Die beiden besten Aktien Deutschlands
Ausgerechnet zwei deutsche Traditionsunternehmen haben 2019 die Börse berauscht. Der Batteriehersteller Varta und die Reederei Hapag-Lloyd verblüffen ihre Aktionäre - mit besten Aussichten auch für 2020
Ausgerechnet zwei deutsche Traditionsunternehmen haben 2019 die Börse berauscht. Der Batteriehersteller Varta und die Reederei Hapag-Lloyd verblüffen ihre Aktionäre - mit besten Aussichten auch für 2020
Die Aktien von Deutschlands größter Reederei Hapag-Lloyd haben sich 2019 mehr als verdreifacht. Die Titel des Batteriehersteller Varta sind fast verfünffacht. Die Jahresbilanz der beiden Unternehmen ist nicht gut, sie ist spektakulär. Das verblüffende dabei: es handelt sich nicht um heiße Start-Ups, junge Internet- oder Biotechfirmen, sie sind keine Highflyer der wilden Fintechszene. Beide Unternehmen sind große Marken, seit Jahrzehnten bestens bekannt und machen Geschäfte in klassischen, wettbewerbsintensiven Branchen.
Reedereien hatten es 2019 eigentlich schwer. Globale Handelskonflikte, Protektionismus, Umweltauflagen und dazu eine Abschwächung der Weltkonjunktur - alles spräche gegen die Aktie von Hapag-Lloyd. Doch das Unternehmen meldet zum Jahresende: Mehr Schiffe, steigenden Umsatz und Mitarbeiterzahlen (20.000 weltweit), sprunghaft wachsender Gewinn und vor allem: einen explodierenden Börsenwert. Vor einem Jahr
kostet die Hapa-Lloyd-Aktie gut 20 Euro, heute muss man mehr als 75 Euro dafür bezahlen.
Die Zahlen für die ersten neun Monate 2019 – verglichen mit dem Vorjahreszeitraum – zeigten einen operativen Gewinn (Ebit), der um 344 Millionen Euro auf 643 Millionen Euro emporgeschnellt war. Der Nettogewinn legte von Januar bis September von 13 Millionen Euro auf 297 Millionen Euro zu.
Doch es sind nicht nur die gut laufenden Geschäfte und das clevere Management, das den Börsenhöhenflug ausgelöst hat. Bei Hapag-Lloyd rangeln Großaktionäre um Macht und Einfluß, indem sie ihre Aktienpakete aufstocken. So hat der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne seinen Anteil an Hapag-Lloyd weiter erhöht. Die Kühne Holding kaufte in den vergangenen Monaten drei Prozentpunkte zu und hält inzwischen 29,2 Prozent. Damit überholt der Unternehmer mit Konzernsitz in der Schweiz den bisher größten Anteilseigner von Hapag-Lloyd, die chilenische Reederei CSAV, die ihren Anteil zuletzt ebenfalls leicht auf 27,8 Prozent gesteigert hat.
Die Hamburger Traditionsreederei befindet sich also in einem Wettlauf zwischen den beiden Hauptaktionären um die Vormachtstellung. Beide streben wohl 30 Prozent an - und das dürfte den Aktienkurs weiter beflügeln. Kühne und CSAV sind durch einen Aktionärsvertrag miteinander verbunden, zu dem auch die Stadt Hamburg mit ihrer Beteiligung von unverändert 13,9 Prozent gehört. Zusammen kommen die drei Hauptaktionäre auf rund 71 Prozent an der weltweit fünftgrößten Containerreederei. Weitere 24,7 Prozent liegen bei den arabischen Ländern Katar und Saudi-Arabien, die ihre Reederei UASC 2017 in Hapag-Lloyd eingebracht hatten. Breit gestreut sind inzwischen nur noch rund 4,5 Prozent der Anteile. Das bedeutet: Spekulative Käufe von freien Anlegern sorgen in einem neuen Markt rasch für steigende Kurse. Und da auch die Großaktionäre weiter zukaufen, könnte der spekulative Run noch einige Wochen weiter gehen.
Analysten sind indes vorsichtig. Die Deutsche Bank rechnet für die europäischen Transportunternehmen im kommenden Jahr zwar mit einem positiven Angebot/Nachfrage-Verhältnis und stabilen Preisen. Doch für die Containerschifffahrt könnte 2020 wegen der ungewissen Entwicklung der weltweiten Handelskonflikte aber zu einem sehr volatilen Jahr werden. Zudem ist die Aktie schon stark gestiegen, so dass jeder weiterer Zukauf nun höhere Risiken birgt.
Varta gewinnt mit schwäbischen Erfindergeist
Auch Varta bewegt sich in einem heißen Marktumfeld. Kaum eine Technologie wird derzeit so hoffnungsfroh beäugt wie die Batteriebranche. Dort war es monatelang bloß ein Gerücht: Angeblich verbaut der Technologiekonzern Apple in seinen Kopfhörern „AirPods“ deutsche Batterien. In Asien lachte man darüber - die Deutschen habe man im Batteriegeschäft doch völlig erledigt. Stephan Klepp lachte nicht, er wollte es einfach wissen. Der Aktienanalyst der Commerzbank in London marschierte in einen Applestore, kaufte sich ein Paar der Kopfhörer und sägte sie kurzerhand auf. Was er entdeckte, fotografierte und verbreitete, sorgte nicht nur an den Aktienbörsen für Erstaunen. Denn im aufgesägten Ohrstöpsel steckt tatsächlich eine Lithium-Ionen-Mikrobatterie aus Deutschland. Genauer aus dem schwäbischen Ellwangen, Marke: Varta.
