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„Der US-Gesamtmarkt befindet sich nicht in einer Blase wie um die Jahrtausendwende, auch nicht der Technologiesektor“

Carolin Schulze Palstring, Leiterin Kapitalmarktanalyse bei Metzler Private Banking, würde derzeit zwar europäischen Werten den Vorzug geben, sieht aber auch am US-Markt nur in Teilen eine Überhitzung. Vor allem die Value-Werte könnten sich im aktuellen Umfeld noch gut entwickeln.

Carolin Schulze Palstring, Leiterin Kapitalmarktanalyse bei Metzler Private Banking, würde derzeit zwar europäischen Werten den Vorzug geben, sieht aber auch am US-Markt nur in Teilen eine Überhitzung. Vor allem die Value-Werte könnten sich im aktuellen Umfeld noch gut entwickeln.

Börse am Sonntag: Frau Schulze Palstring, mit Amtsantritt von Joe Biden ging ein politischer Richtungswechsel einher. In vielen Belangen setzt er andere Schwerpunkte als sein Vorgänger. Das erste Halbjahr liegt nun hinter uns. Was ist ihr Eindruck von der neuen Regierung?

Carolin Schulze Palstring: In den vergangenen Monaten war der neue US-Präsident vor allem im Kampf gegen die Covid-Pandemie gefordert. Aber auch abseits des Krisenmanagements setzt er neue Akzente, insbesondere in Sachen Klimaschutz, Außen- und Wirtschaftspolitik. Insofern zeichnet sich die neue Regierung besonders durch eines aus: hohes Tempo. Der neue Präsident hat erstaunlich vielen Politikbereichen bereits „seinen Stempel aufgedrückt“. Das muss er auch, denn die Mehrheiten im Kongress sind äußerst knapp, und bereits im kommenden Jahr stehen die Zwischenwahlen an, bei denen die Demokraten sich behaupten müssen. Nicht selten verlor die Regierungspartei dabei entscheidende Mehrheiten und konnte danach nur noch nach Minimalprinzip regieren. Daher ist es nur nachvollziehbar, dass die Demokraten ihre Vorhaben möglichst schnell unter Dach und Fach bringen wollen. Wie sagte Joe Biden in seiner Rede Ende April: „America is on the Move again“.

Die nach wie vor dringendste und schwierigste Aufgabe von Joe Biden ist die Pandemiebekämpfung – auch hinsichtlich  der wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung . Wie bewerten Sie sein bisheriges Krisenmanagement?

Trotz anfänglicher Probleme hat sich das Krisenmanagement in den USA bewährt. Zwei Komponenten haben ganz wesentlich dazu beigetragen. Erstens: die erfolgreiche Impfkampagne. Hier hat der neue Präsident unter anderem von seinem Vorgänger profitiert, der mit der „Operation Wharp Speed“ umfangreiche Impfkontingente sicherte und die grundlegende Infrastruktur für die Kampagne schuf. Die Umsetzung erfolgte dann denkbar schnell: Joe Biden erreichte sein ambitioniertes Ziel von 100 Mio. Impfdosen in 100 Tagen bereits innerhalb von weniger als 60 Tagen im Amt. Damit konnte das „Reopening“ in den USA viel früher einsetzen als bei uns in Europa. Zweitens: Umfassende und schnelle Konjunkturhilfen. Während in Europa marktwirtschaftliche Prinzipien zeitweise außer Kraft gesetzt wurden (Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Kurzarbeit) und Staatshilfen mit Verzögerung an den Start gingen, setzten die Amerikaner stärker auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. Stark steigende Arbeitslosenzahlen wurden flankiert durch großzügige Konjunkturstimuli und Kreditprogramme. So ließen sich soziale Missstände vermeiden, Unternehmen entlasten und gleichzeitig die Konjunktur anschieben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Während die Wirtschaft in der Eurozone über das Winterhalbjahr wieder in die Rezession zurückfiel, hielt sich die US-Konjunktur erstaunlich gut.

Welche Rolle spielte dabei das großzügige Hilfspaket im Wert von 2 Bio. USD?

