„Energie-intensive Industrie geht klimaneutral“: So sehen Parteichefs Deutschlands Zukunft
Zum Ende des Ludwig-Erhard-Gipfels kam es zur Elefantenrunde der Parteichefs aus Regierung und Opposition. Die vier Politiker sahen sich mit den Themen der Konferenz konfrontiert: Energiewende, Bürokratie und Wirtschaftswachstum.
Angespannt, herausfordernd, sorgenvoll – bei der Frage, die Lage der deutschen Wirtschaft in einem Wort zu beschreiben lagen Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, SPD-Chefin Saskia Esken und FDP-Vize Wolfgang Kubicki noch nah beieinander. Bei der Frage, wie sich diese Lage verbessern ließe, gingen die Meinungen zum Abschluss des Ludwig-Erhard-Gipfels aber auseinander. Drei Tage lang hatten Unternehmer und Verbandsvertreter über Lösungen für weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung und eine bessere Energiewende präsentiert. Jetzt war es an den Parteichefs, ihre Meinung dazuzugeben.
„Wir brauchen eine große Wirtschaftswende“, sagt etwa Kubicki. Wie vor 20 Jahren bei der Agenda müsste die gleich mehrere große Probleme lösen. Esken und Lang nannte als erstes den Arbeitskräftemangel, der sich durch den demographischen Wandel in den kommenden Jahren noch verschärfen wird, Kubicki Themen wie Digitalisierung und Bildung, Merz legte sein Augenmerk auf die Energiepreise.
Gerade bei letzterem klaffen Anspruch und Wirklichkeit noch auseinander. Zwar hat sich das Ausbautempo erneuerbarer Energien in Deutschland erhöht, aber die Strompreise liegen trotzdem über dem internationalen Durchschnitt. Besonders energie-intensive Industrien wie Stahl oder Glas leiden darunter. Die Politik befeuert deren Kosten mit steigenden Co2-Preisen zusätzlich. „Man könnte Klimaschutzziele natürlich einfach dadurch erreichen, dass man solche Industrien schrumpft“, sagt Lang und der Idee aber gleich eine Absage zu erteilen. „An solchen Industrien hängt in vielen Regionen der Wohlstand und auch die soziale Stabilität. Ich will eher zeigen, dass auch energie-intensive Industrie klimaneutral gemacht werden kann.“ Ihr Koalitionskollege Kubicki ist angesichts solch kämpferischer Vorhaben aber skeptisch. Er persönlich glaube etwa nicht, dass die Ziele von 80 Prozent erneuerbarer Energien im deutschen Strommix oder 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen mit entsprechender Ladeinfrastruktur bis 2030 möglich seien.
Das Dilemma der Sozialleistungen
Viel einfacher sollte es in der Theorie umzusetzen sein, das deutsche Bürokratiegewirr zu entwirren. „Wenn es so einfach wäre, dann hätten wir es schon gemacht“, sagt Lang dazu. Es habe zwar Fortschritte gegeben, der Wust an Vorschriften sei aber einfach zu groß. Zudem kommen immer wieder neue aus der EU dazu. Wichtig sei hier, sich als Deutschland vorher dafür einzusetzen, dass diese Vorschriften bürokratiearm seien und wenn sie dann kämen, sie möglichst bürokratiearm in Deutschland umzusetzen.
Vor welchem Dilemma Politiker dabei oft stehen, zeigt sich am Beispiel der Sozialleistungen. Mehr als 170 derer zahlen mittlerweile 29 Ämter aus. Für Merz ein Unding, der sich genauere Prüfungen wünscht, damit nur noch wirklich Betroffene Leistungen erhalten – und das möglichst mit wenig Staatsaufwand. Zuletzt hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) Schlagzeilen gemacht, weil sie für die Umsetzung der Kindergrundsicherung angeblich 5000 neue Beamte bräuchte. Die werde es nicht geben, sagte Lang, erklärte aber auch gleich das Problem dahinter: „Wenn man einen schlanke Sozialstaat will, dann geht das am besten mit Pauschalen. Die werden aber oft als unfair wahrgenommen. Wenn man aber genau prüfen will, wer bedürftig ist und wer nicht, dann braucht es dafür mehr Bürokratie.“ Die Kunst sein, einen gesunden Mittelweg zu finden. Esken glaubt sowieso, dass in Deutschland kaum Menschen Sozialleistungen erhalten, die diese nicht benötigten. „Wir prüfen derzeit jeden Einzelfall. Wer Sozialleistungen bekommt, der ist auch bedürftig.“ Wo möglich, sollten Leistungen aber zusammengefasst werden, wie es etwa bei der Kindergrundsicherung geschehen soll. Dass der Wust aus 170 verschiedenen Leistungen aber deutlich kleiner werde, sei unrealistisch. „Die Bedürfnisse der Bürger sind sehr verschieden. Wer schwerbehindert ist, braucht andere staatliche Unterstützung als eine alleinerziehende Mutter“, sagt Esken.