Die Tiefen des Sommerlochs und das Auktionsfieber
von Michael Blumenroth, Edelmetallhändler der Deutschen Bank
von Michael Blumenroth, Edelmetallhändler der Deutschen Bank
Leider scheint der Sommer sich im Moment pünktlich zum kalendarischen Sommeranfang wettermäßig in den Herbst zu verwandeln. Na ja, wir sollten nicht undankbar sein und uns erinnern, dass der Frühling ein verkappter Sommer gewesen ist. Ähnlich ist es für uns Händler. Ich liebe es, wenn die Märkte in Bewegung sind. Man den gesamten Tag an Schreibtisch und Bildschirme gefesselt ist, kaum Zeit zum Essen bleibt (gute Diät!), man sich am Abend schon auf den nächsten hektischen Tag freut. Im April und Mai war ich in meinem Element, aber im Juni plätschern die Märkte so vor sich hin. Vielleicht wäre es im Sommer ja sinnvoll, die Börsenzeiten auf die Zeiten der Börse von Ulan Bator in der Mongolei zu verkürzen. Die handeln nämlich nur eine (!) einzige Stunde pro Handelstag. Und irgendwie gehen die Kurse dort beständig nach oben. In der Kürze liegt die Würze?
Definitiv sind die ruhigen Tage aber gut, um mal den Schreibtisch aufzuräumen, und da fällt mir ein Artikel (um etwaigen Plagiatsvorwürfen zu entgehen – er stammt aus dem Magazin ‚Smart Money‘) in die Hände, der folgendes Phänomen beschreibt: das sogenannte Auktionsfieber: Eine Analyse von Auktionen mit Geschenk-Gutscheinen von Amazon hat ergeben, dass 41% der Auktionsgewinner mehr als den Gutscheinwert bezahlten. Ein 25-Dollar-Gutschein wurde durchschnittlich für 28 Dollar versteigert. Irrsinnig, oder? Bei ähnlichen Experimenten an Schulen wurden auch US-Dollar-Noten deutlich über Wert versteigert. Da kann ich ja nur noch den Kopf schütteln. Jahre an der Uni, in denen uns das Konzept des rational handelnden Anlegers eingepaukt wurde, sie scheinen für die Katz zu sein.
Was bedeutet dies für die Edelmetallmärkte? Zahlen die Anleger eventuell auch mehr, als Gold und Silber in der Realität ‚wert‘ sind? Das ist insofern schwer zu sagen, als man einer US-Dollar-Note oder einem Gutschein genau den Wert beimessen kann, der vorn draufsteht. Bei einer Ware finden sich die Preise dagegen durch Angebot und Nachfrage. Und in dem derzeitigen von großen Unsicherheiten geprägten globalen Umfeld (Griechenland-‚Krise‘, Staatsfinanzen in den USA, Inflationsbefürchtungen, Unruhen in arabischen Staaten) denke ich, dass die Nachfrage nach Edelmetallen als Versicherung gegen potentielles Ungemach weiter groß sein wird. Der Herbst ist meist eh die Zeit, in der die physische Gold-Nachfrage am größten ist. Und wenn wir doch morgens aufwachen und in der besten aller Welten leben, ohne Finanzsorgen irgendwo auf unserem schönen Planeten, dann sollten die edlen Metalle aus konjunkturellen Gründen auch gut nachgefragt werden. In diesem Sinne, ich verabschiede mich jetzt für drei Monate. Auf einen Studienbesuch an der mongolischen Börse.