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Digitalisierung im Bau: Viel Potenzial, wenig Produktivität?

Trotz KI und Smart Construction bleibt der erhoffte Produktivitätsschub in der Baubranche aus – ein Gespräch über Denkfehler, digitale Potenziale und notwendige Kurswechsel. © Christoph Blepp, S&B Strategy

Ob Smart Construction, KI-Planung oder Smart Metering: Die digitale Transformation ist ein Schlüssel zur Effizienzsteigerung.

Herr Blepp, was ist Ihrer Meinung nach aktuell das größte Missverständnis rund um Digitalisierung im Bauwesen?

Dass Digitalisierung automatisch Effizienz bringt. Ohne Strategie, Integration und konkrete Mehrwertdefinition bleibt sie ein Kostenfaktor. Es reicht nicht, digitale Tools einzukaufen und dann auf Magie zu hoffen. Was fehlt, ist die gezielte Verzahnung mit Prozessen und die Antwort auf die Frage: Was bringt es dem Kunden, was bringt es dem Unternehmen?

Was läuft konkret schief bei der Einführung neuer Technologien?

Die meisten Lösungen werden isoliert eingeführt, ohne in ein übergreifendes System eingebettet zu sein. Der Kunde zahlt aber nicht für die Technologie selbst, sondern für ihre Wirkung – zum Beispiel Schnelligkeit, geringere Kosten, besseren Service. Wenn diese Wirkung ausbleibt, wird die Investition schnell zum betriebswirtschaftlichen Rohrkrepierer.

Wo sehen Sie aktuell die größten Hürden für Bauunternehmen?

Die größte Hürde ist oft kulturell: Es fehlt die Bereitschaft, Prozesse radikal neu zu denken. Viele Unternehmen arbeiten weiter wie vor zehn Jahren – nur mit neuen Tools. Digitalisierung braucht aber nicht nur Technologie, sondern auch eine andere Herangehensweise, andere Führung, andere Prozesse.

Welche strategischen Fehler machen Unternehmen bei der Auswahl digitaler Tools?

Der größte Fehler ist, dass Unternehmen oft in Silos denken. Statt die gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu haben, wird ein Tool gewählt, das nur einen Teilaspekt optimiert. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Einbindung der Nutzer. Oft wird ein digitales Tool top-down eingeführt, ohne die tatsächlichen Anforderungen und Arbeitsweisen der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Das führt zu geringer Akzeptanz und mangelnder Nutzung. Hinzu kommt, dass Unternehmen manchmal Tools wählen, die nicht skalierbar sind oder keine Schnittstellen zu bestehenden Systemen bieten. Letztlich fehlt häufig eine klare Digitalstrategie, die als Rahmen für die Auswahl von Tools dient.

Gibt es denn auch positive Beispiele aus der Praxis?

Auf jeden Fall - Einige Bauzulieferer haben bereits erfolgreich digitale Prozesse integriert. Zum Beispiel nutzen Unternehmen wie Wienerberger und Schüco intelligente Plattformen zur Vernetzung von Produktion, Vertrieb und Baustelle. Durch den Einsatz von Building Information Modeling (BIM) können Bauprozesse effizienter gestaltet werden. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Digitalisierung der Logistikprozesse bei HeidelbergCement, wodurch die Nachverfolgbarkeit und Verfügbarkeit von Rohstoffen deutlich verbessert wurden. Diese Unternehmen zeigen, dass Digitalisierung nicht nur ein Trend ist, sondern echte Mehrwerte bietet, wenn sie strategisch durchdacht ist.

Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel in der Digitalisierung?

Der Fachkräftemangel ist ein entscheidender Hemmschuh bei der Digitalisierung. Viele Unternehmen haben nicht die personellen Ressourcen, um digitale Projekte voranzutreiben. Selbst wenn die Technologie vorhanden ist, fehlen häufig qualifizierte Mitarbeitende, um die Systeme zu implementieren und zu betreuen. Dies führt oft zu halbfertigen Lösungen oder Verzögerungen bei der Einführung. Zudem hemmt die Knappheit an IT-Fachkräften die Wartung und Weiterentwicklung digitaler Lösungen. Um dem entgegenzuwirken, setzen einige Unternehmen verstärkt auf Schulungen und interne Weiterbildung. Allerdings muss klar gesagt werden, dass wir den Markt nicht aus der Nachfragesicht betrachten dürfen. Denn der limitierende Faktor wird das Personal in der Ausführung bleiben; und je enger dieses Nadelöhr wird, desto stärker schrumpft das Angebot – und das treibt die Preise in die Höhe.

