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US-Wirtschaft: Das Schlimmste könnte noch kommen

Die Arbeitslosenzahl geht zurück, die Konsumausgaben steigen wieder. Was eine rasche Erholung der Wirtschaft nahelegt, könnte jedoch nur eine kurzes Aufbäumen vor dem großen Knall sein. Die Märkte kümmert das bislang wenig – doch das könnte sich ändern.

USA: Die große Wirtschaftskrise beginnt womöglich gerade erst. (Foto: Borealis Studio / Shutterstock)

Die Arbeitslosenzahl geht zurück, die Konsumausgaben steigen wieder. Was eine rasche Erholung der Wirtschaft nahelegt, könnte jedoch nur eine kurzes Aufbäumen vor dem großen Knall sein. Die Märkte kümmert das bislang wenig – doch das könnte sich ändern.

Anfang Juni stand ein regelrecht euphorischer Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses und wertete die Corona-Pandemie als „weitgehend überstanden“. Die USA hätten vor der Krise die „großartigste Wirtschaft der Weltgeschichte“ gehabt, „und diese Stärke hat es uns erlaubt, diese furchtbare Pandemie zu überstehen“, erklärte der US-Präsident da, selbstbewusst wie eh und je. Die Wirtschaft werde bald wieder wie eine „Rakete“ wachsen, fügte er noch an.

Grund für diese schon damals zweifelhafte Zuversicht in gewohnt maßlos übertriebener Superlativ-Rhetorik, war ein, wie ihn Trump selbst via Twitter bezeichnete „wirklich großartiger Arbeitsmarktbericht“. Entgegen vieler Prognosen war die Arbeitslosenquote im Mai von 14,7 Prozent im April auf 13,3 Prozent gesunken. Tatsächlich kam diese, wenn auch kleine Erholung, überraschend und machte nach der Rekordquote aus dem April etwas Hoffnung, dass die Horrorprognosen mancher Experten, die von bis zu 20 Prozent sprachen, dann wohl doch nicht eintreten würden. Noch „großartiger“ wurde der Arbeitsmarktbericht sogleich für den Juni. Erneut sank die Quote und betrug nur noch 11,1 Prozent.

Von einer nachhaltigen, wirtschaftlichen Erholung sind die USA weit entfernt

Doch der Schein trügt. Die Juni-Zahlen wurden erhoben, bevor gegen Ende des Monats die Neuinfektionen stark angestiegen waren, könnten also längst überholt sein. Im negativen Sinne versteht sich, denn der Anstieg bei den Infizierten-Zahlen hat sich fortgesetzt und erreicht inzwischen täglich neue Rekorde. Landesweit waren es zuletzt rund 55.000 neu Fälle pro Tag. Damit kommen die USA in vier Tagen auf in etwa so viele Corona-Neuinfektionen wie Deutschland insgesamt, seit Ausbruch des Virus, gezählt hat. Der US-Chefvirologe Anthony Fauci geht davon aus, dass sich die Zahl sogar noch verdoppeln könnte, auf dann 100.000 neue Fälle am Tag. Bislang haben sich in den USA 2,7 Millionen Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert, 130.000 Amerikaner sind an oder mit der Erkrankung gestorben. Von einer weitgehend überstandenen Pandemie waren die USA seit Ausbruch des Virus nie so weit entfernt, wie heute.

Donald Trump ließ das Thema „Corona“ in seiner Rede zum Independence Day am 4. Juli also lieber gleich weg, sprach dazu vielleicht vorsichtshalber „nur“ noch vom „großartigsten Land in der Geschichte der Welt“. Das mit der großartigen Wirtschaft schließlich könnte alsbald in einer ziemlich großen Katastrophe enden.

