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Warum nur wird VW härter bestraft?

Der Kurs der Volkswagen-Vorzugsaktie verharrte seit Tagen wie angenagelt unter der 120-Euro-Marke, zum Wochenschluss ging er nun deutlich auf Talfahrt. Das hat einen Grund. 8,2 Milliarden Euro fordern Anleger nun auch hierzulande von Volkswagen, natürlich wegen der illegalen Abschaltvorrichtungen bei einigen Dieselmotoren. Wirklich nur deswegen? Die von den Wolfsburgern verwendeten Programme gehören zu den „defeat devices“, sie sind schon viele Jahre lang ein Thema in fast der gesamten Autobranche; schon jahrzehntelang wurden weltweit immer wieder Abgaswerte verschleiert. Warum also jetzt VW?

BÖRSE am Sonntag

Der Kurs der Volkswagen-Vorzugsaktie verharrte seit Tagen wie angenagelt unter der 120-Euro-Marke, zum Wochenschluss ging er nun deutlich auf Talfahrt. Das hat einen Grund. 8,2 Milliarden Euro fordern Anleger nun auch hierzulande von Volkswagen, natürlich wegen der illegalen Abschaltvorrichtungen bei einigen Dieselmotoren. Wirklich nur deswegen? Warum also jetzt VW?

Die Überschrift für diesen Artikel war vielleicht irreführend, denn hier geht es wirklich um eine Frage. Keine kohärente Antwort ist in Sicht, nirgends, aber die Frage ist deswegen umso spannender. Die von den Wolfsburgern verwendeten Programme, sie gehören zu den „defeat devices“, sind schon viele Jahre lang ein Thema in fast der gesamten Autobranche; schon jahrzehntelang wurden weltweit immer wieder Abgaswerte verschleiert.

Die Konsequenzen für VW fallen im Vergleich erstaunlich hart aus, und die aktuellen Vorwürfe gegen vier Audi-Ingenieure, bei denen es um den Drei-Liter-Diesel geht, wirken nochmals verschärfend. Schon jahrzehnelang verschleiern Autohersteller Abgaswerte, weltweit. Die Konsequenzen für VW fallen indes erstaunlich hart aus, und die aktuellen Vorwürfe gegen vier Audi-Ingenieure, bei denen es um den Drei-Liter-Diesel geht, wirken nochmals verschärfend. Nochmals: warum?

Nun, wir laden Sie ein zu einem Rückblick in das letzte Jahrtausend, der vielleicht Hinweise gibt. Gut, es ging damals nicht um eine populäre PKW-Marke, und es ging nicht um die Weltmarktführerschaft. Aber die Phänomen war vergleichbar. Die US-Umweltbehörde EPA spielt eine Hauptrolle. Sie war den Unternehmen aus der Nutzfahrzeug-Branche wegen gefälschter Abgaswerte auf der Spur.

Auf der Liste der US-Behörde stand das Who is Who der amerikanischen Nutzfahrzeug-Branche. Das beginnt bei Navistar, dem neue Volkswagen-Partner und geht weiter zu Mack Trucks, Caterpillar, dem US-Motorenhersteller Cummins und der spätere Daimler-Tochter Detroit Diesel. Aus Europa war Volvo vertreten, die Schweden sind mit ihren Lastwagen ebenfalls stark auf dem nordamerikanischen Markt vertreten. Die Lastwagen-Hersteller waren, technisch gesehen, in den 1990er-Jahre der Zeit voraus. So wie Volkswagen wenige Jahre später. Die Lkw- und Motoren-Hersteller verwendeten spätestens 1998 sogenannte „Defeat Devices“; die geheimen Abschaltvorrichtungen, mit denen die Abgaskontrolle der Fahrzeuge manipuliert wird und in bestimmten Situation gar nicht oder nur eingeschränkt funktioniert.

Das Handelsblatt berichtet: „Die Top-Konzerne der amerikanischen Nutzfahrzeugbranche hatten sich etwas Besonderes für lange Autobahn-Fahrten mit konstantem Tempo ausgedacht, typisch beim Dauereinsatz von Lastwagen. Eine manipulierte Software sorgte dafür, dass der Kraftstoffverbrauch auf solchen langen Strecken zwar zurückging. Was den amerikanischen Behörden dabei allerdings überhaupt nicht gefiel: Zugleich gingen damit auch die Stickoxid-Emissionen nach oben.“ Und für die US-Aufsichtsbehörde war natürlich das größte Vergehen, das sie überhaupt nicht wusste, dass manipuliert worden war. Denn eine solche Behörde ist schlichtweg manifestierter Kontrollzwang, wenn sie gut funktionieren soll.

