen Zyklus von Krise-Katastrophe-Katalysator nicht durchbricht und statt ständiger Reaktion nicht proaktiv wird, sind die Aussichten doch eher dürftig. Das gilt vor allem für die Absatzzahlen in zehn Jahren, wenn Verbrennungsmotoren vielleicht endgültig „out“ sind. Denn dann kommt jede Abgasreinigung zu spät. Marius Mestermann Volkswagen Stand: 02.09.2016 12 BÖRSE am Sonntag · 35/1 6 Aktie der Woche


BaS_35-16_V2
To see the actual publication please follow the link above