Griechenland schaut auf die Bundestagswahl
Silberstreif am Horizont für Griechenland: Nach der wiederholten Prüfung der Reformfortschritte deutet vieles darauf hin, dass sich Griechenland bald wieder am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Die Modalitäten bei diesem wichtigen Schritt sowie die weitere Zukunft Griechenlands hängen allerdings nicht zuletzt vom Wahlausgang in Deutschland ab. Ein Kommentar von Maximilian Kunkel.
Silberstreif am Horizont für Griechenland: Nach der wiederholten Prüfung der Reformfortschritte deutet vieles darauf hin, dass sich Griechenland bald wieder am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Die Modalitäten bei diesem wichtigen Schritt sowie die weitere Zukunft Griechenlands hängen allerdings nicht zuletzt vom Wahlausgang in Deutschland ab.
Von Maximilian Kunkel
Griechenland darf etwas optimistischer in die Zukunft schauen. Das aktuelle Wirtschaftswachstum von einem Prozent ist das höchste innerhalb der letzten Dekade. Die Hoffnung wächst, sich vom finanziellen Tropf der EU-Partner lösen zu können. Und dennoch, für Euphorie ist es viel zu früh: Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Griechenland nach dem Ende des dritten Strukturprogramms die geforderten Reserven von 9 Mrd. Euro zur Verfügung haben wird. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass zunächst ein vom Europäischen Finanzstabilitätsmechanismus (EFSM) finanzierter Überbrückungskredit gewährt wird, unter anderem um die 2019 fällig werdenden Anleihen zurückzahlen zu können.
Zum Ende des Programms sind auch weitere Maßnahmen zur Schuldenerleichterung geplant: eine Verlängerung der Kreditlaufzeiten sowie die Umwandlung von variablen zu festen Zinssätzen. Wie nachhaltig dieser Ansatz auf lange Sicht ist, darüber lässt sich streiten. Die momentan avisierten Modalitäten sollten allerdings dazu beitragen, dass Griechenland sich wieder am europäischen Anleihemarkt etablieren kann. Der Erfolg der griechischen Anleiheemissionen ist von enormer Bedeutung und wird von mehreren Faktoren beeinflusst – darunter das weitere Wirtschaftswachstum des Landes, das Verhalten der EZB und auch der Ausgang der Wahlen in Deutschland.
„Kleine“ Koalitionen mit Folgen für Griechenland
Bei den Umfragewerten hat sich drei Wochen vor der Bundestagswahl nur wenig getan – Angela Merkel hat nach wie vor beste Chancen, ihr Amt zu behalten. Entscheidend für Griechenland ist jedoch der Koalitionspartner. Im Falle einer großen Koalition, deren Wahrscheinlichkeit UBS auf 60 Prozent schätzt, würde sich an der Griechenlandpolitik nichts ändern und es würde wie geplant zu einer relativ „weichen“ Entlassung aus dem Strukturprogramm kommen. Die Ergebnisse der kleinen Parteien sind nur schwer einzuschätzen. Gut möglich, dass es bei der FDP oder den Grünen sogar für eine Zweierkoalition mit CDU/CSU reicht, was für Griechenland nicht folgenlos bliebe.
Die FDP fordert explizit einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Ein kurzfristig unwahrscheinliches Szenario, doch bei der Schuldenentlastung und den Konditionen eines Überbrückungskredits wäre eine härtere Gangart zu erwarten. Die Grünen positionieren sich zwar pro Schuldenerlass, doch auch eine schwarzgrüne Koalition könnte die zukünftige Griechenlandpolitik in eine andere Richtung bewegen. Ein solches Regierungsbündnis käme im Parlament kaum über 50 Prozent der Sitze, der Anteil der konservativeren Kräfte innerhalb der Union hätte ergo ein höheres Gewicht. Bei einer schwarzgelben Koalition würden CSU und FDP, die beide für eine härtere Gangart gegenüber Griechenland stehen, zusammen rund ein Drittel der Sitze im Regierungslager einnehmen. Die skeptische Haltung gegenüber den Griechen würde durch die relative Stärke des konservativen Teils der CDU noch verschärft.
EZB-Anleihekaufprogramm entscheidend
Wie auch immer die künftige Regierung gegenüber der europäischen Peripherie agieren wird, die Bedeutung für Griechenland ist nur im Zusammenhang mit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ersichtlich. Die längerfristigen Prognosen für die griechische Wirtschaft gehen dabei weit auseinander. Zwar wächst die Wirtschaft und die Arbeitslosenquote könnte schon nächstes Jahr unter 20 Prozent sinken, doch gerade im Hinblick auf externe Einflüsse bleibt die wirtschaftliche Lage im Land fragil. Eine globale Rezession oder weitere Regierungswechsel in den bedeutendsten EU-Staaten könnten Griechenland schnell den Wind aus den Segeln nehmen. Die Kombination aus einer wirtschaftlichen Stagnation und einer schwarzgelben Bundesregierung dürfte es beispielsweise sehr erschweren, das Vertrauen privater Investoren zu gewinnen.
Wie sich griechische Staatsanleihen am europäischen Markt schlagen, wird außerdem von der Europäischen Zentralbank (EZB) mitbestimmt. Eine Aufnahme griechischer Bonds in das Anleihekaufprogramm der EZB würde sich zweifelsohne positiv auf die Performance griechischer Staatsanleihen auswirken. Ob dies geschieht, hängt wiederum vom Umfang der Schuldenentlastung ab. Würde die allgemeine Erwartung einer Aufnahme der griechischen Anleihen ins Kaufprogramm enttäuscht, hätte dies äußerst negative Folgen: Ein erschwerter Zugang zum Primärmarkt würde das reibungslose Auslaufen des Strukturprogramms ernsthaft gefährden.
Griechische Staatsanleihen mit Vorsicht zu genießen
Auch wenn die Grundstimmung momentan positiv ist und die erzielbare Rendite griechischer Hochzinsanleihen im aktuellen Umfeld verheißungsvoll scheinen, sind die Aussichten für Anleihen mit langer bis mittlerer Laufzeit mit viel Risiko behaftet. Die jüngere europäische Geschichte hat bereits gezeigt, dass der Schritt aus dem Schutz eines Rettungsschirms selten problemlos abläuft. Zu beachten ist auch, dass griechische Anleihen aktuell im Zuge des Strukturprogramms eine Sonderfreigabe durch die EZB erhalten. Ab nächstem Sommer müssten zulässige Anleihen entweder ein Investment Grade Rating aufweisen oder eine Sonderfreigabe im Rahmen der Konditionen für die Überbrückungszeit erhalten. Außerdem ist es fraglich, ob die griechische Regierung im Zuge anstehender Neuwahlen auf Reformkurs bleiben wird. Und die Bitte nach einem erneuten Rettungsschirm wäre für die griechische Regierung sicherlich die letzte Option – zumal dies einer innenpolitischen Bankrotterklärung gleichkäme. Aufgrund zahlloser Unsicherheitsfaktoren und der damit verbundenen hohen Risiken – darunter die Bundestagswahl – sind momentan nur kurze Laufzeiten eine Option.
Maximilian Kunkel ist Chef-Anlagestratege der UBS Deutschland.