Großer Ausblick: Was Anleger 2021 erwartet
Das Corona-Börsenjahr ist noch nicht zu Ende. Doch an der Börse liegt der Fokus längst auf 2021. Was erwartet Anleger nach einigen der turbulentesten Monate, die die Finanzwelt je erlebt hat? Wie entwickeln sich Anleihen? Bleiben Aktien das Mittel der Wahl? Und lohnen Investments in Gold und Immobilien noch?
Das Corona-Börsenjahr ist noch nicht zu Ende. Doch an der Börse liegt der Fokus längst auf 2021. Was erwartet Anleger nach einigen der turbulentesten Monate, die die Finanzwelt je erlebt hat? Wie entwickeln sich Anleihen? Bleiben Aktien das Mittel der Wahl? Und lohnen Investments in Gold und Immobilien noch?
Aktien als Pandemie-Gewinner
Die Realwirtschaft lechzt noch unter der Pandemie. Die Börse aber blickt dies- und jenseits des Atlantiks bereits optimistisch ins neue Jahr. Dow Jones und S&P 500 markierten infolge hoffnungsfroher Impfstoff-Kunde zuletzt neue Allzeithochs, DAX und EuroStoxx50 befreiten sich aus ihren Zwischentiefs und haben das Vorkrisenniveau rechtzeitig zum Jahreswechsel wieder im Blick. Im kommenden Jahr dürfte das nach Ansicht von Experten so oder so ähnlich weitergehen. Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken, die wohl auch 2021 kein Ende finden dürfte, mache es Anlegern schwer, am Aktienmarkt vorbeizukommen, fasst Christian Kahler, Leiter Aktienstrategie & Asset Allocation bei der DZ Bank, zusammen.
„An den Aktienbörsen dürften auch 2021 die Pluszeichen die Kurszettel dominieren“, steht wohl auch deshalb im Kapitalmarktausblick der Landesbank-Baden-Württemberg (LBBW). „Die aktuellen Kurse mögen auf den ersten Blick hoch erscheinen und Corona die Unternehmensgewinne geschmälert haben. Dennoch werde derzeit, sowohl in Europa wie auch an den US-Börsen, das höhere Risiko einer Aktie gegenüber einer Anleihe weit überdurchschnittlich entlohnt“, heißt es weiter.
„Die Erwartungen für die Unternehmensgewinne haben sich für viele Firmen nicht nur stabilisiert, sondern dürften sich für 2021 deutlich positiver entwickeln“, glaubt auch Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, an ein aktienfreundliches Umfeld. Vor allem preiswerte, zyklische Aktien aus den Branchen Tourismus, Industrie, Automobil sowie Metall- und Bergbau dürften von der Konjunkturerholung profitieren, schätzt er. „Die Verlierer der Krise werden aufholen. Die Bewertungsunterschiede zwischen Wachstumstiteln und Value-Aktien sind zu groß geworden, um sie zu ignorieren.“ DZ-Bank-Analyst Kahler nannte konkret Daimler und Lufthansa als mögliche Profiteure.
Deutsche Bank-Experte Stephan sieht darüber hinaus Chancen bei Gesundheitsaktien. Weniger gut könnten teure defensive Werte wie Gebrauchsgüter sowie Nahrungsmittel und Getränke laufen. „Bei Technologiewerten stimmt natürlich der langfristige Trend, kurzfristig könnte es aber aufgrund der teilweise hohen Bewertungen sein, dass sie sich in den kommenden Monaten schlechter entwickeln als die Titel anderer Branchen.“ Entsprechend erscheine Europa als Anlageregion interessanter als die USA, wo IT- und Internetwerte für rund 40 Prozent des Aktienmarktes stehen. Die DZ-Bank sieht den Dax 2021 die 14.000 Punkte knacken. Schätzungen der LBBW zufolge könnte Deutschlands Leitindex auf 14.500 Punkte steigen, der Dow-Jones auf 32.500 und der EuroStoxx 50 auf 3.650 Zähler.
