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Der Jahrhundert-Konzern

Innerhalb eines Jahres verdreifacht Amazon den Gewinn. Der schon zuvor imposante Umsatz steigt im Sommerquartal um mehr als ein Drittel auf 96,1 Milliarden Dollar. Und das nahende Weihnachtsgeschäft verspricht schon die nächsten Rekorde. Über eine Wachstumsstory, die ihresgleichen sucht.

Blick auf die Amazon-Konzernzentrale in Seattle. (Foto: Tada Images / Shutterstock)

Innerhalb eines Jahres verdreifacht Amazon den Gewinn. Der schon zuvor imposante Umsatz steigt im Sommerquartal um mehr als ein Drittel auf 96,1 Milliarden Dollar. Und das nahende Weihnachtsgeschäft verspricht schon die nächsten Rekorde. Über eine Wachstumsstory, die ihresgleichen sucht.

Vor 20 Jahren hat Amazon in Deutschland sein erstes Warenlager eröffnet. Die Aktie des damals noch wenig bekannten Unternehmens kostete da um die 30 US-Dollar. Was danach passierte, gleicht einem Märchen. Jeff Bezos, der Amazon bereits am 5. Juli 1994 in Bellevue, Washington gegründet hatte, formte innerhalb kürzester Zeit aus einem kleinen Online-Buchhandel einen Weltkonzern. Oder darf man inzwischen Jahrhundertkonzern sagen?

Bezos hat das moderne Online-Kaufhaus und digitale Shopping-Erlebnis mit Amazon in einer Radikalität vorgedacht, wie niemand sonst und es so zum reichsten Menschen der Welt gebracht. In den vergangenen Jahren hat er Amazon überdies zur Mega-Plattform ausgebaut und an der Börse zum Billionen-Konzern gemacht. Inzwischen kostet eine Aktie mehr als 3.000 US-Dollar. In zwanzig Jahren entspricht das einem Kursplus von fast 10.000 Prozent.

Bezos erwartet „beispielloses“ Weihnachtsgeschäft

Im dritten Quartal des laufenden Jahres erzielte Amazon einen Umsatz in Höhe von 96,1 Milliarden US-Dollar. 2019 waren es im gleichen Zeitraum noch 70 Milliarden US-Dollar gewesen. Auf einem ohnehin schon imposanten Niveau hat der Online-Riese damit innerhalb eines Jahres seine Erlöse um 37 Prozent gesteigert. Den Gewinn hat Amazon dazu verdreifacht – auf 6,3 Milliarden US-Dollar. Das Ergebnis je Aktie lag damit bei 12,37 US-Dollar. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 4,23 US-Dollar. Im Weihnachtsquartal erwartet Amazon dann zum ersten Mal Umsätze im dreistelligen Bereich. Zwischen 111 und 121 Milliarden US-Dollar lautet die Prognose. Auch das wären bis 38 Prozent mehr, als 2019. „Wir sehen mehr Kunden als jemals zuvor, die frühzeitig Geschenke einkaufen“, erklärte Bezos den Traum-Ausblick. Es stehe ein „beispielloses“ Weihnachtsgeschäft bevor. Ende November stehen mit dem Black Friday und dem Cyber Monday noch zwei Shopping-Orgien an.

Die Corona-Pandemie hat Amazon auf hohem Niveau noch einmal einen extremen Wachstumsschub verpasst. In jeder Krise gibt es Gewinner, so auch in dieser. Doch kein Konzern profitiert in einer Art und Weise, wie Amazon es gerade tut. Während sich anderswo Entlassungswellen aufbauen, hat Bezos in diesem Jahr 400.000 neue Mitarbeiter eingestellt. Und während dem stationären Einzelhandel die Umsätze sintflutartig abhandenkommen, erlöst Amazon in einer Woche fast 25 Milliarden US-Dollar. Nicht allein mit dem Verkauf von Produkten, die Cloud-Sparte AWS kommt inzwischen auch auf stolze 11,6 Milliarden US-Dollar Umsatz im Quartal und ist bei einem gleichzeitigen Gewinn von 3,5 Milliarden US-Dollar eine echte Profitmaschine.

Wachstum ohne Ende – auch an der Börse

All diese Zahlen bekommen noch mehr Gewicht, wenn man sich das Wachstum von Amazon ansieht. Obwohl der Konzern wohl bald eine halbe Billion US-Dollar im Jahr erlösen wird, klettern Umsätze und Gewinne immer noch in hohem Tempo. Allein in der Cloud-Sparte legte das Ergebnis um 56 Prozent zu, die Erlöse stiegen um 29 Prozent. Amazon profitiert schlicht und ergreifend davon, dass immer mehr neues Käuferklientel nachkommt, ohne das gleichzeitig ein altes wegbricht. Das liegt in der Natur der Sache – schließlich nutzen mehr unter 20-jährige die Plattform, als über 70-Jährige.

