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BÖRSE am Sonntag INVEST 2017

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Fed erhöht auf ein Prozent: Ist das schon die Zinswende? Marc-Oliver Lux Dr. Lux & Präuner GmbH & Co.KG, München BÖRSE am Sonntag · II | 2017 Pro & Contra 21 Foto: © mikan - Fotolia.com Von einer echten Zinswende kann jetzt (!) noch keine Rede sein Betrachtet man die Interessenlage von Politik und Notenbank in der EU, wird klar, dass es in Zeiten fallender Zustimmungsquoten zur Wirtschaftsgemeinschaft primär um deren Erhaltung geht. Vor diesem Hintergrund scheint es plausibel, Sascha Anspichler Geschäftsführender Gesellschafter, FP Asset Management GmbH, Freiburg dass kriselnde Euro-Staaten wie Italien erst ihre Krise überwinden müssen, bevor der deutsche Zinstrend nachhaltig nach oben drehen kann. Die Staatsverschuldung Italiens wuchs in den letzten zehn Jahren um rund 40 Prozent an, das Bruttosozialprodukt fiel um knapp fünf Prozent. Deflationäre Tendenzen und steigende Zinsen im Jahre 2016 runden das desaströse Bild ab. Italienische Staatsanleihen notieren aktuell rund zwei Prozent über den deutschen Staatsanleihen. Leisten kann sich das Italien nicht. Die Mission der Notenbank (EZB) scheint klar: Italiens Zinsen müssen fallen und die Inflation muss steigen. Das Beispiel Italien zeigt, wie stark die Häuserpreise vom Zins abhängen. Im Januar 2017 veröffentlichte Daten für den italienischen Hauspreisindex für das dritte Quartal 2016 zeigten einen Rückgang von 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, während die Preise in der Europäischen Union durchschnittlich um 4,3 Prozent stiegen. Ohne niedrige Zinsen und positive Inflation wird Italien keine nachhaltige Entschuldung erreichen. Eine nachhaltige Zinswende in Deutschland scheint unwahrscheinlich, wenngleich sie nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Die Zinswende ist da! Die Zinsen in den USA ziehen an. Womöglich sogar schneller als erwartet. Für Anleihe-Gläubiger wird es nun zunehmend ungemütlich. Mit der nun dritten Zinsanhebung auf 0,75 bis ein Prozent für die Fed Funds Target Rate hat die Fed die Zinszügel fest in der Hand. US-Notenbank-Chefin Janet Yellen sieht den Leitzins Ende des Jahres bei 1,4 Prozent, Ende 2018 bei 2,1 Prozent und Ende 2019 bei 2,9 Prozent. Steigende Zinsen sind also nur eine Frage der Zeit. Für Anleihe-Besitzer sind das schlechte Nachrichten. Denn im inflationären Umfeld passen sich weder Nennwert noch Coupon der festverzinslichen Papiere an. Die Kurse werden sinken. Der Abwärtstrend bei US-Bonds hat bereits begonnen. Die Staatsanleihen in Europa können sich der US-Vorlage nicht entziehen, obwohl die europäische Zentralbank mit ihrer Nullzinspolitik und monatlichen Anleihekäufen den Rendite-Anstieg bremst. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihen ist von immerhin minus 0,20 Prozent im Tief auf mittlerweile wieder plus 0,44 Prozent. Damit ist klar: die Zinswende an den Märkten ist angekommen. Vieles spricht dafür, dass 2016 das Jahr der Zins-Tiefststände gewesen ist. Eine höhere Inflation gilt als Gift für Anleihen, weil sie an den mageren Zinserträgen zehrt. Bei Staatsanleihen in Deutschland und anderen Kernländern der Eurozone ist die Lage noch schlimmer. Hier dürften in diesem Jahr die niedrigen Zinserträge von den Kursverlusten aufgezehrt werden. Auch ein Inflationsausgleich findet nicht mehr statt.


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