Ein Großteil der bisherigen Staatshilfen zielt auf Einkommenstransfers – entweder mittels Bürgerschecks oder aufgestockter Arbeitslosenunterstützung. Diese generösen Leistungen haben zu einer scheinbar paradoxen Situation geführt: Während die Arbeitslosigkeit in den USA einen zwischenzeitlichen Rekord von 14,8 % erreichte, hatten die Privathaushalte in den vergangenen Monaten zeitweise im Durchschnitt mehr Einkommen zur Verfügung als vor der Krise. Der Staat hat die Einnahmenausfälle also überkompensiert. In der Folge erholte sich der Einzelhandel rasant und erreichte sein Vorkrisenniveau bereits nach vier Monaten wieder. Die wichtigste Stütze der US-Wirtschaft – der private Konsum – war und ist damit ein wesentliches Zugpferd für den derzeitigen Konjunkturaufschwung.

Also ist die US-Wirtschaft damit „aus dem Schneider“?

Leider nein. Kurzfristige Konjunkturstimuli sind kein Garant für einen lang anhaltenden Konjunkturaufschwung. Im Zweifelsfall können sie wie Strohfeuer verpuffen. Umso wichtiger sind nun – mit Blick nach vorn – zwei andere Komponenten. Zum einen muss die Arbeitslosigkeit weiter sinken. In diesem Zusammenhang wäre eine Reduktion der Arbeitslosenunterstützung sinnvoll. Medienberichten zufolge senken die staatlichen Zuschüsse gegenwärtig die Bereitschaft der US-Bürger, eine Arbeit aufzunehmen, und hemmen damit möglicherweise die Erholung am Arbeitsmarkt. Je länger die Hilfen laufen, umso größer die Gefahr, dass sie am Ende kontraproduktiv wirken. Zum anderen braucht die Wirtschaft nun Investitionen. Im Rahmen des von der Regierung geplanten Infrastrukturprogramms ist vorgesehen, die Ausgaben über acht Jahre zu strecken. Das gibt Planungssicherheit und schwächt den Fiskalimpuls nach der akuten Phase der Pandemie nicht zu stark. Wichtig ist dabei, dass in neuen, zukunftsfähigen Wirtschaftszweigen Arbeitsplätze geschaffen werden, damit die konjunkturelle Arbeitslosigkeit nicht in eine strukturelle übergeht. Kurzum: Die Hilfspakete waren wichtig und richtig, um soziale Härten zu vermeiden und den Konjunkturmotor am Laufen zu halten. Viel entscheidender ist aber nun das Infrastrukturpaket.

Wie beurteilen Sie die Konjunkturperspektiven des Landes für die kommenden zwei Jahre?

Die massiven fiskalpolitischen Impulse und der rasche Fortschritt bei den Corona-Impfungen haben uns und andere Beobachter deutlich optimistischer zum Wirtschaftsausblick für die USA werden lassen. Wir erwarten für 2021 ein Wirtschaftswachstum in den USA von 6,5 %. Während die Industrie bereits auf Hochtouren läuft, gibt es im Dienstleistungssektor noch immer Nachholbedarf. Im Zuge des voranschreitenden „Reopenings“ dürfte sich zumindest ein Teil der angesammelten privaten Ersparnisse in Kaufkraft wandeln und damit das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr beflügeln. Ab 2022 sollten sich die Basiseffekte dann allmählich abschwächen. Zwar dürfte das Wachstum mit 4,0 % dann immer noch hoch ausfallen, sich aber langsam wieder reduzieren. Schließlich wird auch der Fiskalimpuls schwächer, und wir erwarten keine erneut gelockerte Geldpolitik. Für den längerfristigen Ausblick ist dann tatsächlich entscheidend, ob Joe Biden sein geplantes Infrastrukturpaket (in vollem Umfang) in die Tat umsetzen kann.

Mit den umfassenden Staatshilfen gehen auch Risiken einher. Die Staatsschuldenquote der USA ist nach Schätzungen des Congressional Budget Office im Zuge der Krise um ein Viertel gestiegen – von 80 % auf knapp über 100 % per Ende 2020. Und sie dürfte sich in diesem Jahr weiter erhöhen. Ist die steigende Staatsverschuldung in den USA ein Problem?

