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Klimadebatte zwingt zum Umdenken in der Luft

Allein in Deutschland fliegen täglich rund 8.000 Flugzeuge. Weltweit sind es nach grober Schätzung 80.000 Flüge am Tag, ein gewaltiges Flugaufkommen – und eine enorme Umweltbelastung. Die Experten bei der „Living Legends of Aviation“-Gala im Event-Resort Scalaria am Wolfgangsee sind sich einig: Wie in der Autoindustrie müssen auch in der Luftfahrt neue, saubere Lösungen gefunden werden. Es gibt bereits einige vielversprechende Ansätze. Doch die Zeit drängt.

BÖRSE am Sonntag

Allein in Deutschland fliegen täglich rund 8.000 Flugzeuge. Weltweit sind es nach grober Schätzung 80.000 Flüge am Tag, ein gewaltiges Flugaufkommen – und eine enorme Umweltbelastung. Die Experten bei der „Living Legends of Aviation“-Gala im Event-Resort Scalaria am Wolfgangsee sind sich einig: Wie in der Autoindustrie müssen auch in der Luftfahrt neue, saubere Lösungen gefunden werden. Es gibt bereits einige vielversprechende Ansätze. Doch die Zeit drängt.

In der Autoindustrie ist man bereits einen Schritt weiter: Elektroautos gehören inzwischen selbstverständlich zum Straßenbild und sind dabei, einen immer größeren Markt zu erobern. In der Luftfahrt steckt diese Entwicklung noch in den Anfängen, ist aber ähnlich dringend. Der Luftraum wird zunehmend voller, die Umweltbelastung steigt. Wie wird die Zukunft aussehen? Wie werden wir uns künftig in der Luft fortbewegen? Ein Thema, mit dem sich derzeit viele Pioniere der Luftfahrt auseinandersetzen.

Bertrand Piccard: Im emissionsfreien Flugzeug um die Welt

„Die Zukunft ist elektrisch“, davon ist Bertrand Piccard überzeugt. Der Schweizer Abenteurer, der als erster Mensch in einem Ballon um die Welt flog, umreiste den Globus von März 2015 bis Juli 2016 mit dem ersten solarbetriebenen Flugzeug der Welt. Am spannendsten sei am Anfang die Frage gewesen: „Gibt es am Ende der Nacht genug Energie, um weiterzufliegen“, beschreibt der 61-jährige Piccard seinen sensationellen Weltrekordflug. „Es war kein Problem, aber wir brauchten die Sonne am Tag.“ Ein Experiment, das gezeigt habe, dass es möglich sei, längere Strecken ohne Lärm, Schadstoffe und Umweltbelastung zu fliegen.

Mike Dorey, Michael Kendrik, Bertrand Piccard und Andreas Gall beim „Living Legends of Aviation“-Event (v.ln.r) / Quelle: © scalaria

„Keine Science-Fiction, es funktioniert tatsächlich.“ Besonders freut Piccard, dass alle, die am Anfang über ihn gelacht haben, nun an Elektroantrieben arbeiten. „Fliegen muss sauber werden. Ich denke, es braucht Quereinsteiger, um die Entwicklung voranzutreiben, ähnlich wie Elon Musk in der Autoindustrie.“ So könne „Uber“ einer dieser neuen Player sein. In sieben Jahren, stellt Piccard die Prognose, könnte es bereits einen Flug von Berlin nach Frankfurt per Elektroantrieb geben.

Piccards aktuelles „Project Zero“, das er zusammen mit Michael Kendrik von Straightline Aviation auf dem Event nahe Salzburg vorstellte, soll ebenfalls auf dieses Ziel einzahlen – mit „Zero Emission“, einem neuartigen Flugzeug, das emissionsfrei fliegt und dank einer besonderen Konstruktion keinen Flughafen mehr braucht, also überall landen kann. „Unser Projekt ist der Anfang, es wird sich durchsetzen. Zuerst im Cargo-Bereich“, ist Kendrick überzeugt. Zwei Dekaden werde es seiner Ansicht nach brauchen, bis die schadstoffarmen Möglichkeiten auch in der Passagier-Luftfahrt Fuß fassten.

„Flying Taxis“ bald Standard?

Eine Lösung gegen vom Verkehrskollaps bedrohte Innenstädte sollen in den Augen vieler sogenannte „Flying Taxis“ sein. Am Wolfgangsee präsentierten Hu Huazhi, CEO von Ehang, und Robert Machtlinger, CEO der österreichischen Flugzeugbaufirma FACC, das „Ehang Airtaxi“. „So sehen wir die Zukunft der urban mobility“, erklärt Machtlinger. „Ich bin damit in China geflogen, was heute gut ist, wird morgen Standard sein.“ Der Österreicher ist sicher: „Innerhalb der nächsten zwei Jahre werde ich damit von Salzburg aus abheben können.“ Bis dahin gibt es allerdings noch einige Probleme zu lösen: Es braucht neues, leichteres Material, Möglichkeiten der Regulierung des Taxi-Luftverkehrs und vor allem die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Ulf Merbold, der erste weltdeutsche Astronaut im All fürchtet bei dem Thema um den Luftraum. „Wenn es so viele Flugtaxis gäbe wie Autos, wäre das am Himmel eine Katastrophe“, warnt er. „Die Luft gehört jedem, doch wenn kommerzielle Interessen im Spiel sind, ändert sich vieles.“ Schon 36 Jahre sind seit Merbolds Zeit im All vergangen, die wichtigste Lektion bleibt für den 78-Jährigen die Erkenntnis, dass „wir auf diesem Erdball wie eine Art Raumschiff im leeren Weltall unterwegs sind und es ist ein Raumschiff, aus dem im Moment niemand aussteigen kann“.

Variocopter hebt ab – Weltpremiere am Wolfgangsee

Einen weiteren neuartigen Ansatz verfolgt Andreas Gall, Chief Innovation Officer beim Red Bull Media House. Unter dem Motto „re-activate“ arbeitet er mit dem Start-up EVG Aircraft zusammen, das Monocopter entwickelt. Vorteile: Sie brauchen weniger Energie, können länger fliegen, sind kleiner. „Jeder sagt, es geht nicht, nur mit einem Rotor zu fliegen“, erklärt Gall. „Es reizt mich, zu zeigen, dass es doch geht!“ Und es ging: Der weltweit erste „Variocopter Saturn BV70“ hob in einer Weltpremiere vor dem Scalaria-Resort am Wolfgangsee tatsächlich ab.