Seit den ersten Gerüchten um Varta und Apple steigen die Aktien des schwäbischen Traditionsunternehmern nicht nur, sie schnellen empor. Vor Jahresfrist kostete eine Varta-Aktie keine 30 Euro, heute muss man fast 120 Euro dafür bezahlen. Damit ist Varta im Jahr 2019 Deutschlands heißeste Technologieaktie geworden, und zugleich einer der erfolgreichsten Börsengänge der letzten Dekade.
Ausgerechnet Varta. Denn das Unternehmen hatte als AFA Accumulatoren-Fabrik AG eine düstere Nazivergangenheit und schrammte noch vor wenigen Jahren gleich mehrfach am Ruin vorbei. Zerschlagen, verkauft, von der Deutschen Bank mit spitzen Fingern weitergereicht, ein klassischer Sanierungsfall der alten Industrie. Gegen die Konkurrenz aus Asien wirkten die Deutschen chancenlos. Varta kannte hierzulande zwar jedes Kind von seinen Spielzeugbatterien, jeder Autofahrer aus seinem Motorraum. Varta-Batterien waren bei den ersten Nordpolexpeditionen dabei, haben die ersten U-Boote der Welt angetrieben und waren auf dem Mond. Doch in den Neunzigern brach das Autobatteriegeschäft ein, Deutschlands Produktion war zu teuer geworden für den nächsten Innovationszyklus.
Kurzum: Varta-Batterien schienen out wie deutsche Telefonzellen. Der schillernde Immobilien-Spekulant Michael Tojner aus Österreich kaufte 2007 die Mehrheit der Unternehmenstrümmer für nurmehr 30 Millionen Euro auf. Heute ist das Unternehmen mehr als vier Milliarden wert.
Denn in Ellwangen besann sich der Überlebensrest des einstigen Batterie-Imperiums auf beste schwäbische Tüftlertugenden und suchte fleißig einen neuen technologischen Vorsprung. In wiederaufladbaren Mikrobatterien wurden sie fündig. Neuartige Kleinstbatterien mit ungewöhnlich hoher Energiedichte brachten den Durchbruch. Dazu haben die Schwaben gleich eine hochautomatisierte Produktionsstraße gebaut - Lohnkosten spielen kaum mehr eine Rolle, und so wird alles wieder in Deutschland gefertigt. Nagelneue Roboter wickeln nun bis zu drei Meter Batteriefolien in winzige Gehäuse, bevor medizinische Injektionsnadeln Batterieflüssigkeit hinzufügen.
Das global boomende Mikrobatteriegeschäft macht Varta plötzlich zum neuen Weltmarktführer. Denn nicht nur Apple verbaut die Wunderbatterien aus Schwaben, alle großen Kopfhörer-Hersteller aus Asien bestellen jetzt die deutschen Zellen ebenfalls, Hörgeräteproduzenten auch. Die Fertigung muss dramatisch ausgebaut werden. Anfang Juni wurde verkündet, man werde die Jahresproduktion auf mehr als 100 Millionen Zellen steigern müssen. Nun planen sie bereits mit über 150 Millionen Zellen jährlich bis 2022.
„Wir haben uns als Technologie- und Innovationsführer einzigartige Wettbewerbsvorteile erarbeitet und wachsen daher deutlich schneller als der Markt“, frohlockt der Varta-CEO Herbert Schein. Schein ist das glatte Gegenteil des Silicon-Valley-Elon-Musk-Managers. Er ist bodenständiger Elektroingenieur und schon seit 1991 bei der immergleichen Firma. Mit Varta hat er jede Menge Tiefen tapfer durchlitten und einfach weiter geforscht und geschafft. Heute übertrifft die Leistungsfähigkeit und Energiedichte seiner Varta-Zellen die der Konkurrenz aus China und Korea um bis zu 30 Prozent, sagt Schein voller Stolz. Ganz neue Anwendungen in der Medizin werden möglich, Insulinpumpen, tragbare Injektoren und Glukose-Monitoringsysteme, aber auch das „Smart Baby Monitoring“. Ein „smart band“ am Fuß des Babys überträgt dessen Herzschlagfrequenz, Hauttemperatur und Bewegungen auf das Handy der Eltern, die dadurch immer wissen, wie es ihrem Neugeborenen geht. Und auch den Markt für „Wearables“ können die Schwaben nun erobern: Smart Watches und elektronische Armbänder, die den Blutdruck und die Herzfrequenz bei sportlicher Betätigung messen. „Das Wachstum ist explosiv“, melden Branchenexperten verblüfft.
Schon in diesem Jahr wird ein Umsatz von 330 bis 340 Millionen Euro erwartet. Der Vorsteuergewinn dürfte bei 84 und 88 Millionen Euro landen. Selbstbewußt verkünden die jahrelang geprügelten Schwaben: „Die Gesellschaft strebt in 2020 eine weltweit marktführende Position mit Lithium-Ionen-Zellen mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent an.“
Der Erfolg mit Kleinstbatterien ist zugleich eine späte Erfüllung des Markennamens. Der war nämlich ursprünglich erfunden worden, um tragbaren Auto-Akkumulatoren zu vermarkten. Er setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Vertrieb, Aufladung, Reparatur Transportabler Akkumulatoren zusammen. Transportabel war damals eine Sensation in Sachen Kleinheit. Heute ist Varta diese Traditionslinie der Miniaturisierung konsequent weiter gegangen. Als eigenes Adventsgeschenk präsentiert man der Öffentlichkeit eine neue Generation von münzartigen Minibatterien mit der weltweit höchsten Energiedichte. Die neue „CoinPower“ erreicht unter den 4 Millimeter flachen Zellen (Durchmesser 12,1 Millimeter) eine Energiedichte von 346 Wattstunden pro Liter. Die Asiaten lachen nicht mehr.
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