Wo sehen Sie den größten Investitionsbedarf in den kommenden drei Jahren?

Die Investitionsprioritäten hängen stark von der jeweiligen Unternehmensstrategie ab, aber insgesamt sehe ich drei zentrale Felder:

Smart Construction: Hier geht es vor allem um die Automatisierung von Bauprozessen und die Integration von Robotik sowie sämtlicher Technologien, Prozesse und Maßnahmen, die den Output pro FTE auf der Baustelle erhöhen. Investitionen in diesem Bereich können langfristig die Produktivität steigern und überlegene Preise und Margen generieren.

Plattformen: Plattformbasierte Geschäftsmodelle werden immer wichtiger, um den Austausch von Daten und Services entlang der Wertschöpfungskette zu ermöglichen. Allerdings wird der Begriff „Plattform“ zunehmend inflationär verwendet. Oft gibt es kontroverse Diskussionen über die genaue Definition des Begriffs.

Energiemanagement: Mit Blick auf die Energiewende und steigende Energiepreise ist dies ein entscheidender Bereich. Digitale Lösungen zur Verbrauchsoptimierung und für Smart Metering werden massiv an Bedeutung gewinnen. Wenn ich priorisieren müsste, sehe ich derzeit die größten Chancen im Energiemanagement, da hier sowohl ökologische als auch ökonomische Zwänge den Handlungsdruck erhöhen. Jedoch spielt hier die Verfügbarkeit der erforderlichen Hardware in der Fläche eine entscheidende Rolle.

Was können kleinere Unternehmen mit begrenztem Budget tun?

Der Einstieg muss nicht teuer sein. Viele kostengünstige, cloudbasierte Tools bieten bereits erhebliche Vorteile. Entscheidend ist, die Digitalisierung in kleinen, praxisnahen Schritten anzugehen und nicht gleich ein großes Projekt zu stemmen. Open-Source-Software und flexible Mietmodelle für digitale Tools sind dabei hilfreich. Wichtig ist außerdem die Kooperation mit Partnern oder die Teilnahme an Netzwerken, um Synergien zu nutzen. Klein heißt nicht unterlegen; große Unternehmen verfangen sich oft in Bürokratie und Prozessträgheit und die Digitalisierung wird dort schnell zum Rohrkrepierer.

Und was muss sich politisch ändern?

Ein großer Hebel wäre die Verbesserung der digitalen Infrastruktur. Gerade im ländlichen Raum fehlt oft die nötige Breitbandanbindung. Zudem braucht es einheitliche Standards für den Datenaustausch, gerade im Bausektor. Darüber hinaus könnte die Förderung von Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen die digitale Kompetenz in der Branche deutlich steigern. Steuerliche Anreize für Investitionen in digitale Technologien wären ebenfalls hilfreich. Ganz zentral ist aber die Erleichterung der Bürokratie bei dieser kritischen Infrastruktur; ähnliche pragmatische Ansätze wie bei den LNG-Terminals wären hier zielführend. Solche Projekte und Planungen müssen bürokratiearm auch gegen Widerstände umgesetzt werden.

Ihr Fazit?

Digitalisierung ist kein Nice-to-have mehr, sondern ein Muss. Wer jetzt nicht investiert – in Technologie, aber auch in Kultur, Prozesse und strategische Planung – wird mittelfristig an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Branche braucht dringend mehr Tempo, mehr Mut und mehr Klarheit.

Extreme: Auch historisch ein Wendepunkt

Gleichzeitig zeigen historische Daten, dass solche Panikspitzen auch Wendepunkte markieren können. Wenn Angst und Unsicherheit ein Maximum erreichen, sind viele Anleger bereits aus dem Markt geflüchtet – ein Zustand, der mitunter den Boden für eine Stabilisierung oder gar eine Gegenbewegung bildet. Entscheidend wird nun sein, wie die politischen Entscheidungsträger auf die Situation reagieren und ob es gelingt, den eskalierenden Ton in der Handelspolitik wieder zu mäßigen.

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