Darüber hinaus bindet Amazon seine Kunden inzwischen noch stärker an sich, als früher. Wen Amazon einmal als Prime-Kunden gewonnen hat, der kauft auch weiter bei dem Online-Giganten ein und nicht woanders – zahlt er doch schließlich monatlich Gebühren dafür. Das kostenlose Streamingangebot kommt noch obendrauf.

US-Wahl als Unsicherheitsfaktor

All das wiederum führt dazu, dass auch Amazons Aktienkurs so gut wie hindernisfrei immer neue Höhen erklimmt. Im Corona-Jahr 2020 steht ein Plus von über 60 Prozent zu Buche. Die Marktkapitalisierung beträgt inzwischen 1,5 Billionen US-Dollar. Vor der kräftigen Tech-Korrektur im September hatten sich Anleger sogar über noch höhere Zuwächse freuen können. Zuletzt drückte die Unsicherheit im Zuge der US-Präsidentschaftswahl auf den Kurs.

Das hat Gründe. Denn bei allen Freuden, die Amazon seinen Anlegern über Jahre hinweg beschert hat, ist der Konzern so groß und mächtig geworden, dass die Konkurrenz gefährlich taumelt. Immer wieder wird Amazon deshalb Missbrauch von Marktmacht vorgeworfen. Hinzu kommen schlechte Arbeitsbedingungen und zwielichtige Taktiken zur Steuervermeidung. Auch das sind Teile des Märchens.

Der Gegenwind nimmt entsprechend zu. Unter einem US-Präsidenten Joe Biden drohten höhere Steuern, vielleicht eine Zerschlagung. Selbst unter Donald Trump scheint zumindest letzteres nicht unmöglich. Über höhere Abgaben für Digitalkonzerne wird auch in der EU seit Jahren diskutiert. Bislang ohne Ergebnis, aber das Thema ist noch lange nicht vom Tisch. In Deutschland hat das Bundeskartellamt vor kurzem ein Verwaltungsverfahren gegen Amazon eingeleitet, um zu klären, „ob und inwieweit Amazon mit Markenherstellern zu Lasten von Dritthändlern kooperiert“.

Die Wahrheit ist aber auch: Höhere Steuern ändern zunächst wohl kaum etwas an Amazons intakter Wachstumsstory. Und bis es zu einer Zerschlagung kommen sollte, dürfte noch viel Zeit vergehen. Kaum vorstellbar, dass sich mitten in der Corona-Krise eine Regierung dazu durchringt, einen Konzern zu schwächen, der hunderttausende neuer Jobs schafft.

Rücksetzer als Kaufgelegenheit

Ein Rücksetzer wie zuletzt könnte für Anleger deshalb eine Kaufgelegenheit darstellen. Die Aktie mag extrem hoch bewertet sein, doch genauso extrem scheint das Wachstum. JPMorgan-Analyst Douglas Anmuth hob die Papiere nach der jüngsten Zahlenveröffentlichung auf die „Analyst Focus List“ der Bank und gab ein Kursziel von 4.100 US-Dollar aus. Goldman Sachs-Analyst Heath Terry  erwartet sogar einen Kurs von 4.200 US-Dollar und beließ die Titel auf der „Conviction Buy List“. Die Ertragssteigerungen durch den zunehmenden Trend hin zu Online-Käufen und dem Cloud-Computing dürften den Aktienkurs weiter hochtreiben, schrieb Terry in einer Studie. Insgesamt raten im dpa-AFX-Analyser 27 von 27 befragten Analysten zum Kauf der Aktie – ein klares Votum.

Dass sich das Coronavirus wieder verstärkt ausbreitet, dürfte zunächst nicht auf die Kurse der beiden Highflyer drücken. Die weiterhin und in vielen Weltregionen wieder verstärkt geltenden Schutzmaßnahmen verschärfen hingegen weiter den Digitalisierungstrend. Ein zweiter Börsencrash scheint dazu wenig wahrscheinlich, da Notenbanken und Staaten mit ihren Rettungspaketen unmissverständlich klar gemacht haben, dass sie die Wirtschaft stützen – koste es, was es wolle. Da dies jedoch gleichzeitig die Zinsen niedrig hält und Anlegern damit die Rendite-Optionen nimmt, fließt wohl weiter viel Geld in die Aktienmärkte.

Ein starker Nährboden für starke Aktien. Und zu diesen gehört die von Amazon. Wiederkehrende Einnahmen, eine einzigartige Marktposition, dazu intakte Wachstumsphantasien – Amazon und Jeff Bezos geben ihren Anlegern so ziemlich alles, das ein Investmentherz begehrt. Und so krempeln die Jahrhundertpandemie und der Jahrhundertkonzern Hand in Hand die Welt um.

Oliver Götz

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