Die Coronahilfspakete ließen das Haushaltsdefizit in den USA im vergangenen Jahr stark auf knapp 15 % steigen. Auch für 2021 ist angesichts der umfassenden Hilfspakete mit einem ähnlich hohen Defizit zu rechnen. Solche Fehlbeträge gab es zuletzt im Zweiten Weltkrieg. Damals stieg das Defizit von etwa 4 % im Haushaltsjahr 1941 – also vor dem Kriegseintritt der USA – auf 14 % im Jahr 1942. Der Höhepunkt wurde mit fast 30 % im Jahr 1943 erreicht. Die gute Nachricht: Gegenwärtig lassen sich die Staatsschulden relativ günstig finanzieren. Denn die Renditen sind seit Ende 2018 deutlich gefallen. Die Zehnjahresrendite für US-Anleihen notiert im Juni 2021 bei etwa 1,5 %. Ende 2018 lag sie noch bei knapp 3 %. Gleichzeitig sind die USA die größte Volkswirtschaft der Welt (in USD gerechnet) und werden von den meisten Ratingagenturen noch immer mit der Spitzennote bewertet. Also kein Vergleich mit Italien und Griechenland, die mit einer Staatsschuldenquote von 155 % bzw. 205 % des Bruttoinlandsprodukts deutlich schlechter dastehen – und von den Ratingagenturen als „gerade noch investierbar“ bzw. Ramsch eingestuft werden. Schlussendlich verfügen die USA über eine eigene Notenbank, während die Länder an der Peripherie der Europäischen Währungsunion einer gemeinsamen, europäischen Geldpolitik unterliegen. Zusammengenommen ist der Anstieg der US-Schulden somit zunächst kein großes Problem. Ob dies so bleibt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sich die Zinsen entwickeln. Langfristig ist eine Konsolidierung der Staatsfinanzen unumgänglich. Bereits vor der Coronakrise zeigten alle Projektionen an, dass sich der US-Bundeshaushalt auf einem nicht nachhaltigen Pfad befindet.

Wird die Fed jemals aus ihrer expansiven Geldpolitik wieder aussteigen. Wenn ja, wann? Was wären die nächsten Schritte?

Bleiben wir für den Moment beim Thema Schulden. Wir glauben, dass die staatlichen Verbindlichkeiten über kurz oder lang mittels „finanzieller Repression“ abgetragen werden. Das heißt, Verbindlichkeiten werden zwar nominal erfüllt, jedoch mit sukzessive entwerteten Zahlungsmitteln. Negative Realzinsen schmälern das Vermögen der Geldgeber und reduzieren den Wert der Verbindlichkeiten der Schuldner. Diese Methode ist politisch äußerst opportun und dürfte daher auch von den Akteuren der Wirtschaftspolitik weiterhin favorisiert werden. Um also die Frage zu beantworten: Die Fed wird nicht mehr so rigoros wie früher gegen steigende Inflationsraten vorgehen. Dieses neue Herangehen hat sie bereits unter der Überschrift „Average Inflation Targeting“ öffentlich gemacht. Das heißt nicht, dass die Leitzinsen nicht mehr steigen können. Die Realzinsen sollten aber länger niedrig bleiben. Nun zum kurzfristigen Ausblick: Sollte sich die Wirtschaft – wie von uns erwartet – erholen, dann dürfte ab der zweiten Jahreshälfte eine Reduktion der Anleihekäufe diskutiert und eventuell auch schon angestoßen werden (sog. Tapering). Erst danach – und nur unter der Voraussetzung, dass sich der Arbeitsmarkt tatsächlich erholt – wäre eine erste Anhebung der Leitzinsen wahrscheinlich – voraussichtlich Anfang 2023.

Wenn man nun die genannten Punkte zusammenfasst: Massive Konjunkturpakete, hohes Geldmengenwachstum, finanzielle Repression. All das könnten Vorboten für höhere Preise sein. Wie schätzen Sie die aktuelle Debatte um „Überhitzungsgefahren“ in den USA ein? Sind höhere Inflationsraten zu erwarten?

