Doordash und Delivery Hero: Helden gibt es oft nur in der Sage
Man isst ja gewöhnlich dreimal am Tag, weiß Mr. Tony Xu. Und er sollte es wissen, denn sein Unternehmen Doordash will das alles am liebsten bringen, auch wenn dies natürlich ein frommer Wunsch bleibt.
Man isst ja gewöhnlich dreimal am Tag, weiß Mr. Tony Xu. Und er sollte es wissen, denn sein Unternehmen Doordash will das alles am liebsten bringen, auch wenn dies natürlich ein frommer Wunsch bleibt.
Von Reinhard Schlieker
Aber was er damit sagen will: Lasst die Leute nach dem Abflauen der Corona-Pandemie und anschließend auch der gleichnamigen Hysterie ruhig wieder in die Restaurants gehen, womöglich täglich: Da bleiben immer noch genug Mahlzeiten für uns. Die „Dasher“, Flitzer vom Restaurant zur Haustür, mit eigenem Fahrzeug oder im Sprint, dürfte es freuen. Unter ihnen sind dem Vernehmen nach tatsächlich Helden, von denen die Mär geht, dass sie sogar die „Pille danach“ in Rekordzeit liefern – dankbare, verträumte Liebespaare pflastern womöglich ihren Weg.
Viel Liebe hat vorübergehend auch die Aktie erfahren, seit Dezember 2020 in New York notiert. 3,37 Milliarden Dollar brachte der Börsengang. Es wurde jedoch eine Börsenliebe mit Verfallsdatum – nach knapp einem Jahr war sie nach dem Erreichen eines Höhepunktes bei 245 Dollar schnell erkaltet. Doordash, obwohl mit ermutigenden Zahlen erst in dieser Woche auffällig geworden, sank seit November auf nur noch rund 105 Dollar. Doordash-Gründer Xu lässt sich von solchen Lappalien nicht beirren. Er tanzt auf allen sich bietenden Hochzeiten, offeriert Finanzierungen für Restaurants, betreibt die ein oder andere „Ghost Kitchen“, wo Restaurants gemeinsam kochen lassen, lässt an Algorithmen knobeln und beschäftigt sich mit Technologie für selbstfahrende Vehikel aller Art. Das Ziel offenbar: Alles liefern, was sich bewegen lässt, und damit Amazon alt aussehen lassen.
Bei den beiden – ehemaligen – Platzhirschen in den USA war dies ein leichtes, sowohl Grubhub als auch Uber Eats sehen längst nur noch die Rücklichter. Doch wahre Helden sind selten, und das trifft vor allem auf Delivery Hero zu. Man führt die Tapferkeit im Namen, zeigt jedoch Feigheit vor dem Feind, wo es nur geht. Nun gut, Doordash ist ein fulminanter Gegner, aber einen gerade erst wiedereröffneten Markt schnellstens aufzugeben, nur weil die amerikanischen Flitzer sich ankündigen, ist wohl nicht Ausweis besonderen Kampfeswillens. An der Börse hat Delivery Hero ebenfalls seit Herbst vergangenen Jahres einen fast kontinuierlichen Abstieg hinter sich, mit einer für ein Dax-Unternehmen so gut wie ungekannten Volatilität. Da kann es innerhalb weniger Tage schon mal zwischen 39 und 52 Euro hin- und hergehen. Immerhin ist das Papier mit rund 51 Euro derzeit noch ziemlich genau doppelt so viel wert wie der Emissionspreis betragen hat. Nur Nerven muss man haben, als Anleger zumal, die der Unternehmensführung manchmal zu fehlen scheinen.
Die Zahl der übernommenen und teils wieder abgestoßenen, teils einfach geschlossenen Konkurrenzunternehmen oder Startups füllt inzwischen eine eigene Chronik. Über „Foodpanda“ und eine Beteiligung an „Gorillas“ war Delivery Hero im September 2021 auf den deutschen Markt zurückgekehrt, nach dreijähriger Abstinenz, um nun wieder dort die Segel zu streichen. Ähnlich lief es in Japan – man scheint keinen Atem zu haben für die Eroberung nationaler Märkte, und die Verteidigung dort gegen skrupellose Angreifer, wie Doordash zweifellos einer ist. Der eingesessene „Lieferando“-Service war ja wohl vor der Entscheidung für den deutschen Markt bekannt. Wahrscheinlich sagt man sich bei Delivery Hero analog, gegessen wird dreimal täglich auch anderswo, warum sollen wir ausgerechnet da sein wo auch andere sind? Langfristig eher kein so kühnes Konzept, aber das durchkreuzt demnächst der amerikanische Eroberer wohl sowieso, wenn die Furcht vor ihm berechtigt ist. Die Beteiligung am deutschen Lieferdienst „Flink“ war wohl eine Kostprobe, unlängst hat Doordash den finnischen „Wolt“ übernommen und Europa scheint damit sturmreif. Wäre da nicht zum Beispiel in Deutschland ebenjener „Lieferando“ mit einem gewaltigen Vorsprung, was die Zahl der Restaurants und Ketten unter Vertrag angeht. In den USA usurpierte Mr. Xu einfach solche Restaurants, die ihn nicht wollten oder überhaupt kannten, und listete sie ohne viele Umstände auf seiner Webseite – in der christlichen Seefahrt würde man so etwas „schanghaien“ nennen. Bekamen solche Essenstempel dann schlechte Onlinebewertungen für Lieferungen, war Doordash flugs zur Stelle mit einem Angebot, das sie nicht ablehnen konnten.
In Europa funktionieren nicht alle derartigen fiesen Tricks, und die EU arbeitet an Regelungen, die generell nur noch fest angestellte Fahrer (oder halt Radler und Läufer) gestatten. Ein Konzept, das Doordash erheblich bremsen könnte – in den USA sackte Xu teils sogar die Trinkgelder der Lieferleute ein, bis zum Erreichen des Mindestlohns, ehe dies gerichtlich gestoppt wurde. Doordash plant derweil die Lieferung von allem und jedem auch in Europa, binnen dreißig Minuten nach Bestellung. Das ist tollkühn und sollte Amazon ein Stirnrunzeln entlocken, mindestens. Wenn da beim rabiaten Mr. Xu nicht noch ein paar echte Helden anheuern, die sagenumwobene Liebesdienste leisten für ein herzliches „Dankeschön“ allein, dann ist das Schicksal der börsennotierten Unternehmen dieser Branche allenfalls in nebelverhangener Zukunft zu finden, und die wird, in aller Gemächlichkeit, ja erst noch geliefert.
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