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Das große Fintech-Beben beginnt

Berliner Kryptobank Nuri ist pleite / Coinbase wankt / Neo-Broker in Problemen / Die großen Online-Broker profitieren von der Konsolidierung / Flatex mit starken Zahlen

(Bild: Shutterstock)

Berliner Kryptobank Nuri ist pleite / Coinbase wankt / Neo-Broker in Problemen / Die großen Online-Broker profitieren von der Konsolidierung / Flatex mit starken Zahlen
 
Das deutsche Fintech Nuri hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Die Berliner Firma hat keine neuen Gelder mehr von Investoren erhalten. Es ist das erste deutsche Fintech, das wegen des Einbruchs am Kryptomarkt Insolvenz anmeldet. Nuri-Chefin Kristina Walcker-Mayer teilte mit, man werde nun „ein langfristig tragfähiges Sanierungskonzept“ erarbeiten. Betroffen sind rund 500.000 Kunden. Nuri verwaltet nach eigenen Angaben ein Vermögen in Höhe von 325 Millionen Euro.
 
Nuri hat in den vergangenen Tagen und Wochen versucht, neues Kapital zu bekommen. Doch Investoren fürchten weitere Pleiten in der Branche, auch in Zusammenhang mit der Insolvenz der US-Kryptobank Celsius Network. Nuri hat mit seinem Produkt Bitcoin-Ertragskonto Kunden an Celsius vermittelt. Deren Einlagen sind seit rund vier Wochen eingefroren.
Die Pleite von Nuri gilt als Fanal in der Kryptoszene. Seit Monaten gibt es allenthalben massive Abverkäufe von Kryptowährungen, die Top-30-Kryptowährungen nach Marktkapitalisierung haben in nur einem Quartal mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren. Eine Kettenreaktion von der Implosion des Luna/Terra-Protokolls bis zum Zusammenbruch des Hedgefonds Three Arrows Capital haben den Absturz beschleunigt.
 
Auch die größte US-Kryptobörse Coinbase leidet heftig und ist angesichts des Kursrutsches bei Digitalwährungen wie Bitcoin und Ether tief in die roten Zahlen gerutscht. Im zweiten Quartal entstand ein Verlust von 1,1 Milliarden Dollar, wie Coinbase jetzt mitteilte. „Der derzeitige Abschwung kam schnell und stürmisch", erklärte Coinbase zum Krypto-Crash. Die Aktie, die im November noch Werte von mehr als 300 Euro erreichte, kostet jetzt keine 90 Euro mehr. Allein am Dienstag nach Bekanntgabe der Quartalszahlen rutschte der Titel um 8 Prozent ab.
 
Brancheninsider sehen die schweren Probleme bei Krypothändlern und Neo-Brokern als den Beginn einer großen Markt-Konsolidierung. Die Boom-Jahre seien vorbei. Bei vielen Neo- und Kryptobrokern habe der schiere Überlebenskampf begonnen. Tausende von Mitarbeitern werden entlassen, die Umsätze brechen ein, Insolvenzen stünden an und Notverkäufe. Die Neobroker werden nun Opfer ihrer eigenen Strategie, sich auf unerfahrenen Neukunden zu spezialisieren und diese mit Dumpingpreisen in riskante Derivate und Kryptowährungen zu locken. Ihre Umsätze erzielten sie häufig „hintenherum“ durch Rückvergütungen von einzelnen Handelsplätzen. Damit könnte es bald ganz vorbei sein. Denn das europäische Parlament will die „Hintenherum“-Finanzierung über Rückvergütungen (sogenanntes Payment for Orderflow, PFOF) zum Schutze der Privatanleger ganz verbieten. Das würde manchen Neo-Broker in die Knie zwingen.
 
Bei den großen, etablierten Online-Brokern keimt daher Hoffnung, von der Konsolidierung zu profitieren. Marktführer wie Avanza oder FlatexDEGIRO könnten nun schwächelnden Neo-Brokern Kunden abnehmen oder sie sogar insgesamt günstig übernehmen. Schon jetzt gewinnt FlatexDEGIRO in jeder Handelsminute 2-3 Neukunden hinzu. Selbst im Krisen-Jahr 2022 wächst FlatexDEGIRO um 600.000 bis 700.000 Neukunden. Während die Krypto- und Neobroker leiden, meldet der Marktführer unter den Online-Brokern einen Rekordumsatz, bei einer hohen operativen Margen von über 40 Prozent. In den ersten sechs Monaten lag das Konzernergebnis bereits über dem Wert des Gesamtjahres 2021 und der operative Cashflow bei rund 70 Millionen Euro. Die Flatex-Aktie ist im vergangenen Monat um 11 Prozent gestiegen. Ein Analyst in Frankfurt erklärt: „Das Fintech-Beben trifft die kleineren Zockerbuden, die schon zuvor keine Gewinne gemacht hatten. Die Marktführer können sich die Hände reiben.“  
 
BAS

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