Das wahre Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs zeigt sich womöglich erst noch

Die dramatische Entwicklung der Fallzahlen in den vergangenen Tagen nämlich, dürfte die zarten Pflänzchen des Aufschwungs empfindlich treffen und wieder zurück in die Erde treiben. Wo sich andere vor einer zweiten Welle fürchten, hat die erste in den USA nochmal richtig an Fahrt aufgenommen. Knapp die Hälfte aller Bundesstaaten hat gewährte Lockerungen bereits wieder zurückgenommen. Selbst im als sehr konservativ geltenden Texas, wo die eigene Freiheit stets ganz groß geschrieben wird, herrscht nun Mundschutzpflicht. Bars und Restaurants, auch viele Strände, müssen vielerorts erneut schließen. Die Arbeitslosenzahlen wird das wieder ansteigen lassen. Noch dazu sagt die Quote allein wenig aus. Viele Unternehmen hätten beispielsweise damit begonnen, Beschäftigten die Löhne zu kürzen, sagt Mark Zandi, Chefökonom von Moody`s Analytics. „Das gab es nicht einmal während der Finanzkrise oder der Großen Depression“, zitiert ihn der Spiegel.

Darüber hinaus stagniert in den stark betroffenen Staaten seit Mai die Gesamtzahl der Arbeitsstunden, der von Oxford Economics berechnete Aufschwungsindex hat an Dynamik eingebüßt. Hinzu kommt: Noch greifen viele Hilfsmaßnahmen der Regierung, die bis dato manch Katastrophe verhindern, bald aber auslaufen. So gibt es Zuschüsse zum Arbeitslosengeld beispielsweise nur noch bis Ende Juli. Die Räumungsstopps, die zahlungsunfähige Mieter vor dem Rauswurf schützen, endeten bereits am 1. Juli.

Wie genau sich all das in den kommenden Monaten auf die Wirtschaft auswirkt, lässt sich schwer absehen, positiv sicher nicht. Ein großflächiger, lang anhaltender Shutdown in den USA könnte jedenfalls auch die Weltwirtschaft empfindlich treffen. „Eine Pandemie, die dort außer Kontrolle gerät, hat große Folgen für die Weltwirtschaft“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kürzlich in der Bild am Sonntag. Ihm mache „die steigende Zahl von neuen Ansteckungen in den USA großen Sorgen“.

Sorglose Märkte

An den Märkten herrscht hingegen weiter Sorglosigkeit. Der S&P 500 hat ausgehend von seinem Corona-Tief im März fast 37 Prozent an Wert zugelegt. Noch 250 Punkte und das Vorkrisenniveau ist zurückerobert. Der NASDAQ 100 hat dieses längst übertroffen und eilt Tag um Tag zu neuen Rekorden. 53 Prozent beträgt das Plus seit dem Crash im März. Selbst im Vergleich zum Hoch im Februar ist der Index um zwölf Prozent nach oben geklettert. Mitten in der größten Wirtschaftskrise seit der großen Depression, explodieren die Kurse an der US-Technologiebörse in schwindelerregendem Tempo.
Dabei wird inzwischen kaum noch auf fundamentale Zahlen und Daten geachtet. Was freilich daran liegt, dass sowohl die US-Regierung, als auch die Fed in einen Whatever-it-takes-Modus geschaltet haben, der seinesgleichen sucht. Obwohl sich die Krise aktuell noch verschlimmert, können sich Anleger sicher sein: In der Not kommt die nächste Hilfsbillion bestimmt.

Was die Märkte bislang jedoch - von den langfristigen Folgen der Krise hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit einmal abgesehen -  kaum einpreisen, ist die Unsicherheit mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im Herbst. Sollte Trump diese verlieren, gilt es durchaus als wahrscheinlich, dass sein demokratischer Herausforderer Joe Biden, restriktiver agiert, Unternehmen beispielsweise wieder stärker besteuern will. Gerät die Pandemie in den USA weiter außer Kontrolle und kommt die Wirtschaft folglich noch über Monate hinweg nicht wirklich aus dem Kram, könnte es im Vorfeld der Wahl bei vielen Anlegern im Kopf zu arbeiten beginnen. Zumindest großangelegte Gewinnmitnahmen sind dann nicht auszuschließen oder – im Negativszenario – der nächste große Knall.

Donald Trump macht sicher darüber offenbar keine Gedanken. „Das Virus wird irgendwann gewissermaßen einfach verschwinden“, sagte er kürzlich dem TV-Sender Fox Business. Dabei muss Trump inzwischen aufpassen, dass nicht er es ist, der, nach der Wahl im Herbst, zuerst verschwindet.

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