DAX – ein Crash zum Geburtstag?
Am 1. Juli 2018 wurde der DAX 30 Jahre alt. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Der Blick zurück ist schließlich einer auf eine bemerkenswert-nachhaltige Erfolgsgeschichte. Angefangen hat der Index bei 1.000 Punkten, heute steht das wichtigste deutsche Börsenbarometer bei über 12.000 Zählern. Doch anstatt Geschenken gab es zuletzt sechs Verlusttage in Folge, garniert mit einem stattlichen Minus von insgesamt 800 Punkten. So stand der runde Geburtstag im Zeichen der Gefahr eines Crashs.
Am 1. Juli 2018 wurde der DAX 30 Jahre alt. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Der Blick zurück ist schließlich einer auf eine bemerkenswert-nachhaltige Erfolgsgeschichte. Angefangen hat der Index bei 1.000 Punkten, heute steht das wichtigste deutsche Börsenbarometer bei über 12.000 Zählern. Doch anstatt Geschenken gab es zuletzt sechs Verlusttage in Folge, garniert mit einem stattlichen Minus von insgesamt 800 Punkten. So stand der runde Geburtstag im Zeichen der Gefahr eines Crashs.
Wer es in Deutschland in den Dax schafft, der gehört nicht nur zu den 30 größten und umsatzstärksten an der Frankfurter Börse gelisteten Unternehmen, er ist auch Teil eines Mega-Schaufensters der deutschen Wirtschaft, das Investoren aus aller Welt anzieht. Geschmückt wird es in der Theorie alle drei Monate neu, in der Praxis deutlich seltener. Denn auch wenn der Index Quartal um Quartal auf seine Zusammensetzung hin überprüft wird, seine „asymmetrisch ausgestalteten Regeln“ gewährten ein hohes Maß an Nachhaltigkeit, loben die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg. So schafft es ein Konzern nur dann in Deutschlands Leitindex, wenn er sowohl mit Blick auf seinen Orderbuchumsatz in den letzten zwölf Monaten als auch seine Streubesitz-Marktkapitalisierung unter den Top 30 gelistet wird und gleichzeitig ein Dax-Mitglied in mindestens einem der beiden Kriterien nicht unter die besten 35 kommt.
Wer in den Dax will, muss also alles in allem deutlich besser sein als sein schwächstes Mitglied. Kein Wunder, dass es so in der Vergangenheit nur zu wenigen Veränderungen kam. Noch immer sind 16 von 30 Gründungsmitgliedern dabei, darüber hinaus mit SAP, Munich Re und der Deutschen Telekom drei Konzerne, die dem Index bereits seit mehr als 20 Jahren angehören. Zum Vergleich: Mit General Electric verließ den Dow Jones Ende Juni sein letztes Gründungsmitglied. Allerdings existiert der amerikanische Leitindex auch schon deutlich länger. Insgesamt stehen mit Blick auf die 30-jährige Geschichte des Dax 43 Unternehmensabstiege zu Buche, davon allerdings nur 14 aufgrund von zu geringer Marktkapitalisierung. Oft genug waren Übernahmen schuld. Jüngster Absteiger war vor wenigen Monaten ProSieben.Sat1, der Kunststoffspezialist Covestro rückte nach. Für alle Abstiegskandidaten alarmierend: Mit Continental und Infineon schafften bislang nur zwei Unternehmen den Wiederaufstieg in die erste deutsche Börsenliga.
22 Jahre lang im Plus
Die Rahmenbedingungen in dieser ersten Liga waren rückblickend und zum Großteil ziemlich gute. Einschneidende Ereignisse gab es in den letzten 30 Jahren freilich genug, ob nun Asienkrise, Dotcom-Blase, Finanz- und Eurokrise oder das erfolgreiche Brexit-Votum vor zwei Jahren. Doch alles in allem ging es für das Börsenbarometer stets aufwärts. In seiner Laufbahn konnte der Dax in 22 Jahren zulegen, nur in acht kam es zu einem Punktverlust. Siebzehnmal war das Plus zweistellig, lag sechsmal sogar bei über 30 Prozent. 1997 beispielsweise, in seinem bislang besten Jahr. Am Ende schloss er mit einem Plus von 47 Prozent.
Das mit Blick auf den Kursverlauf dunkelste Kapitel erlebte der Dax fünf Jahre später. Im Rahmen der Dotcom-Krise, den Terroranschlägen vom elften September 2001 und dem sich abzeichnenden Irakkrieg ging es 2002 auf dem Chartbild um 44 Prozent gen Süden. Danach allerdings startete der Index einen Aufwärtstrend, der langfristig gesehen nicht einmal durch die Krise 2008 durchbrochen werden konnte und noch immer Bestand hat. Zuletzt standen ausgehend von 2012 sogar sechs Plusjahre in Folge zu Buche. Ein Rekord. So entwickelte sich der Dax seit 2003 auch besser als der Euro-Stoxx 50. Zeit seines Bestehens auch deutlich besser als viele alternative Anlageformen wie zum Beispiel Gold. Stieg der Preis für das Edelmetall über die letzten 30 Jahre um rund 200 Prozent, kletterte der Dax um 1.200 Prozent in die Höhe.
In 30 Jahren sechsstellig?
Ginge der Anstieg des Börsenbarometers ausgehend von den 12.917 Zählern Ende 2017 in den kommenden 30 Jahren im gleichen Tempo weiter, stünde der Dax Ende 2047 bei fast 167.000 Punkten, rechnet die LBBW vor. Eine beinahe unvorstellbar große Zahl. Bei dieser Berechnung handele es sich zugegebenermaßen um eine Spielerei, rücken die Experten die Erwartungen zurecht. Es sei darüber hinaus ziemlich sicher, dass es nicht so kommen werde. Denn der Dax habe bereits einen recht deutlichen Rückstand, müsste auf Basis der Berechnungen derzeit eigentlich bei 14.300 Punkten stehen. Dennoch zeige eine solche fiktive Extrapolation auf Basis der ersten 30 Jahre, „welches Potenzial im Dax steckt“.
