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Wird aus der Bankenkrise jetzt eine Wirtschaftskrise?

Die Märkte haben die Turbulenzen im Finanzsektor erstaunlich gut verkraftet. Der große Crash ist ausgeblieben. Doch die jüngsten Ereignisse dürften Banken bei der Kreditvergabe vorsichtiger werden lassen. Experten warnen daher eindringlich vor Ansteckungsgefahren für die Realwirtschaft.

(Foto: Bart Sadowski / Shutterstock)

Die Märkte haben die Turbulenzen im Finanzsektor erstaunlich gut verkraftet. Der große Crash ist ausgeblieben. Doch die jüngsten Ereignisse dürften Banken bei der Kreditvergabe vorsichtiger werden lassen. Experten warnen daher eindringlich vor Ansteckungsgefahren für die Realwirtschaft.

Notenbanken und Politik haben schlimmeres verhindert. Sowohl in der Schweiz wie auch in den USA wurde eine globale, systemische Finanzkrise gerade noch rechtzeitig abgewehrt. Die strauchelnde Credit Suisse wurde auf staatlichen Druck hin und im Eiltempo eines einzigen Wochenendes mit der UBS zwangsfusioniert – gestützt durch Liquiditätshilfen in Höhe von 100 Milliarden Schweizer Franken durch die Schweizer Nationalbank (SNB). Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) verlor ihren Schrecken schon einige Tage zuvor, als die US-Regierung deren Kundeneinlagen in voller Höhe garantierte. Für den Bankensektor folgten zwar noch ein paar ungemütliche Börsentage, doch alles in allem scheint die Finanzwelt nun erst einmal beruhigt. Auf den Gesamtmarkt sind die Banken-Turbulenzen bis dato nicht übergesprungen. Und auch innerhalb der Finanzbranche zeichnete sich zuletzt eine Entspannung ab, die Aktien der großen Geldhäuser erholten sich leicht.

Eine Finanzkrise ist abgewehrt, aber nicht abgewendet

Erstmal, so scheint es, ist die Kuh vom Eis. Doch der Schein könnte trügen. Die nächste große Finanzkrise mag in einem ersten Schritt abgewehrt worden sein, abgewendet ist sie deshalb nicht. Schließlich sind die Risiken nicht vom Tisch. Fed und EZB haben die Zinsen jüngst weiter erhöht. Unrealisierte Wertverluste bei Staatsanleihen oder in Immobilienportfolien bleiben damit eine Gefahr für die Liquidität, insbesondere bei den kleinen und mittelgroßen Regionalbanken in den USA, die traditionell eine essenzielle Rolle bei der Kreditvergabe an kleine bis mittelgroße Unternehmen in den USA spielen.

Die schnelle und kraftvolle Intervention von Regierung und Behörden mag Kunden die Angst um ihre Einlagen genommen haben. Die Sorgen darüber, ob ihr Geld bei den kleineren Instituten noch gut aufgehoben ist, sind damit aber nicht beseitigt. Im Umkehrschluss heißt das: weitere Bank Runs sind genauso wenig ausgeschlossen, wie weitere Einlagentransfers weg von kleineren hin zu größeren Banken, die wie im Falle der Bank of America oder JP Morgan Chase wohl nicht nur to big to fail, sondern sogar to big to bail sind. Sprich: Würde eine dieser beiden Banken in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, wären sie nicht zu retten und es würde ohnehin das gesamte globale Finanzsystem in sich zusammenbrechen.

Für die US-Regionalbanken bedeuten abfließende Einlagen, dass sie vorsichtiger werden müssen, was ihre Kreditvergaben anbelangt. Das mag zunächst sogar sinnvoll erscheinen. Schließlich sollen Banken gerade keine Hochrisikokredite vergeben oder, wie im Falle der SVB, auf eine einzige Branche spekulieren und innerhalb dieser Kredite an verlustreiche Start-Ups mit zumindest hier und da fragwürdigen Geschäftsmodellen vergeben.

Risiko: Kreditklemme

Doch es geht um eine Vorsicht weit darüber hinaus. Es dürfte auch für Haushalte und Unternehmen mit guter Bonität schwieriger werden, an Kredite zu kommen, wenn die Banken ihr Geld beisammenhalten müssen. Dies würde im schlimmsten Fall eine Kreditklemme bedeuten, die nicht nur eine Rezession wahrscheinlicher macht, sondern auch zu Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt führen könnte. Fed-Chef Jerome Powell hat das Risiko einer Kreditklemme in seiner Rede anlässlich der jüngsten Zinserhöhung explizit erwähnt.

JP Morgan hat derweil errechnet, dass rund 500 Milliarden US-Dollar seit der SVB-Pleite von anfälligen US-Geldinstituten abgezogen worden sind. Seit März 2022, also in etwa auf Zwölfmonatssicht, sind es mit einer Billion US-Dollar sogar doppelt so viel. „Angesichts der Ereignisse würde ich erwarten, dass die Banken höhere Anforderungen stellen, ihre Kredite strenger handhaben und möglicherweise mehr für ein ähnliches Risikoprofil verlangen“, sagte Alexander Yokum, Aktienanalyst bei CFRA Research gegenüber Business Insider. Ian Shepherdson, Chefvolkswirt von Pantheon Macroeconomics, sagte in einem Interview mit CNBC: „Die Einlagen laufen den Banken davon und fließen in Geldfonds, und das Management der Banken fragt sich, wie sie das jetzt überleben. Nun, wahrscheinlich nicht durch Kreditvergabe.“ Die US-Investmentbank Goldman Sachs mutmaßt, dass sich die Kreditvergabestandards deutlicher verschärfen könnten als einst zur Dotcom-Krise um die Jahrtausendwende. Allerdings, so die Bank weiter, dürften die Tiefpunkte aus der Finanzkrise und zum Coronapandemie-Höhepunkt nicht erreicht werden.

Das Problem: es könnte hauptsächlich die Kreditvergabe der kleineren Banken treffen. JP Morgan gibt an, dass von insgesamt fünf Billionen US-Dollar an Geschäftskrediten, die US-Banken ausgegeben haben, über 40 Prozent von 300 Banken vergeben wurden, die als mittelgroß gelten und 16 Prozent von solchen, die als klein gelten. Zudem stammen 45 Prozent aller Verbraucherkredite in den USA von Banken mit einer Bilanzsumme unter 250 Milliarden Dollar, schreibt Goldman Sachs.

Diese Zahlen zeigen: eine Kreditklemme, wenn sie auch nur die kleinen und mittleren US-Institute trifft, könnte ausreichen, um die US-Wirtschaft in eine tiefe Rezession zu führen. Abgesehen davon bleiben auch die Risiken für die Finanzbranche groß, sollten weitere Institute in die Pleite rutschen. Insgesamt dürften die kleineren US-Banken trotz des milliardenschweren Abzugs von Kundengeld noch immer über Einlagen im Wert von über fünf Billionen US-Dollar verfügen.

OG

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