Indiana Jones sei unser Zeuge!

Die Umweltbehörde EPA also kam der Sache auf die Spur, verschickte Blaue Briefe Alarm und bestrafte die prominenten Vertreter aus der Nutzfahrzeugbranche. „Es hagelte daraufhin Geldbußen wegen der illegal eingesetzten Motorensteuerung“, berichtet das Handelsblatt. „Und wie im Fall Volkswagen mussten auch die Lkw-Konzerne zusätzlich Geld in Umweltfonds überweisen. Außer Frage stand damals genauso die Umrüstung der manipulierten Lastwagen, damit sie die US-Umweltbestimmungen durch und durch erfüllten.“

Die sechs Unternehmen aus der Nutzfahrzeug-Branche mussten zusammen eine Milliarde Dollar an Bußgeld an die US-Behörden überweisen. Das ist viel Geld, aber bei Volkswagen wurden allein für den zivilrechtlichen Vergleich mit US-Autofahrern mehr als 13 Milliarden Euro veranschlagt. Die strafrechtlichen Konsequenzen – und natürlich auch zusätzliche Strafzahlungen von Volkswagen – sind darin überhaupt nicht enthalten.

Diese Diskrepanz ist umso verwunderlicher, als der Schaden für die Umwelt unvergleichlich höher war, als er bei VW sein konnte. Immerhin ging es in den 1990er Jahren um LKW-Motoren, bei VW dagegen um ungleich weniger abgasintensive PKW-Motoren einer jüngeren Generation. Vorsichtige Schätzungen besagen, dass VW für 60.000 Tonnen Stickoxide verantwortlich sein könnte, was zwefelsohne schlimm ist. Die LKW-Branche verursachte aber, und das ist schon ein graviender Unterschied, rund 1,3 Millionen Tonnen.

Die Kläger handeln unlogisch

Den meisten Klägern gegen VW geht es, so steht es in den Schriftsätzen der hochspezialisierten Anwälte, um den gesunkenen Aktienkurs. Gäbe es nun eine valide Sichtweise des VW-Dieselgate-Skandals, die all diese Klagen unnötig machte, die Kurse würden wieder steigen, und zwar mutmaßlich fühlbar. Die Verluste wären von alleine wettgeamcht; das ist Börsenpsychologie. Warum also gibt es die vielen Klagen? VW-Aktionäre haben kein vitales Interesse an einer Klagenflut. Und auffällig ist, dass sich eben diese spezialisierten Anwälte, von bösen Zungen auch Bluthunde genannt, auf die VW-Fährte gesetzt haben. Doch auch sie handeln nur im Auftrag, fette Provisionen winken. Wer also hat hier ein Interesse – und welches?

„Wahrscheinlich sollte ein Exempel statuiert werden“, meint etwa Arndt Ellinghorst, Automobilanalyst beim Investmentberater Evercore ISI in London, zum Handelsblatt. Denn die Sünderbank reicht bis nach Japan: Mit der manipulierten Abgassteuerung sind seit 1995 rund 1,6 Millionen Honda-Modelle vorwiegend aus der Mittelklasse ausgestattet worden. Knapp 300 millionen Euro mussten die Japaner berappen. Aber Honda ist eben nicht Marktführer. Und die Firma wurde nicht in Deutschland und nicht im Jahre 1937 gegründet. So ein Konzern darf kein technologischer An-Führer werden und kein Weltmartkt-Führer. Er darf überhaupt nichts sein, was mit dem Wort „Führer“ zu tun hat. Da schaut man mancherorts genau! Kommt deswegen das mutmaßliche Exempel über Wolfsburg?

Auch Ford fiel übrigens schon als Umweltsünder mit Abschaltvorrichteungen auf. Zugegebenermaßen waren die Zahlen und auch die schädlichen Gase geringer als bei Honda und erst recht als aktuell bei VW, aber auch die Strafzahlung von acht Millionen US-Dollar war so überschaubar, dass ein US-Hersteller nicht unnötig geschädigt wurde. Bei einem im damaligen Hitler-Deutschland gegründeten Hersteller, der zudem in den 1970er Jahren auch schon einmal mit 25.000 Autos auffiel, bei denen die Abgaswerte nicht stimmten, wäre solche Zurückhaltung nun wirklich mehr als unangebracht. Auch wenn bei VW damals kein „Führer“ war, außer für knutschkugelförmige Autos. Indiana Jones sei unser Zeuge! sig