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Die Musik spielt auf den Edelmetallmärkten

Wahnsinn, wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Wo ist die Zeit geblieben? Was wird hängen bleiben in der Erinnerung? Gut, irgendwie werden sich die meisten an die Fußball-WM erinnern und an Orakel Paul, das ja leider schon durch den Tintenfischhimmel schwimmt und dort hoffentlich immer leckere Muscheln findet.

BÖRSE am Sonntag

von Michael Blumenroth, Edelmetallhändler Deutsche Bank

Wahnsinn, wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Wo ist die Zeit geblieben? Was wird hängen bleiben in der Erinnerung? Gut, irgendwie werden sich die meisten an die Fußball-WM erinnern und an Orakel Paul, das ja leider schon durch den Tintenfischhimmel schwimmt und dort hoffentlich immer leckere Muscheln findet.

Die Olympischen Winterspiele sind schon wieder so weit weg, dass ich mich nur noch dunkel daran erinnere. Der letzte Winter war kalt und sehr schneereich und ich habe viel auf Flughäfen und in Zügen festgesteckt. Der Sommer brachte mir persönlich zwölf eigenfüßig gelaufene Marathons, was darauf hindeutet, dass das Wort Regeneration etwas überschätzt wird. Das Konzertjahr war recht fein. Schizophren, wie ich wohl bin, haben mich sowohl Rammstein und AC/DC als auch diverse Opern erfreut. Das Kinojahr war allerdings eher mau, wie es scheint. Meine Kollegen kamen eher enttäuscht aus den Lichtspielhäusern heraus, es war ihnen zu sehr Liebesgeschichte, statt dass sie etwas Neues hätten lernen können von Gordon Gekko, dem alten Trading-Fuchs. Gegen das im Film geprägte Investmentbanker-Bild muss ich mich ohnehin verwahren. Ich zum Beispiel besitze gar kein Auto, sondern fahre fleißig U-Bahn. Trage keine dicke Uhr, sondern nur eine ganz gewöhnliche Plastikuhr. Und meine Kleider sind so gewählt, dass ich immer wieder für den Hausmeister gehalten werde, wenn ich bei uns über den Trading Floor schleiche. Ganz zu schweigen davon, dass wir Händler in jedem Vampirfilm Hauptrollen besetzen könnten, da wir kaum Tageslicht sehen, sondern fast Tag und Nacht vor Bildschirmen hocken – sehr Teint schädigend.

Außerdem ist die Botschaft des Films falsch. Aktienmärkte? Langweilig! Wie schon zart in meinem letzten Beitrag angedeutet, spielt die Musik eindeutig auf den Edelmetallmärkten im Moment. Über Gold brauchen wir ja kaum zu reden. Solange die Fed Geld drucken lässt, die Zinsen niedrig, aber die Inflationserwartungen hoch sind, solange heißt mein zweiter Vorname „Bulle“ und ich denke gar nicht über stark fallende Goldpreise nach.

Die Kapriolen, die Silber in den letzten Wochen geschlagen hat, die erleben die meisten Wall-Street-Händler inklusive Gordon Gekko ihr ganzes Leben lang nicht. Habe ich letztens noch eine mimosenhafte Enttäuschung an den Tag gelegt, als Silber an der Marke von 21 US-Dollar pro Unze scheiterte, so hat es danach – offensichtlich durch mein mangelndes Vertrauen provoziert – eine unglaubliche Rallye hingelegt, marschierte von 20 stramm auf 29,30 US-Dollar pro Unze, bevor die ersten Händler der Mut verließ und Silber eine schöpferische Pause einlegte. Haarsträubend. Wie ein Orkan fegte diese Rallye über jede Short-Position hinweg. Quasi die Mutter aller Upmoves. Tja, Gordon Gekko, diese Chance, richtig reich zu werden, hast du wohl verpasst. Umso spannender die Frage, was passiert nun als Nächstes? Ich muss zugeben, Preisbewegungen im Silber vorherzusagen ist schwieriger, als jetzt das Wetter am 1. April 2011 zu prognostizieren. Aber Anleger, denen Gold faktisch zu teuer geworden ist, gehen im Moment in den Silbermarkt. Und von den historischen Höchstständen der 80er-Jahre sind wir noch weit entfernt. Wenn die Bullenherde erst einmal galoppiert, dann ist es schwer, sich ihr in den Weg zu stellen. Eine Stampede quasi, wie die Karl-May-Leser unter uns wissen. Und wie die Gordon-Gekko-Fans wissen: The trend is your friend! In dem Sinne, ich bin mal unterwegs nach Hollywood. Ich denke, wenn ein Nachfolger für Michael Douglas gesucht wird, dann sollte ich das sein.