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Geplante Cannabis-Legalisierung: High-Performer Cantourage?

Cannabis-Aktien schossen erst durch die Decke, dann krachten die Kurse in sich zusammen. So passiert auch bei Deutschlands größtem börsennotierten Cannabis-Anbieter Cantourage. Jetzt wartet die Branche hierzulande auf die geplante Legalisierung. Kommt die, könnte es schnell aufwärts gehen.

CEO Philip Schetter bereitet Cantourage auf den Rausch vor. Kommt die Legalisierung, könnte die Nachfrage sprunghaft steigen (Foto: Cantourage).

Cannabis-Aktien schossen erst durch die Decke, dann krachten die Kurse in sich zusammen. So passiert auch bei Deutschlands größtem börsennotierten Cannabis-Anbieter Cantourage. Jetzt wartet die Branche hierzulande auf die geplante Legalisierung. Kommt die, könnte es schnell aufwärts gehen.

Zum Start ins neue Jahr erstmal ‘ne Tüte. Wäre möglich gewesen, wäre das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis wie geplant am 1. Januar 2024 in Kraft getreten. Das tritt es nun aber nicht. Es bleibt also beim Glas Sekt. Zumindest für all diejenigen, die nicht in Konflikt mit der Staatsgewalt geraten wollen. Der Besitz von Cannabis bleibt erst einmal weiter strafbar, weil über das entsprechende Gesetz bis Jahresschluss nicht mehr rechtzeitig im Bundesrat beraten werden kann. Schon wittern Kritiker Morgenluft. Die Bundesregierung solle auf die Legalisierung verzichten, fordert Judith Gerlach, die neue bayerische Gesundheitsministerin. Die Bundesärztekammer klagte bereits zuvor: „Die Legalisierung von Cannabis führt zu mehr Konsum und verharmlost die damit verbundenen Risiken.“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hingegen hält die inhaltliche Debatte für abgeschlossen. Im Frühjahr soll das Gesetz kommen. Heißt: Cannabis verschwindet im Betäubungsmittelgesetz von der Liste verbotener Substanzen, ab 18 Jahren ist der Besitz von 25 Gramm sowie der private Anbau von drei Pflanzen, erlaubt. In speziellen Cannabis-Clubs darf unter Vereinsmitgliedern auch Cannabis abgegeben, zudem gemeinschaftlich angebaut werden. Die Idee: Den Konsum sicherer machen, den Schwarzhandel unattraktiver.  

Während politisch unübersehbar Uneinigkeit darüber besteht, inwieweit diese Idee die perfekte Lösung darstellt, bringen sich die ökonomischen Kräfte in Stellung. Denn schon jetzt produzieren hierzulande Unternehmen Cannabis für den medizinischen Gebrauch, welches Patienten beispielsweise unter strengen Auflagen gegen chronische Schmerzen verschrieben werden darf.

Eines davon ist Cantourage, gleichzeitig das größte am Finanzmarkt gelistete Cannabis-Unternehmen der Bundesrepublik. Seit November 2022 notiert die Aktie an der Deutschen Börse, passend unter dem Kürzel „HIGH“. 70 Mitarbeiter hat das 2019 gegründete Start-Up mit Sitz in Berlin in Deutschland und Großbritannien. Das Cannabis importiert Cantourage von über 60 Partnern aus 18 verschiedenen Ländern. Ein Großteil der Anbauer sitzt in Kanada. „Dort gibt es durch die frühe Etablierung eines Genussmittelmarktes sehr gute und sehr erfahrene Anbauer, die Produkte von außerordentlicher Qualität liefern können“, erzählt CEO Philip Schetter im Gespräch mit der BÖRSE am Sonntag.

Würde das Rauchen eines Joints auch auf dem freien Markt legal, sieht Schetter sein Unternehmen auf eine steigende Nachfrage vorbereitet. „Wir haben im Bereich Cannabisblüten ein sehr breites Produktportfolio und in Freizeitmärkten ist ‚Blüte‘ auch das dominierende Produktformat“, sagt er. „Wir gehen davon aus, dass wir auch auf dem Freizeitmarkt eine erfolgreiche Rolle spielen könnten.“ Doch bis dahin ist der Weg in Deutschland noch weit. Die aktuell geplante und schwer genug diskutierte Legalisierung schließlich erlaubt nicht mehr wie einst geplant den Verkauf für den Freizeitmarkt in lizenzierten Shops.

