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Chip-Aktien: Auf die richtige Auswahl kommt es an

Der Halbleiter-Sektor erlebt an der Börse eine Erholungsrally. Doch nicht alle profitieren davon. Innerhalb der Branche entsteht eine Kluft zwischen Gewinnern und Verlieren, die das Jahrzehnt prägen könnte. Kluges Stock-Picking dürfte für Anleger nun wichtiger werden, denn je.

(Foto: Shutterstock)

Der Halbleiter-Sektor erlebt an der Börse eine Erholungsrally. Doch nicht alle profitieren davon. Innerhalb der Branche entsteht eine Kluft zwischen Gewinnern und Verlieren, die das Jahrzehnt prägen könnte. Kluges Stock-Picking dürfte für Anleger nun wichtiger werden, denn je.

Nach immensen Kursverlusten im vergangenen Jahr greifen Investoren im Chip-Sektor wieder zu. Fast 20 Prozent hat der breit in die Branche investierende iShares MSCI Global Semiconductors ETF 2023 bereits zugelegt. 2022 hingegen hatte der Fonds im Jahresverlauf fast 30 Prozent abgegeben. Diese Entwicklung steht stellvertretend für eine gewisse Euphorie-Rückkehr rund um die Halbleiter-Branche. Ein Rückgang der Inflationsraten sowie das inzwischen wahrscheinliche Ausbleiben scherwiegender Rezessionen in den USA und Europa beflügeln den konjunktursensiblen Sektor.

Doch im Vergleich zu den Rallys vor und während der Coronapandemie, steigen die Unternehmensbewertungen nicht mehr branchenübergreifend. Es gibt Gewinner und Verlierer, weil sich die Chipproduktion und -nachfrage immer weiter ausdifferenziert. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerb zu.

Intel fehlen die Innovationen

Beides bekommt besonders der Branchenriese Intel zu spüren. Im vierten Quartal 2022 brach der Umsatz des Konzerns mit Sitz im kalifornischen Santa Clara um 32 Prozent auf 14 Milliarden US-Dollar ein. Unter dem Strich machte Intel einen Verlust von 664 Millionen Dollar. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 4,6 Milliarden Dollar Gewinn gewesen. Die Prognosen für das laufende Quartal lesen sich ähnlich ernüchternd. Die Umsätze sollen zwischen 10,5 und 11,5 Milliarden Dollar liegen, deutlich unter den von Analysten erwarteten 14 Milliarden. Der Gewinn je Aktie soll nur noch 15 Cent betragen. Analysten hatten hier mit zehn Cent mehr gerechnet.

Intel leidet unter der zunehmenden Schwäche des PC-Marktes, der einst zuverlässiger Umsatzbringer war. Dem Marktforschungsinstitut Gartner nach sollen die Verkäufe von Personal Computern im Schlussquartal 2022 um 28 Prozent zurückgegangen sein und damit so stark wie noch nie seit Beginn der Erhebung Mitte der 90er Jahre. Auch die Smartphone-Verkäufe brachen dem Marktforschungsunternehmen Canalys zufolge um 18 Prozent ein. Auf die fetten Pandemie-Jahre folgt nun also der große Kater. Die Umsätze mit Computerchips gingen für Intel von Oktober bis Dezember um 36 Prozent auf 6,6 Milliarden Dollar zurück. Statt 3,8 Milliarden blieben nur noch 699 Millionen Dollar Gewinn übrig.

Diesen Einbruch konnte Intel durch andere Sparten nicht ausgleichen. Auch im Geschäft mit Chips für Rechenzentren gingen die Umsätze um über 30 Prozent auf 4,3 Millionen Dollar zurück, der Gewinn fiel von 2,3 Milliarden auf 371 Millionen Dollar. Hier scheint Intel zunehmend Marktanteile an die Konkurrenz zu verlieren, darunter der langjährige Rivale AMD.

AMD rettet ein Übernahmecoup

Ebenfalls in Santa Clara beheimatet, läuft es bei AMD in der Rechenzentren-Sparte weiter gut. Hier hat man gegenüber Intel inzwischen einen Innovationsvorsprung. Vor allem sind es aber die Chips für die Auto- und Luftfahrtindustrie, die AMD aktuell bedeutend bessere Zahlen bescheren als Intel. Im PC-Geschäft läuft es auch bei dem Konzern um CEO Lisa Su nicht gut. Der Umsatz sank hier um 50 Prozent auf 900 Millionen Dollar, der Gewinn von 530 Millionen Dollar im Vorjahr ging in einen Verlust von 152 Millionen Dollar über. Insgesamt konnte AMD den Quartalsumsatz jedoch um 16 Prozent auf 5,6 Milliarden Dollar steigern und blieb mit einem Plus von 21 Millionen Dollar gerade so noch in der Gewinnzone. Bezahlt macht sich für AMD vor allem die Übernahme von Xilinx, womit die US-Amerikaner ihre Marktanteile im Industriesektor ausbauen konnten. Erzielte AMD im letzten Quartal 2021 gerade einmal 71 Millionen Dollar Umsatz in der Sparte, waren es 2022 1,4 Milliarden Dollar.

Schon der Vergleich zwischen AMD und Intel zeigt: Der Chip-Sektor teilt sich gerade in zwei Hälften. Auf der einen Seite das schwache PC-Geschäft, indem für die kommenden Jahre Überkapazitäten drohen und nur noch wenig Marge zu erzielen ist. Auf der anderen Seite das lukrative Industriegeschäft mit Chips für Autos, digitale Fabriksteuerung, Erneuerbare Energien, Flugzeuge und vieles mehr. Hier übersteigt die Nachfrage das Angebot, die Margen sind entsprechend hoch, Wachstum ist für die nächsten Jahre fast schon garantiert. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien gewinnt schließlich in den USA erst jetzt richtig an Fahrt, die E-Mobilität steht noch immer am Anfang, die Digitalisierung von Maschinen, Geräten, ganzen Fabriken schreitet zunehmend voran. Wer hier nicht rechtzeitig die Weichen gestellt hat, hängt jetzt hinten dran. Spezialisierte, kleinere Chiphersteller hingegen erleben auf einmal einen Boom.