Die US-Regierung hat überaus großzügige Stimuli verabreicht, und die Wirtschaft erholt sich unerwartet rasch. In diesem Kontext sehen Experten wie der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers zunehmende Überhitzungsgefahren für die US-Wirtschaft. Im Mai ist die US-Inflation tatsächlich auf 5 % gestiegen. Dies sollte allerdings kein nachhaltiges Niveau sein. Denn im laufenden Jahr treiben hauptsächlich Basiseffekte bei den Rohstoff-/Energiepreisen und coronabedingte Nachholeffekte die Inflation in die Höhe. Von den vorübergehenden Einflüssen einmal abgesehen sprechen die von Ihnen genannten monetären und fiskalischen Argumente aber tatsächlich für eine auch mittelfristig höhere Inflation in den USA. Sollte die Biden-Administration zudem einen steigenden Mindestlohn in der Breite durchsetzen oder der Arbeitsmarkt rasch Vollbeschäftigung erreichen, könnte eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen. Aber auch Strukturverschiebungen infolge von Demografie und Globalisierung, die den Preisanstieg lange ausgebremst haben, erreichen nun einen Wendepunkt oder legen eine Pause ein. All das könnte die Preise etwas schneller steigen lassen als in der vorherigen Dekade. Und die Notenbank wird dieses Mal ganz sicher nicht vorschnell eingreifen. Sie hat bereits angekündigt, dass sie später als üblich mittels Zinserhöhungen gegen Preissteigerungen vorgehen wird. Insgesamt stehen die Chancen für einen dauerhaften Anstieg der US-Inflation über die 2-%-Marke hinaus also relativ gut. Eine „Hyperinflation“ erwarten wir – Stand heute – jedoch nicht.

Unter Donald Trump kam es zu einer Aktienhausse, bis die Coronapandemie ausbrach. Aber auch nach diesem heftigen Einbruch haben sich die Kurse an der Wall Street schnell wieder erholt. Wie wird es nun an der Börse unter der Präsidentschaft von Joe Biden weitergehen?

Bislang reagiert der Aktienmarkt sehr positiv auf die Machtübernahme der Demokraten, was vorwiegend auf die umfangreichen Coronahilfen und die Aussicht auf vielfach sich allmählich normalisierende Wirtschaftsprozesse zurückzuführen ist. Dieser konjunkturelle Rückenwind macht sich auch bei den Unternehmen bemerkbar: Analysten revidierten ihre Prognosen zum erwarteten Gewinnwachstums in den USA zuletzt deutlich nach oben. Die Marktteilnehmer erwarten eine Gewinnsteigerung von knapp 33 % in diesem Jahr. Zum Vergleich: 2020 betrug der Gewinnrückgang „nur“ etwa 11 %. Damit dürften die Unternehmen in den USA bereits in diesem Jahr das Vorkrisenniveau bei den Gewinnen wieder übertreffen. In der Folge sollte sich auch die zugegebenermaßen nicht mehr günstige Bewertung allmählich wieder etwas reduzieren und sich neues Kurspotenzial ergeben. Dabei sind zwischenzeitliche Kursrückschläge nie auszuschließen, etwa wegen Gewinnmitnahmen, der anstehenden Tapering-Diskussion oder Problemen bei der Impfkampagne. Diese gefährden aber in Anbetracht der weiterhin niedrigen Realzinsen, die den Aktien strukturell Rückenwind geben, nicht den stabilen längerfristigen Aufwärtstrend. Innerhalb des Aktiensegments kann es jedoch in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen zu Rotationen kommen.

Aktien sind allgemein bereits recht hoch bewertet. Insbesondere US-Titel. Ist nun der taktisch richtige Zeitpunkt, um bei Aktien einzusteigen? Gibt es nicht vielmehr eine Blase am US-Markt – vergleichbar mit Dotcom?