Interessanter für die Branche ist daher, dass auch die Nachfrage nach medizinischem Cannabis durch die erdachte Gesetzesänderung ansteigen dürfte. „In Deutschland gehen wir davon aus, dass durch die Tatsache, dass Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen wird, sich potenziell mehr Ärztinnen und Ärzte dem Thema annähern und Cannabis dadurch häufiger verschrieben wird“, erklärt Schetter, der angibt „selbst Cannabis-Patient“ zu sein. Vor allem kann es einfacher verschrieben werden, wenn kein Betäubungsmittelrezept mehr erforderlich ist, das strenge Dokumentationspflichten einfordert. Schon heute nutzt Cantourage Videochats, um Ärzte in Kontakt mit Patienten zu bringen, womit letztere möglichst unkompliziert an ihr Rezept kommen sollen. Solche Angebote könnten ausgeweitet werden.  

Einen darauffolgenden Sprung in der Nachfrage könne Cantourage gut bedienen, sagt Schetter. Erst vor kurzem ging im Landkreis Schweinfurt eine neue Produktionsanlage ans Netz. Wo genau, das darf Schetter aus Sicherheitsgründen nicht sagen. „In der Region gibt es eine lange Tradition zum Anbau und der Verarbeitung von Arzneidrogen, wie zum Beispiel Kamille, dort und in angrenzenden Bundesländern haben wir Partner-Unternehmen, die uns entlang der Wertschöpfungskette unterstützen“, begründet der CEO die Standortentscheidung.

Mehr Nachfrage und konkrete Aussichten auf noch mehr Wachstum, das wollen auch die Anleger sehen. Auf den anfänglichen Hype um die Papiere, der den Kurs von der Erstnotiz in Höhe von 6,48 Euro auf fast 20 Euro trieb, folgte der Absturz. Nach einer anschließenden Seitwertbewegung auf niedrigem Niveau kosten die Titel nun, im Herbst 2023, noch etwas mehr als acht Euro. Mehr als eine Halbierung also auf Jahressicht. Die Wachstumsfantasien der Anleger waren offenkundig zu groß, doch die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland könnte nun ein neuer Wachstumstreiber für das Unternehmen werden. Die Zahl der Cannabis-Verordnungen durch die gesetzlichen Krankenkassen hat sich von 2018 bis 2022 auf rund 400.000 verdoppelt. Hinzu kommen Privatpatienten und Selbstzahler. Cannabis-Medikamente erfreuen sich also bereits stark steigender Nachfrage, die mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal zunimmt, wenn das geplante Legalisierungs-Gesetz in Kraft tritt.

Profitieren will davon nicht nur Cantourage. Allein in Deutschland gibt es zahlreiche Start-Ups, die medizinische Cannabis-Produkte herstellen oder mit diesen handeln, darunter Andrexpharma, Cannamedical, Cansativa, Demecan, Sanity Group oder Nimbus Health. Weltweit ist die Konkurrenz noch viel größer. Die großen börsennotierten Player kommen vor allem aus Nordamerika, darunter die kanadischen Unternehmen Canopy Growth, Cronos und Aurora Cannabis, sowie Tilray aus den USA. In Kanada wurde Cannabis bereits 2018 legalisiert, in den USA ist der Besitz des Krauts in ausgewählten Bundesstaaten erlaubt.

Eine Erfolgsstory war Cannabis an der Börse aber nur um das Jahr 2019 herum, hernach wurden die Erwartungen der Anleger vielfach enttäuscht. Die Aurora-Aktie beispielsweise kostete 2019 115 US-Dollar, aktuell sind es noch 48 Cent. Bei Canopy Growth, Cronos und Tilray sehen die Kursverläufe ähnlich aus. Die große Legalisierungswelle ist bislang ausgeblieben, die Hoffnung auf große Kursgewinne im Sektor dahin.
In dieser Stimmungslage liegt aber auch eine Chance. Bisweilen erinnert sie an die Dotcom-Krise zur Jahrtausendwende, als die aufgeblasenen Kurse vieler Technologiewerte zusammenbrachen, weil sich herausstellte, dass die Unternehmen dahinter kein tragfähiges Geschäftsmodell hatten. Zwei Jahrzehnte später steht manch Aktie von damals jedoch weit über ihren damaligen Höchstständen und die Unternehmen dahinter machen auf einmal satte Gewinne. Die Börsenhype um Technologie kam im Jahr 2000 schlicht einige Jahre zu früh, in der Sache hatten Anleger aber offensichtlich erkannt, wohin die Reise geht. Möglich, dass auch Cannabis-Aktien nach dem ersten Rausch und anschließender Depression, irgendwann wieder high gehen. Bei Cantourage jedenfalls blickt man optimistisch in die Zukunft. „Cantourage wächst stark und ist in diesem Jahr ‚break-even‘. Darauf wollen wir aufbauen und mit neuen Ideen, neuen Produkten, neuen Geschäftsmodelle weiterhin erfolgreich sein.“

Oliver Götz und Florian Spichalsky

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