Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

Banken-Pleiten: Star-Investor sieht weitere Dominosteine fallen

Ray Dalio hat mit Bridgewater Associates den heute größten Hedgefonds der Welt gegründet. Die Pleite der Silicon Valley Bank hält er nicht für einen Einzelfall, sondern für ein akutes Alarmsignal. Auf Dauer erwartet er einen starken Rückgang des Geldwertes.

„Es wird zu Zwangsverkäufen von Vermögenswerten zu sehr niedrigen Preisen kommen“, sagt Star-Investor Ray Dalio. (picture alliance / NurPhoto | Pedro Fiuza)

Ray Dalio hat mit Bridgewater Associates den heute größten Hedgefonds der Welt gegründet. Die Pleite der Silicon Valley Bank hält er nicht für einen Einzelfall, sondern für ein akutes Alarmsignal. Auf Dauer erwartet er einen starken Rückgang des Geldwertes.

Ray Dalio gilt in Börsenkreisen als Investorenlegende auf einer Stufe mit Warren Buffett, Charlie Munger oder Carl Icahn. Über fast fünf Jahrzehnte leitete Dalio den Hedgefonds Bridgewater Associates, den er einst selbst gegründet hatte, und machte ihn zum wertvollsten der Welt. Im Herbst des vergangenen Jahres trat er mit 73 Jahren als CEO zurück. Nach wie vor ist Dalio aber Teil des Vorstands, berät seine Nachfolger Nir Bar Dea and Mark Bertolini und dürfte somit weiter bedeutenden Einfluss auf Investitionsentscheidungen haben. Daran, dass Dalios Worte in der Finanzwelt eine Menge Gewicht haben, hat der Rücktritt ohnehin nichts geändert. Im Gegenteil: Dalio kann nun sogar offener einschätzen, kritisieren und prognostizieren. Und tut das auch regelmäßig in seinem Newsletter.

„Diese Bankenpleite ist ein ‚canary in the coal mine‘“

Jüngstes Thema darin: die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB). Mit seinen Aussagen dazu dürfte der Multimilliardär und Autor diverser Börsen-Sachbücher Anlegern Schweißperlen auf die Stirn treiben. „Diese Bankenpleite ist ein ‚canary in the coal mine‘ (deutsch: Kanarienvogel in der Kohlemine), ein Frühwarnsignal, das Auswirkungen auf die Risikokapitalwelt und darüber hinaus haben wird“, schreibt Dalio.

Der Zahlungsausfall der Silicon Valley Bank stürzte die Finanzwelt über das vergangene Wochenende hinweg in eine schwere Krise. Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 wurden wach, Bankaktien verloren weltweit innerhalb von zwei Tagen fast eine halbe Billion US-Dollar an Börsenwert. US-Präsident Joe Biden sah sich sogar gezwungen, den Kunden der Bank öffentlich ihre Einlagen zu garantieren. Entsprechend groß sind die Spekulationen darüber, ob weitere Bankenpleiten folgen könnten, kurz nach der SVB kollabierte auch die New Yorker Signature-Bank, die Krypto-Bank Silvergate Capital musste ebenfalls schließen. Den Banken werden ihre Investments in langlaufende US-Staatsanleihen zum Verhängnis, die sie in den Boom-Jahren rundum die Corona-Pandemie mit ihrer überschüssigen Liquidität tätigten. Durch die Zinserhöhungen der Fed sind die Anleihen nun deutlich weniger wert. Das ist wenig problematisch, solange es sich nur um Buchverluste handelt. Muss eine Bank jedoch zu Liquiditätszwecken Anleihen verkaufen, werden die Verluste realisiert. Das ist bei der SVB passiert, weil in kürzester Zeit viele Kunden, hauptsächlich aus der Start-Up-Szene an ihre Einlagen wollten. Aufgrund der höheren Zinsen steigt der Liquiditätsbedarf bei den jungen und häufig hoch verschuldeten Unternehmen. 

Es könnte sich hierbei um einen Sonderfall handeln, der nur spezialisiertere und kleinere Banken trifft. Die US-Großbanken sind beispielsweise deutlich besser kapitalisiert und abgesichert. Es könnte aber auch etwas ins Rollen bringen, die Bankenbranche schließlich ist international verzahnt – und das Vertrauen von Anlegern und Investoren nun erst einmal beschädigt.

