Hilfe, was ist ein SPAC?
Vier Großbuchstaben erobern den Finanzmarkt. Sie stehen für Börsengänge leerer Unternehmensmäntel, die nach den USA nun auch hierzulande zum Hit werden könnten. Ist das Irrsinn? Oder kann man damit richtig viel Geld verdienen?
Vier Großbuchstaben erobern den Finanzmarkt. Sie stehen für Börsengänge leerer Unternehmensmäntel, die nach den USA nun auch hierzulande zum Hit werden könnten. Ist das Irrsinn? Oder kann man damit richtig viel Geld verdienen?
Eines vorweg: SPACs sind nicht neu. In Deutschland gab es den ersten Börsengang dieser Art bereits 2008. Das Unterfangen scheiterte später, was wohl mit ein Grund dafür war, dass danach nicht mehr viel in diese Richtung passierte. Der letzte deutsche SPAC liegt überdies zehn Jahre zurück.
Nun aber erfährt das Finanzprodukt seine Renaissance. In den USA ist seit längerem ein regelrechter Goldrausch darum entstanden. Bereits 2020 gab es 250 SPAC-IPOs im Wert von fast 80 Milliarden US-Dollar. 2021 sind es nach nicht einmal zwei Monaten schon halb so viele. Und jetzt schwappt der Hype nach Europa. Seit Montag mittendrin: Deutschland. Investor Klaus Hommels brachte den „Lakestar SPAC I“ an die Frankfurter Börse – mit Erfolg. Der erste Kurs lag mit 11,15 Euro deutlich über dem zunächst zugeteilten in Höhe von zehn Euro. Die Anteile waren zudem achtfach überzeichnet.
Das klingt gut. So gut, dass Nachahmer schon Schlange stehen. In New York steht Rocket Internet bereit. Ebenso wie Hellofresh-CEO Dominik Richter und Lesara-Gründer Roman Kirsch. Mit dem SPAC „Tio Tech A“, das seinen Sitz auf den Cayman-Inseln hat, wollen die beiden 250 Millionen Euro einnehmen.
Sonderbare Akronyme, Steueroasen, Boom, Hype, Goldgräberstimmung. Das wiederum klingt nicht gut und erinnert an die Exzesse am Immobilienmarkt, die 2008 in einer globalen Finanzkrise endeten. Stichwort: Asset Backed Securities, kurz ABS. Nun also SPAC. Was ist das überhaupt? Der nächste blanke Irrsinn? Oder sogar eine Chance für Privatanleger früher an Anteile vielversprechender Unternehmen zu kommen?
SPAC steht zunächst für „Special Purpose Akquisition Company“ und stellvertretend für einen leeren Unternehmensmantel, der an die Börse geht. In der Folge wird dieser peu a peu mit echten Firmen ausgefüllt. Das lässt sich verstehen. Aber wem nützt das nun? Und worin liegt der Sinn?
Man muss dazu wissen, dass es bei einem SPAC im Kern drei Interessensgruppen gibt. Die Initiatoren, die den SPAC auflegen und betreuen, die Unternehmen die in den Mantel schlüpfen und die Anteilseigner des SPAC, die Anleger also.
Initiatoren machen Kasse
Für die Initiatoren sind SPACs vor allem attraktiv, da sie selbst zunächst kein Geld aufwenden müssen. Das kommt ja von Anlegern und Investoren über die Börse. Sie verkaufen nur einen leeren Mantel und ein Versprechen, dass sie diesen für die Anteilseigner gewinnbringend füllen werden. Dafür erhalten sie meist um die 20 Prozent des Mantelwerts. Schließlich haben die Initiatoren in aller Regel zwei Jahre Zeit für ihre Suche nach einem geeigneten Unternehmen. Klappt das nicht oder sind die Aktionäre mit einer Übernahme nicht einverstanden, wird der SPAC liquidiert. Die Anteilseigner erhalten dann ihr Geld zurück. Risikoloser lässt sich kaum Geld verdienen.
Anleger kaufen Wundertüten
Bei Scheitern Geld zurück – das klingt auf den ersten Blick auch für Anleger gut. Allein, der zweite erzählt etwas anderes. Anleger bekommen nämlich nur den Ausgabewert, der häufig bei zehn Euro liegt, zurück. Ein Großteil der SPACs notiert aber über dem Ausgabewert, wie auch das Lakestar-Beispiel zeigt (11,15 Euro). Es ist also wie immer bei Wertpapieren. Wer sie zu teuer einkauft, riskiert hohe Verluste.
Zwar droht bei SPACs nicht der Totalverlust, dafür wissen Anleger aber zunächst auch nicht, was sie da überhaupt kaufen. Allein bestimmte Kriterien, wie beispielsweise die Branche, sind bekannt. Anleger sind also dazu gezwungen, den Initiatoren bei ihrer Suche nach starken Firmen blind zu vertrauen. Entsprechend weit scheint die Tür für etwaige Betrügereien offen zu stehen. Spätestens an dieser Stelle zeigt sich: SPACs sind etwas für mutige und risikobewusste Anleger, nichts für die Altersvorsorge.
Wer in einen SPAC investiert, der braucht Expertenwissen und muss in der Lage sein, Entscheidungen der Initiatoren nachzuvollziehen. Dann kann sich ein Investment durchaus lohnen. Der große Vorteil der Mantelbörsengänge schließlich besteht darin, dass Kleinanleger sich wesentlich früher an einem Unternehmen beteiligen können, als bei einem klassischen IPO, bei dem sie zunächst außen vor sind. Bei einem SPAC halten sie aber ja bereits Anteile am Mantel, in den das Unternehmen dann schlüpft und sind so von Anfang an mit an Bord. Hochspekulativ bleibt das Ganze freilich trotzdem.
Jungunternehmen profitieren
Für Unternehmen besteht der große Vorteil eines SPACs darin, dass sie wesentlich schneller an die Börse kommen. Sie sparen sich den oft schwierigen, langwierigen und teuren Weg über die Investmentbanken. Gerade vielen Start-Ups öffnet sich so der Weg aufs Parkett. Das erklärt wohl auch den jüngsten SPAC-Boom. Zuletzt drängten immer mehr junge Firmen auf den Markt und erreichten den sogenannten Einhornstatus, sprich eine Bewertung von einer Milliarde Euro. Die Zahl der bei einem SPAC potentiell in Frage kommenden Unternehmenden steigt also rasant.
Für Anleger gilt: Wachsamkeit ist das Gebot der Stunde. Leere Börsenmantel können zu leeren Händen führen.
OG
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