Klar ist: Der Optimismus am Aktienmarkt ist aktuell hoch. Teilbereiche des Marktes sind vermutlich auch überhitzt. In unserem Portfolio machen wir um solche Auswüchse einen großen Bogen. Für den US-Gesamtmarkt diagnostizieren wir allerdings derzeit keine Blase, auch nicht im Technologiesektor. Viele große Softwareunternehmen haben solide Bilanzen und wirtschaften sehr profitabel. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Dotcom-Blase besteht darin, dass die Gewinnentwicklung der etablierten Technologieunternehmen in den vergangenen Jahren im Durchschnitt mit der Kursentwicklung Schritt halten konnte. Dies war in der Dotcom-Blase nicht der Fall. Damals basierten die Bewertungen auf dem „Prinzip Hoffnung“, also der Erwartung zukünftiger Gewinne, während sich die etablierten Tech-Unternehmen heute durch erprobte Geschäftsmodelle auszeichnen. Aber natürlich kann sich auch das Umfeld für wachstumsorientierte Aktien eintrüben – zum Beispiel dann, wenn die Zinsen steigen. In diesen Phasen ist günstig bewerteten Aktien der Vorzug zu geben.

Was bedeutet ein Inflationsanstieg für Aktien? Ab welchem Punkt und für welche Segmente könnte es kritisch werden?

Sollte sich die US-Wirtschaft schnell erholen und sich die US-Inflation dauerhaft beschleunigen, könnte dies zu steigenden Zinsen führen. Die anziehenden Inflationserwartungen der Marktteilnehmer würden sich hauptsächlich in einem Anstieg der längerfristigen Renditen widerspiegeln, da die Federal Reserve die Zinsen am kurzen Ende vorerst konstant hält. Einige Segmente des US-Aktienmarktes könnten darauf zunehmend empfindlich reagieren. Gerade die in den vergangenen Jahren erfolgreichen Wachstumswerte mit sehr hohen Unternehmensbewertungen, aber auch hoch verschuldete Unternehmen geraten dann unter Druck. Günstig bewertete Unternehmen (sog. Value-Werte) schlagen sich in einem solchen Umfeld erfahrungsgemäß besser. Moderat steigende Renditen und Inflationserwartungen im Umfeld einer positiven Wirtschaftsentwicklung sollten allerdings keine Gefahr für den Aufwärtstrend am Gesamtmarkt darstellen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre ein langsam steigendes Renditeumfeld sogar zu begrüßen, da es ein Gegengewicht bildet zu aufkeimenden Exzessen und Ineffizienzen am Finanzmarkt.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Risiken für den Aktienmarkt für die kommenden zwölf Monate, und wie positionieren Sie sich mit Blick darauf im Portfolio?

In den vergangenen Jahren dominierten an der Börse die sogenannten Wachstumsaktien – zum Beispiel aus der Branche Technologie. Sie sind deutlich besser gelaufen als günstig bewertete Unternehmen. Das lag mitunter am Niedrigzinsumfeld und einem geringen Wirtschaftswachstum. Heute stehen wir aber vor der Erholung der Konjunktur und erwarten ein steigendes Wirtschaftswachstum. Das könnte dann auch zu etwas höherer Inflation führen. Ein Umfeld also, in dem sich Value-Werte gut entwickeln sollten. Allerdings ist genau dieses Aktiensegment besonders abhängig vom erwarteten Konjunkturaufschwung in den nächsten Monaten. Kommt es hier zu Enttäuschungen, stehen Value-Werte wohl erneut im Feuer. Daher bevorzugen wir aktuell eine ausgewogene Ausrichtung im Portfolio, das heißt einerseits mit wachstumsstarken und wenig konjunktursensiblen Titeln und andererseits mit Value-Werten, die besonders von einer sich normalisierenden Wirtschaft profitieren. Mit Blick auf die bevorstehende „Tapering-Diskussion“ in den USA erwägen wir zudem, in den kommenden Monaten stärker auf den Faktor „Qualität“ (hohe Profitabilität, geringe Verschuldung etc.) zu setzen. Branchenseitig könnten dann auch defensive Aktien, die zuletzt ins Hintertreffen geraten sind, allmählich wieder gefragter sein. Regional ist derzeit Europa der Vorzug zu geben. Im vergangenen Jahr hatten es die traditionell zyklischeren Werte aus Europa zwar deutlich schwerer, dafür haben sie aber im Konjunkturaufschwung – und mit Blick nach vorne – ein größeres Aufholpotenzial. Selektiv gibt es aber auch am US-Markt noch attraktive Einstiegsgelegenheiten.