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Carnival Corp.: Das Kreuz mit den Kreuzfahrten

Die größte Kreuzfahrtgruppe der Welt, das ist Carnival: Amerikanisch-britisches Ausflugswesen in ganz riesigem Maßstab. Und in Coronazeiten an den Rand der Verzweiflung gebracht. Ähnlich beim Konkurrenten Royal Caribbean Cruises: Der Betreiber des derzeit größten Kreuzfahrtschiffs der Welt, der „Symphony of the Seas“, sieht sich im Wellengang auch der Börse reichlich unterspült.

Die größte Kreuzfahrtgruppe der Welt, das ist Carnival: Amerikanisch-britisches Ausflugswesen in ganz riesigem Maßstab. Und in Coronazeiten an den Rand der Verzweiflung gebracht. Ähnlich beim Konkurrenten Royal Caribbean Cruises: Der Betreiber des derzeit größten Kreuzfahrtschiffs der Welt, der „Symphony of the Seas“, sieht sich im Wellengang auch der Börse reichlich unterspült.

Von Reinhard Schlieker

Die Fixkosten der Schiffe sind astronomisch, ob sie nun fahren oder nicht. Der Zahn der Zeit beißt auf See und im Hafen besonders schnell zu, und um im geschrumpften Markt überhaupt noch eine Chance zu haben, müssen neue Attraktionen her, zumal bei den tatsächlich stattfindenden Kreuzfahrten die für Reiseunternehmen lukrativen Landgänge mehr als eingeschränkt sind. Man kann sich daher für die Bordunterhaltung gar nicht genug einfallen lassen (Eisbahn, Minigolf, Sternerestaurants oder mehrstöckige Wasserrutschen sind eher Standard).

Einige Superlative bietet bei Carnival Cruises auch das jüngste Schiff der Tochtergesellschaft Aida, die Aidanova. Carnival ist dabei, Chinas Markt zu erobern, die übrigen Töchter wie P&O, Cunard Line, Princess Cruises oder Costa Crociere decken die Weltmeere schon reichlich ab und sorgen für Aufträge auch bei deutschen Werften. Für 2021 ist die Indienststellung neuer Giganten geplant, bei allen großen Unternehmen. Carnival trennt sich eher von vielen älteren Schiffen, die im Übrigen auch nicht mehr in der Lage wären, moderne Umwelterrungenschaften umzusetzen, die inzwischen als Werbeargument dienen: Bei einem Verbrauch von 150 Tonnen Diesel am Tag wirkt jede Filtermaßnahme schon fast Wunder; neueste Kreuzfahrer benutzen Flüssiggas, was erheblich umweltfreundlicher ist als Diesel oder gar Schweröl. Bei Baukosten eines der großen Kreuzfahrtschiffe von rund 1,3 Milliarden Dollar keine besonders belastende Ausgabe mehr.

Und das Geschäft? Nachdem Anfang 2020 die „Diamond Princess“ vor Japan zu einer schwimmenden Corona-Krankenstation wurde und sogar Todesopfer zu beklagen waren, galten Passagierschiffe als wahre Ansteckungsherde. Die Branche kämpft mittlerweile mit allen denkbaren Sicherheitsmaßnahmen dagegen an, nach Aussage der großen Reedereien sei der Aufenthalt auf einem Schiff mittlerweile der sicherste Ort vor Ansteckung überhaupt. Das kostet die Eigner viel, denn die Passagierzahlen müssen verringert, bestimmte Unterhaltungsprogramme eingestellt und sonstige Abstandsmaßnahmen ergriffen werden – einen Carnival der Viren würden die Kreuzfahrer kaum überleben.

Trotz alledem hofft die Branche auf eine Neubelebung im Sommer 2021, und die Börse hofft offensichtlich mit. Das ist mutig, wenn man bedenkt, dass die Royal Caribbean 2020 einen Verlust von 5,8 Milliarden Dollar verbuchen musste. Doch die Buchungslage sehe gut aus, hieß es, und die Aktie legte allein im Februar von 55 Euro auf 75 zu – zeitweise überschritt sie die 80-Euro-Marke. Bei der stark diversifizierten Carnival Corporation sieht man sich im Kampf mit den Lockdown-Realitäten: Die Kreuzfahrten werden wohl nur dann verstärkt gebucht, wenn die Passagiere nach einer Reise und mit negativem Corona-Test an Bord auch tatsächlich nach der Rückkehr nicht etwa in Quarantäne müssen.

Carnival verbuchte ebenfalls im Februar einen Kursanstieg in New York von 18 auf 27 Dollar – glatte fünfzig Prozent plus. Mit beigetragen hat der Buchungsboom in Großbritannien, der nach Ankündigung eines Endes der Corona-Maßnahmen im Frühsommer die Reisebuchungen extrem ansteigen ließ. Für Anleger an den Börsen ein Vorgeschmack darauf, was bei einer erfolgreichen Impfkampagne in den Ländern der Kunden wohl zu erwarten wäre.

Im Falle der Veranstalter war nun gut zu beobachten, dass die Flut wohl alle Boote hebt – es stiegen auch Werte, deren Aussichten eher durchwachsen bleiben, vor allem wenn Schulden drücken. Da genügt es nicht mehr, einfach eine Art Hochhaus auf einen Schiffsrumpf zu legen und das Beste zu hoffen für die Unterbringung von mehr als 6000 Passagieren. Das britische Beispiel allerdings befeuert die Hoffnungen aller in der Reisebranche, es herrsche ein „enormer Nachholbedarf“, so ein Branchenexperte zu den Buchungsanstiegen von bis zu 600 Prozent in Großbritannien gegenüber der vorigen Woche. Die gewohnten Warnungen von offizieller Seite, in Europa Standard inzwischen, es werde „keine Rückkehr zur Normalität vor Corona“ geben, erlebt derzeit eine Abstimmung mit den Füßen. Die Reise- und Touristikaktien an der Börse erleben sie auch.

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