Für den Moment allerdings steckt in Deutschlands Leitindex auch eine ganze Menge an Crash-Potenzial. Innerhalb der letzten zwei Wochen hat er 900 Punkte verloren, verzeichnete vergangenen Montag mit einem Minus von 2,46 Prozent darüber hinaus den größten Tagesverlust seit knapp fünf Monaten und damit den zweitgrößten des laufenden Jahres. In dem hat er nun schon ein Minus von fast fünf Prozent angehäuft, ist mit 12.259 Punkten nicht mehr weit von der psychologisch wichtigen 12.000er-Marke entfernt. Durchbricht er sie, scheinen mit Blick auf fehlende Unterstützungslinien – charttechnisch betrachtet – Verluste bis auf 10.700 Zähler möglich.
Bringen die Bären die Torte?
Endet 2018 also die Serie der „fetten“ Jahre? Gut möglich. Das noch Anfang Januar markierte Rekordhoch bei 13.559 Punkten jedenfalls rückt immer weiter in die Ferne. Und auch wenn die Kurse hoch standen und teilweise immer noch stehen, um bloße Gewinnmitnahmen dürfte es sich schon lange nicht mehr handeln. Für den Moment sind es einfach zu viele Indikatoren, die den Markt – und insbesondere den Dax – negativ beeinflussen.
Zuvorderst freilich der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelskonflikt seines Landes mit China und Europa, dem die Eskalation droht. Trump lasse nicht locker und sei scheinbar gewillt, immer noch eins draufzusetzen, stöhnte CMC Markets-Analyst Jochen Stanzl. Ab dem 6. Juli beispielsweise sollen über 1.100 chinesische Güter schrittweise mit Einfuhrzöllen in Höhe von 25 Prozent bedacht werden, was sich dort keiner einfach so gefallen lassen will. Schon gar nicht Präsident Xi Jinping, der mahnende Worte in Richtung Trump schickte: „Im Westen gibt es die Neigung, die rechte Backe hinzuhalten, wenn jemand auf die linke geschlagen hat. In unserer Kultur schlagen wir zurück“, sagte er jüngst bei einem Treffen mit CEOs verschiedener, internationaler Großkonzerne.
Und selbst im Westen ist diese westliche Neigung derzeit kaum anzutreffen. Auch die EU hat bereits Gegenzölle angekündigt. Sollte Trump darüber hinaus seine zuletzt erneut angedrohten Auto-Zölle in die Tat umsetzen, dürfte er erst recht mit Gegenwind zu rechnen haben. Ein solcher jedoch ist nur notwendige Reaktion und bei weitem keine Lösung des Problems. Trumps Zölle könnten gerade die Exportnation Deutschland hart treffen. Und das wissen freilich auch Anleger, deren Sorgen für den Moment vor allem die deutschen Automobilschwergewichte zu spüren bekommen. Ausgehend von ihren Januar-Hochs büßten die Papiere von BMW, Volkswagen und Daimler nun schon 18, 23 und 27 Prozent ein, gehören damit zu den größten Verlierern im Dax.
Der wiederum lechzt nicht nur unter der Last des Handelsstreits, sondern auch unter der der Regierungskrise in Berlin. Gemeinsam mit der neuen Regierung in Italien und dem anstehenden Brexit wird die politische Unsicherheit damit in Europa größer und größer. Dass sich darüber hinaus die Wirtschaftsstimmung in Deutschland immer weiter eintrübt, darf durchaus als weiteres fatales Signal gewertet werden. Das Ifo-Institut senkte seine BIP-Prognose für 2018 zuletzt deutlich von 2,6 auf 1,8 Prozent. Immerhin eine Differenz von 30 Prozent. Auch für 2019 sind die Experten nicht mehr so optimistisch wie noch zu Beginn des Jahres. Anstatt eines Wachstums von 2,1 Prozent rechnen sie ebenfalls nur noch mit einem von 1,8 Prozent.
Irgendwo zwischen Pessimismus und Optimismus
Der Dax kämpft derzeit also offensichtlich an sehr vielen Fronten. Dass die Umsätze und Gewinne der in ihm gelisteten Konzerne zu einem großen Teil weiter steigen dürften, hilft ihm dabei wenig. Zu präsent scheint die Gefahr einer erneuten Euro-Krise, zu deutlich schwebt die Angst vor einem globalen Handelskrieg wie ein Damoklesschwert über dem Markt. Und zu unsicher scheint die Zukunft. Steht der Dax zu hoch? Aufgebläht durch die ultralockere Geldpolitik der EZB? Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen? Was ist eigentlich mit den billionenschweren Schulden, die Staaten und Unternehmen über die letzten Jahrzehnte angehäuft haben? Oder den viel faulen Krediten, die nicht nur bei Italiens Banken als große Risikofaktoren in den Büchern stehen? Es scheint als würden diese Fragen in letzter Zeit präsenter. Und so bleibt die Stimmung unter Anlegern angespannt. Doch auch wenn zum 30-jährigen Jubiläum die Bären dem Dax die Geburtstagstorte bringen, der Blick auf die Vergangenheit macht Mut für die Zukunft. Schlechte Jahre gab es schon immer, dem langfristigen positiven Trend jedoch war das bislang egal.
Oliver Götz