Diesem Optimismus liegen nicht zuletzt zuversichtliche Wachstumsprognosen für das kommende Jahr zugrunde. Das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte laut Stephan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research, in diesem Jahr zwar noch um 3,5 Prozent schrumpfen. Für 2021 erwartet er aber ein Wachstum von 5,9 Prozent. Das entspräche dem stärksten Wachstum seit Jahrzehnten.
Nach der jüngsten Rally, könnte den Märkten aber zwischendurch auch nochmal ein größerer Rücksetzer drohen. Bis zu sieben Prozent Verlust im Dax seien immer möglich, warnt Kahler. Aktien können „zeitweilig ins Stolpern“ geraten, mahnt auch Markus Reinwand, Aktienstratege bei der Hessischen Landesbank (Helaba).
Anleihen als Notnagel in der Not
Anleihen dürften auch 2021 gegenüber Aktien an Attraktivität einbüßen. Die Notenbanken schließlich sind mit der Corona-Pandemie dazu gezwungen worden, noch lange bei ihrer extrem lockeren Geldpolitik zu bleiben. Es ist möglich, dass die Währungshüter im kommenden Jahr sogar noch einmal nachlegen, um die Folgen der Virus-Krise abzumildern. US-Notenbank-Chef Jerome Powell hatte im November bereits signalisiert, dass weitere Lockerungsmaßnahmen denkbar seien. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) könnte im Dezember neue Maßnahmen beschließen. Die Renditeaussichten für Staatsbonds bleiben zumindest mit Blick auf die USA und die Eurozone entsprechend mager. Bei der DWS erwartet man für zehnjährige US-Anleihen weiter nur Renditen von unter einem Prozent. Für deutsche Bonds mit gleicher Laufzeit gehen die Experten von einem leichten Renditeanstieg auf minus 0,5 Prozent aus.
„Chancenreicher erscheinen Unternehmensanleihen und Anleihen aus Schwellenländern, die mit höheren Renditen aufwarten können“, prognostizert die Vermögensverwaltungs-Tochter der Deutschen Bank. Ein moderates Wachstum und ausreichend Liquidität stellten gute Rahmenbedingungen dar und eine mögliche Einengung der Zinsaufschläge könnte Chancen auf Kursgewinne eröffnen. Ähnlich urteilt die Credit Suisse. Im Fixed-Income-Segment seien bei Kern-Staatsanleihen allenfalls niedrige Erträge zu erwarten, schreiben die Schweizer in ihrem Kapitalmarktausblick. Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern blieben hingegen attraktiv. Mit der schrittweise erfolgenden Marktöffnung finden sich in vielen Anleihe-ETFs und Fonds für Schwellenländer inzwischen auch chinesische Papiere. Das könnte für mehr Sicherheit und weniger Schwankungsanfälligkeit sorgen. Auf der anderen Seite kann je nach Fonds und Gewichtung die jährliche Rendite sinken, da chinesische Bonds mit rund drei Prozent Rendite weniger bieten, als beispielsweise der Indexdurchschnitt des J.P. Morgan Government Bonds Index ohne China (fünf Prozent).
Ähnlich Gold blieben Staatsanleihen aber allen in allem „ein Optimum bei einer schweren Rezession“, sagt Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG. Doch danach sieht es aktuell nicht aus. „Bei besserer Wirtschaftsentwicklung – was man für 2021 annehmen kann – sollte sich der Aktienmarkt auf breiter Front positiv entwickeln, zumindest im 1. Halbjahr.“
Immobilienbranche als Stabilitätsanker
Immobilienmärkte reagieren stets mit Zeitverzögerung auf wirtschaftliche Schocks. „Die tiefe Rezession in Deutschland dürfte sich daher teilweise erst 2021 auf Mieten und Immobilienwerte auswirken. Dabei sind die pandemiebedingten Folgen nach Segmenten sehr unterschiedlich“, schreibt die Helaba in ihrem Kapitalmarktausblick für das kommende Jahr. Einzelhandelsimmobilien leiden neben Hotels am stärksten unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Einerseits wegen der Lockdowns und andererseits, weil Konsumenten immer häufiger auf den Onlinehandel ausweichen. Experten prognostizieren: Eine Reihe von Ladengeschäften wird die Corona-Krise nicht überleben. Damit drohen Mietausfälle und steigende Leerstände, speziell in weniger begünstigten Lagen. Die schon vor der Pandemie aufgetretenen Preisrückgänge könnten sich deshalb 2021 fortsetzen.