Die Gründe für die SVB-Pleite sind schließlich nicht neu. „2008 waren es vor allem Wohnimmobilien, jetzt sind es Risiko- und Private-Equity-Gesellschaften mit negativem Cashflow sowie gewerbliche Immobiliengesellschaften, die die höheren Zinsen und die knappere Geldmenge nicht verkraften können“, schreibt Dalio.

Dalio sieht klassischen „sich selbstverstärkenden Effekt“

Beim Zusammenbruch der SVB handele es sich um ein klassisches Ereignis in einem klassischen Teil des kurzfristigen Schuldenzyklus, der zum Platzen einer Blase führt, wovon zunächst besonders die Banken betroffen seien. Dalio erklärt: „Die Schulden des einen sind die Vermögenswerte des anderen und die meisten Menschen halten Vermögenswerte, die durch Schulden finanziert sind.“ Steigen die Zinssätze, verlieren die Vermögenswerte an Wert. Dalio weist auf den dann einsetzenden, sich selbstverstärkenden Effekt hin. Schuldner, die Geld bräuchten, müssten ihre Vermögenswerte zu günstigeren Preisen verkaufen, Gläubiger würden die Kreditvergabe einschränken. So beginnt ein Dominoeffekt. „Es ist logisch, dass nach einer langen Periode sehr niedriger Realzinsen und reichlich vorhandener Kredite aktuell eine enorme Menge an fremdfinanzierten Long-Positionen besteht, was Vermögenswerte angeht“, sagt Dalio. 

„Es wird zu Zwangsverkäufen von Vermögenswerten zu sehr niedrigen Preisen kommen“

Was ist die Folge davon? „Es ist wahrscheinlich, dass dem Bankenzusammenbruch weitere Probleme folgen werden“, prognostiziert der Hedgefonds-Guru. Aus der Historie heraus sei zu schließen, dass es zu „Zwangsverkäufen von Vermögenswerten zu sehr niedrigen Preisen“ kommen werde, bei denen hohe Verluste ausgewiesen würden und dies einen Rückgang der Kreditvergabe zur Folge hätte. Ebenso käme es zur Verwässerung von Eigenkapital, sprich einem „Verkauf zu Preisen, der erhebliche Abschläge gegenüber konservativen Schätzungen des Gegenwartswertes künftiger Cashflows aufweist“. Drittens dürfte es für stark kapitalisierte Unternehmen günstige Möglichkeiten geben, notleidende Unternehmen aufzukaufen. Viertens dürften sich die Kreditprobleme negativ auf die Märkte und Wirtschaft auswirken. Und dann, schließt Dalio, wird es zu einer „Lockerung der Geldpolitik durch die Fed kommen“. Diese werde dann wieder Geld, Kredite und Garantien bereitstellen, weil das Problem systembedrohend werde. An diesem Punkt sei man noch nicht angelangt, aber er käme näher, so Dalio.

Dalio hält Rückkehr zur lockeren Geldpolitik bereits in einem Jahr für wahrscheinlich

Damit wären die aktuellen Risiken wieder vom Tisch. Dafür verschärft sich das viel größere, langfristige Problem. Denn die Regierungen würden sich noch weiter verschulden müssen. „Das wirklich große Problem wird dann auftreten, wenn zu viel Geld gedruckt wird, um den Gläubigern eine angemessene reale Rendite zu bieten, die sie dazu veranlassen wird, ihre Schuldtitel zu verkaufen, was das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erheblich verschlechtern wird“, erklärt Dalio. „Es besteht ein hohes Risiko, dass das Angebot an Staatsschulden in den USA viel größer sein wird als die Nachfrage danach, was für die Märkte und die Wirtschaft zu hohe reale Zinssätze zur Folge haben wird.“
Das würde die Wirtschaft nicht verkraften, was die Fed schließlich dazu veranlassen werde, von einer Anhebung der Zinssätze und dem Verkauf von Schulden zu einer Senkung der Zinssätze und dem Kauf von Schulden überzugehen. „Auch wenn die Menschen jetzt nicht an die nächste Zinssenkung und das Quantitative Easing der Fed denken, sollten wir das tun, denn der Zeitpunkt ist wahrscheinlich weniger als ein Jahr entfernt, und das wird große Auswirkungen haben. Meiner Meinung nach besteht eine gute Chance, dass dies zu einem starken Rückgang des Geldwertes führen wird“, blickt Dalio düster in die Zukunft.

Oliver Götz

Lesen Sie auch: Banken zittern: kommt jetzt auch noch die Finanzkrise zurück?