Vorsprung durch Täuschung
Im vernehmlichen Nageln des Dieselgewitters bleibt eine Frage ungestellt und wohl auch unbeantwortet: Wie viele Anfragen gibt es wohl weltweit nach der genialen Softwarelösung des Volkswagenkonzerns?

Im vernehmlichen Nageln des Dieselgewitters bleibt eine Frage ungestellt und wohl auch unbeantwortet: Wie viele Anfragen gibt es wohl weltweit nach der genialen Softwarelösung des Volkswagenkonzerns?
Da haben die IT-Ingenieure sich ja wohl selbst übertroffen, das muss man neidlos anerkennen. Einen vorgeschriebenen Test, der ohnehin nicht realistisch funktioniert, ebensowenig wie etwa die Verbrauchsermittlung, derart auszutricksen – das hätte auch von Rudolf Diesel persönlich sein können, wenn er gewusst hätte, was Software ist. Seine Hardware aber ist, natürlich mit all den ebenfalls IT-gesteuerten Abgas-Reinigungssystemen, nach wie vor viel besser als ihr Ruf. Zahlreiche Giftstoffe, die jedem Benzinmotor entströmen, hat der Diesel gar nicht, und allein durch seine Lebensdauer schont er Ressourcen – die der Herstellung nämlich. Um große Lasten ökonomisch und ökologisch vertretbar zu bewegen, bietet sich der Selbstzünder ebenfalls an. All das wird in der gegenwärtigen Hysterie gerade vergessen.
Die Aufregung von allen Seiten ist indes natürlich gerechtfertigt, als man Verbraucher und wenn möglich auch den Staat nicht dermaßen übel betrügen sollte. Dass bei VW ein Klima herrschte oder noch herrscht, in welchem derartige Mauscheleien möglich sind, ist die eine Seite, die schon einen Teil der Börsenreaktion rechtfertigt. Viel schlimmer allerdings die unglaubliche Dummheit von Leuten, die allen Ernstes glauben, mit amerikanischen Aufsichtsbehörden schlittenfahren zu können. Wer auch nur periphere Ahnung von der Aggressivität einer Börsenaufsicht wie SEC, einer Umweltbehörde wie EPA, darüber hinaus von US-Justizministerium wie auch amerikanischen Anwälten hat, kommt nicht auf so eine Idee.
Ob am Ende der Affäre Volkswagen auch nur einen Cent des in den USA verdienten Geldes übrig behält, ist keineswegs erwiesen. Und zukünftig dort welches zu verdienen wird eher nicht leichter. Nun sind allerdings düstere Ahnungen meist die schlimmste Art, mit einer laufenden Problemlage umzugehen. Das hat der deutsche Aktienmarkt getan, denn nicht nur VW hat über die Maßen verloren, und nur allmählich gewinnt das Papier der Wolfsburger einen kleinen Teil der Übertreibung nach unten wieder zurück. Auch die Konkurrenten und die Zulieferindustrie sind verprügelt worden, als gäbe es kein Morgen. Die bei weitem kühnste Schätzung von Analystenseite beziffert den denkbaren Schaden für VW auf bis zu 40 Milliarden Dollar. Ob das realistisch ist, weiß man naturgemäß nicht – allerdings wird der Skandal nicht dazu führen, dass am Ende die deutsche Automobilindustrie förmlich platt ist.
Einigen irrlichternden Fanatikern käme es womöglich gelegen, wenn es keinen VW-Konzern, keine BMW AG und keinen einzigen Mercedes mehr gäbe, und die hinreichend bekannte Lobby-Organisation „Deutsche Umwelthilfe“ weiß plötzlich ganz genau, dass alle Hersteller eigentlich nur eine Art Verbrechertruppe sind. Aber abgesehen von solchen Leuten sind sich die meisten wohl ziemlich sicher, dass die Bequemlichkeit und Blindheit einiger Ingenieure durch Fleiß und Einfallsreichtum ihrer anderen Kollegen gut ausgeglichen werden kann. Tipp für VW: Stellt klügere Leute ein, mit einer profunden Gabe, recht und Unrecht zu unterscheiden, lasst sie nicht in Angst vor dem Chef erzittern, und ihr werdet euer blue wonder erleben.