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Biontech: Jetzt fehlt nur noch die Kurs-Immunisierung

Die kurze und wechselvolle Geschichte des Corona-Impfens erklärt genau genommen auch die Kursschwankungen bei Biontech. War das Papier im Herbst 2019 noch für gut 12 Euro zu haben, gab es selbiges zwischendurch mal für exklusive 380 Euro. Aktuell kosten die Papiere etwa 200 Euro – wie geht es weiter?

(Bild: Shutterstock)

Die kurze und wechselvolle Geschichte des Corona-Impfens erklärt genau genommen auch die Kursschwankungen bei Biontech. War das Papier im Herbst 2019 noch für gut 12 Euro zu haben, gab es selbiges zwischendurch mal für exklusive 380 Euro. Aktuell kosten die Papiere etwa 200 Euro – wie geht es weiter?  

Von Reinhard Schlieker

Was für Fährnisse auch den Börsen hinderlich sind, welche Wertverluste durch Inflation und drohendes Ende der Geldflut aus den Notenbanken – die Sorgen halten derzeit jeweils nur kurz, es gibt Schrecksekunden im Takt der Finanzmärkte, aber kein wirkliches Innehalten im Lauf. Der Dax mit seinen Hüpfern über bekannte Höchststände ist ein Beispiel dafür. Dass Mut und Tollkühnheit verschwimmen, beweist der Pickup-Elektrifizierer Rivian mit seinem Sprung über die 100-Milliarden-Dollar-Kapitalisierung: Mehr wert als BMW, aber weder Umsatz noch Gewinn, was nicht einmal für den Kauf eines 3er reichen würde, natürlich.

Die neue Unübersichtlichkeit macht aber Halt vor Biontech. Zwar hat der gerühmte Erfinder und Hersteller des Impfstoffs Comirnaty gegen die schwere Ausprägung von CoVid-Infektionen seine Börsenbergfahrt schon einmal weit mehr in lichte Höhen geschafft, aber nach unten scheint es einen stabilen Puffer zu geben: Eine Immunisierung des Kurses, sozusagen. Wundert einen nicht wirklich, bei 3,2 Milliarden Euro Nettogewinn und 6,08 Milliarden Euro Umsatz. In einem, nämlich dem dritten Quartal. Die Pharmasparte des Traditionsriesen Bayer schaut da nur hinterher. Angesichts des Erfolges der Impfungen, die nachweislich jedenfalls viele Ansteckungen ganz, und schwere Verläufe mit Intensivbehandlung im Krankenhaus weitestgehend vermeiden helfen, sind auch die Rufe der Missgünstigen recht leise geworden.

Eine Debatte gibt es weiter, aber die ist politisch kurzbeinig, wie man das eben so kennt. Was das Medizinische angeht, so dürften sich Erstaunen und Erschrecken, dass der Impfschutz nach sieben bis acht Monaten schwächer wird, demnächst wohl legen und der Realitätswahrnehmung im Impfwesen annähern, so auch Biontech-Chef Uğur Şahin, dass nämlich viele Impfungen wiederholt oder aufgefrischt werden müssen – manche jährlich, manche nach fünf oder zehn Jahren. Womöglich wird es auch Comirnaty irgendwann in jährlich angepasster Kombination geben müssen, wie man es von den sehr wandelbaren Influenzaviren und den stets saisonalen Impfstoffen dagegen gewohnt ist. Die Anleger kann es nicht dauerhaft schrecken, denn das für sie eher zu beachtende Umfeld ist eher das der möglichen Konkurrenz.

Im Verlauf des Jahres 2021 hat sich einige Spreu vom Weizen getrennt: Von Sanofi, dem gepuschten französischen Hersteller nationalen Stolzes, hört man nichts mehr. Womöglich kann sich Paris damit trösten, dass die Biontech-Heimat Mainz ja irgendwie auch was Französisches hat, ist eben nur ein bisschen her. Curevac ist offiziell ausgeschieden und forscht anderweitig. AstraZeneca kämpft mit den Nebenwirkungen ebenso wie Moderna, das gerade Einschränkungen der Anwendbarkeit erfahren muss. Die kurze und wechselvolle Geschichte des Corona-Impfens erklärt genau genommen auch die Kursschwankungen bei Biontech. War das Papier im Herbst 2019 noch für gut 12 Euro zu haben, gab es selbiges zwischendurch mal für exklusive 380 Euro. Das heutige Pendeln um die 200-Euro-Marke reflektiert die politische Diskussion, die Unsicherheiten um die Zukunft des guten Rufes einer Impfung generell, die in derzeit aufgeheizter Schwarzweißmalerei mit scharfen Kontrasten kaum zielführend vorankommt.

So etwa prägen Denkfehler den Diskurs: Das 2G-Konzept beispielsweise ist in logischer Betrachtung ein Unding: Man lässt Leute etwa zusammen ins Kino (geimpft, genesen), die trotz allem eine gewisse Ansteckungsgefahr bedeuten können – nicht jedoch diejenigen, die einen nahezu sicheren Nachweis ihrer Virenfreiheit vorlegen könnten (getestet). Ehe sich nicht allgemein die Erkenntnis durchgesetzt haben wird, dass Denken generell häufig hilft, dass es keine Wundermittel gibt und der weitgehende Schutz vor schwerer Krankheit schon eine sehr gute und rasend schnelle Leistung der Forscher spiegelt, solange wird Biontech auch im Gewitter und Getwitter des Hysterischen bleiben. Das sollte den Anleger nicht irremachen. Die stetigen Anhebungen der Umsatzprognosen werden bisher übertroffen. Auch die Aussicht auf ein wirksames Medikament zur Behandlung der Corona-Erkrankung, wie derzeit beim Biontech-Partner Pfizer, wird erfahrungsgemäß eine vorbeugende Impfung nicht als zweite Wahl erscheinen lassen, im Gegenteil.

Von Biontech leben übrigens derweil schon viele, die man eher nicht so im Blick hatte. Klar, die Stadt Mainz, nicht börsennotiert natürlich, die eine historische Chance bekommt, in Kürze völlig schuldenfrei zu werden mit den Steuern der Biontech-Goldesel im Säckel. Für die Börse interessanter allerdings die Zulieferer, etwa die Merck KGaA aus dem unweit im Hessischen gelegenen Darmstadt. Merck legte gerade überraschend reichhaltige Zahlen vor – im Windschatten gedeiht eben auch vieles. Und das Rhein-Main-Gebiet weiß bald gar nicht mehr, wie ihm geschieht.

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