Wolfspeed produziert Game Changer-Chips für die E-Mobilität

Wolfspeed zum Beispiel hat die Innovationsführerschaft bei Siliziumkarbid-Halbleitern inne. Für die Autoindustrie könnten die Chips zum Game Changer werden. Sie verbessern die Nutzung der Batterieenergie, womit der Ladevorgang beschleunigt sowie insgesamt die Reichweite erhöht werden kann. Damit dürften sie mittel- bis langfristig die bislang auf Silizium basierenden Halbleiter ablösen. Wolfspeed erzielte 2022 einen Umsatz von 746 Millionen Dollar und will bereits 2027 die Vier-Milliarden-Dollar-Grenze erreichen. Bislang macht Wolfspeed noch Verlust und ist im Vergleich zu AMD oder Intel fast winzig. Doch die Wachstumschancen sind groß. Das hat auch Wolfspeed selbst erkannt und investiert nun unter anderem im Saarland 2,7 Milliarden Euro in eine Fabrik für Siliziumkarbid-Halbleiter. Die Aktie hat sei Jahresbeginn rund 25 Prozent von 69 auf 86,50 Dollar zugelegt. Zuvor war sie volatil seitwärts gelaufen und entzog sich größtenteils dem Crash, den der Sektor 2022 hingelegt hatte.

Infineons lange kritische beäugte Fokussierung auf die Autoindustrie wird zur einer Kaufempfehlung

Noch besser gelang der Jahresstart für Infineon. Die Aktie von Deutschlands größtem Chipunternehmen legte bis Anfang Februar um fast 30 Prozent zu. Auch Infineon profitiert von der Ausrichtung auf die Industrie. Besonders die Automobilkonzerne fragen immer mehr Chips nach. Vorstandschef Jochen Hanebeck macht daraus kein Geheimnis: „Das ist der Treiber für unser Geschäft“, sagte er am Rande der Zahlenvorlage. Aber auch im Bereich der erneuerbaren Energien oder dem bargeldlosen Bezahlen laufen die Geschäfte stark.

Mit Vorlage der Quartalszahlen hob der Konzern mit Sitz in Neubiberg bei München also mal wieder die Gewinnprognose an. Der Umsatz soll 2023 nun 15,5 Milliarden Euro betragen, die Gewinnmarge von 24 auf 25 Prozent steigen. Im vierten Quartal 2022, gleichzeitig Infineons erstes Geschäftsjahresquartal, lag die Marge sogar bei 28 Prozent. Das operative Ergebnis kletterte um fünf Prozent auf 1,11 Milliarden Euro, der Umsatz ging um fünf Prozent auf 3,95 Milliarden Euro zurück.

Bernstein Research-Analystin Sara Russo sieht den Kurs der Aktie mittelfristig bei 40 Euro. Sie lobte Infineons Fokussierung auf Chips zur Energiesteuerung. Überhaupt sieht die Expertin Aufwärtspotenzial für europäische Chip-Werte, deren Wachstumspotenzial noch nicht ausreichend eingepreist sei. Dazu passt auch die Umsatzprognose von ST Microelectronics. Der italienisch-französische Konzern will 2023 mit bis zu 17,8 Milliarden US-Dollar deutlich mehr Umsatz erzielen, als bislang von Analysten erwartet. Bereits im vergangenen Jahr lief es für ST Microelectronics sehr gut, der Gewinn verdoppelte sich auf fast vier Milliarden Dollar. Auch STMicro profitiert von der hohen Nachfrage seitens der Autoindustrie. Diese hohe Nachfrage dürfte noch Jahre anhalten. Der VDA rechnet damit, dass es global noch bis 2026 Einschränkungen durch fehlende Halbleiter in der Branche geben wird. Zudem dürfte sich bis 2030 die Halbleiternachfrage in der Autoindustrie nochmal verdreifachen.

Ebenfalls steigenden Bedarf sehen Experten rund um das Thema Künstliche Intelligenz. Hier ist der US-Konzern Nvidia nach wie vor führend. An der Börse verloren die Kalifornier 2022 über die Hälfte an Wert, im neuen Jahr steht nun aber bereits ein Plus von fast 50 Prozent zu Buche. Zahlen für das abgelaufene Quartal hat Nvidia noch nicht vorgelegt, doch der Konzern um CEO um Jen-Hsun Huang lockt Anleger seit Jahren mit großer Wachstumsfantasie.

Fazit

Der Blick auf gegenwärtige Branchentrends zeigt, dass für Chiphersteller mit hohen Volumina im Bereich des Smartphone- und PC-Bereichs in den nächsten Jahren Ungemach droht. Gleichzeitig dürften diejenigen Unternehmen, die spezielle Chips für die Industrie oder KI-Anwendungen fertigen, prächtig verdienen. Die weltwirtschaftliche Entwicklung bleibt allerdings ein Risikofaktor. Verdüstern sich die Prognosen wieder, dürfte das die Chip-Branche mit als erstes zu spüren bekommen. Wenn die Zahl der Autokäufer rapide zurückgeht, hilft es schließlich auch nichts, dass immer mehr Chips pro Auto verbaut werden.

OG

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