Auf den deutschen Wohnungsmarkt hat sich die Corona-Krise aber noch nicht negativ ausgewirkt. Im Gegenteil: Die Preise sind in den vergangenen Monaten deutschlandweit weiter gestiegen. Im dritten Quartal waren Wohnimmobilien im Durchschnitt um 7,8 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Bundesamt. Ähnlich wie während der Finanzkrise dürften Investoren noch stärker die Flucht ins „Beton-Gold“ suchen. Der Preisanstieg sei der stärkste seit dem vierten Quartal 2016 mit damals durchschnittlich 8,4 Prozent, heißt es aus der Wiesbadener Behörde. Gegenüber dem Vorquartal hat sich der Preisanstieg damit noch einmal beschleunigt. In den Monaten April bis Juni 2020 waren die Preise im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent gestiegen. Die Nachfrage nach Wohnraum ist vor allem in Ballungsräumen groß. Insgesamt scheint die Corona-Krise am Markt für Wohnimmobilien keine negativen Auswirkungen mit sich zu bringen. Weil die Immobilienmärkte eng mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verbunden sind, dieser ab nachlaufen, sei nicht auszuschließen, dass auch auf den deutschen Markt noch eine Schwächephase zukomme, warnte Tilmann Galler, Anlagestratege bei JPMorgan Asset Management. Mit einem Einbruch der Preise sei aber in 2021 nicht zu rechnen.
Rohstoffe als Wundertüte
Wenn Joe Biden gewinnt, ist das gut für den Klimaschutz, aber schlecht für die Ölindustrie. Etwa so hatten viele Experten noch vor wenigen Wochen argumentiert. Doch erstmals seit über drei Monaten steigt der Ölpreis für einen Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent wieder über die Marke von 46 US-Dollar. Zeitweise wurde Nordseeöl bei 46,62 Dollar gehandelt und damit auf dem höchsten Stand seit Beginn der Coronakrise im März. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 54 Cent auf 43,60 Dollar. Hoffnung auf ein Comeback des Rohstoffes ist also da – trotz der Wahl Bidens.
Laut Eugen Weinberg, Ölfachmann der Commerzbank, könnte dies daran liegen, dass Biden zwar ins Weiße Haus einziehen wird, doch die Mehrheit im Senat den Demokraten wohl versperrt bleibe. Dadurch könnte der designierte US-Präsident nicht ohne weiteres strengere Regulierungen oder den „Green New Deal“ beschließen. Zudem können die steigenden Ölpreise mit der Aussicht auf eine schnelle Einführung wirksamer Corona-Impfstoffe erklärt werden. Bisher konnte die Corona-Pandemie nur mit strengen Einschränkungen des öffentlichen Lebens eingedämmt werden. Mittlerweile wird mit dem Beginn von Impfungen bereits im Dezember gerechnet. „Mit der absehbaren Entspannung der Covid-Lage dürfte auch eine Erholung des Ölpreises einsetzen“, heißt es dazu im aktuellen Kapitalmarktausblick der Deutschen Bank. Insgesamt dürfte sich die für 2021 erwartete Konjunkturerholung positiv auf die Nachfrage nach Treibstoffen und damit auf den Ölpreis auswirken.
Für Gold war 2020 ein Rekordjahr. Die Pandemie und die damit verbundenen Marktunsicherheiten haben den Goldpreis auf Höchststände katapultiert. Auf die Veröffentlichung der Wirtschaftsdaten aus den USA hat das Edelmetall jedoch mit einem deutlichen Preissturz reagiert. Die Unternehmensstimmung hellte sich im November trotz der hohen Infektionszahlen stark auf. Der Einkaufsmanagerindex des Forschungsunternehmens Markit stieg auf den höchsten Stand seit über fünfeinhalb Jahren. Zudem belastet die Aussicht auf einen bald verfügbaren Corona-Impfstoff den Goldkurs. Denn das Edelmetall gilt als eine Art Krisenwährung. Hellt sich die wirtschaftliche Stimmung auf, sinkt die Goldnachfrage. Mit einer markanten Abwärtskorrektur – wie nach solchen Preissprüngen üblich – rechnet die Helaba aber nicht. „Dazu tragen 2021 drei Anlagethemen bei, die zu einer stabilen Nachfrage nach Gold führen dürften: Geldpolitik, Fiskalpolitik und Dollarschwäche“, heißt es im Kapitalmarktausblick für das kommende Jahr. Mit einer baldigen Abkehr der Nullzinspolitik sei nicht zu rechnen. Außerdem würden die wachsenden Staatsverschuldungen sowie die damit einhergehenden Inflationsrisiken zunehmen und damit Gold noch attraktiver machen. Ob sich das Edelmetall auch im kommenden Jahr so großer Beliebtheit erfreuen darf, hängt wohl vor allem davon ab, wie schnell ein Corona-Impfstoff kommt und damit Einschränkungen des öffentlichen Lebens zurückgefahren werden können. Was also für die Preisentwicklung des Rohstoffes Öl gut wäre, würde hingegen auf den Kurs des Edelmetalls drücken.
Währungen als Spielball der Geldpolitik
Gegenüber dem US-Dollar hat der Euro 2020 erheblich aufgewertet. Ein Euro ist aktuell fast 1,20 US-Dollar wert. Zuletzt war das 2018 der Fall. Dabei hatte es im März noch nach dem Gegenteil ausgesehen. Im Zuge des Corona-Crashs flüchteten viele Investoren nicht nur in Gold, sondern auch in den US-Dollar als vermeintlich sicheren Hafen. Von Mai an aber wendete sich das Blatt und es wurde der Euro, der sich immer mehr als Coronakrisenwährung entpuppte. Das hatte eine Reihe von Gründen, die wohl auch im kommenden Jahr noch Bestand haben.
Zunächst einmal hatte sich die Stimmung an den Märkten wesentlich schneller aufgehellt, als erwartet. Der US-Dollar hatte sein Krisen-Momentum also schnell wieder verloren. Mit Blick auf die Wachstumsprognosen 2021, wird er es so schnell nicht wieder finden. Die Unsicherheit rund um die US-Wahl dagegen scheint beseitigt. Politisch gespalten bleiben die USA trotzdem. Die größte Volkswirtschaft der Welt wirkte jedenfalls schon einmal stabiler, als heute. Hinzu kommt der Handelskonflikt mit China, den Joe Biden aller Wahrscheinlichkeit nach weiterführen wird. Auch das dürfte den US-Dollar eher negativ beeinflussen.
Vor allem aber steht den USA wohl eine noch lockerere Geldpolitik ins Haus. „Die Strategieänderung der Fed ist ein negatives Signal für die US-Währung und dürfte den Greenback zukünftig negativ beeinflussen“, glaubt man bei der Commerzbank. Die EU hingegen könnte mit dem Wiederaufbaufonds fiskalpolitisch das Gaspedal durchdrücken und „den Euro mittelfristig stärken“. Für den Moment hängt vieles vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie ab. Aufgrund der stark steigenden Zahlen und neuer Lockdowns in Europa, geriet der Euro gegenüber dem US-Dollar zuletzt wieder etwas stärker unter Druck. Die US-Währung und auch der japanische Yen profitierten.
Bekommt Europa die Pandemie mit den aller Voraussicht nach bald zur Verfügung stehenden Impfstoffen unter Kontrolle, sprechen die sonstigen Rahmenbedingungen mehr für einer starken Euro, als für einen starken US-Dollar. Die Commerzbank änderte deshalb zuletzt ihr Votum für den Dollar von neutral auf untergewichten.
Oliver Götz, Florian Spichalsky
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