Kurssturz bei Aktien – kein Grund zur Panik!
Die Aktienkurse weltweit stehen unter Druck, vor allem das steigende Zinsniveau verunsichert viele Marktteilnehmer. Warum das Umfeld für Aktien jedoch insgesamt positiv bleibt, weiß Ulrich Stephan.
Die Aktienkurse weltweit stehen unter Druck, vor allem das steigende Zinsniveau verunsichert viele Marktteilnehmer. Warum das Umfeld für Aktien jedoch insgesamt positiv bleibt.
Von Ulrich Stephan
Die Aktienmärkte weltweit haben in den vergangenen Tagen zum Teil deutlich an Boden verloren: Der US-amerikanische Leitindex Dow Jones beispielsweise stürzte allein am 5. Februar 2018 um 4,6 Prozent ab und rutschte vom Jahresanfang aus betrachtet ins Minus. Der US-Volatilitätsindex VIX, der die erwartete Schwankungsbreite im Aktienindex S&P 500 beschreibt, hat mit einem Plus von 116 Prozent beziehungsweise 20 Punkten die größte Tagesbewegung überhaupt gezeigt. Zur Wochenmitte hat sich die Situation an den Börsen wieder etwas beruhigt: Die Kurse sind nicht nur in den USA wieder leicht gestiegen, während der VIX nachgegeben hat. Die Nervosität an den Märkten ist jedoch weiterhin hoch, was sich am erneuten Kurssturz an der Wall Street am 8. Februar ablesen lässt: 4,15 Prozent ging es diesmal für den Dow Jones nach unten, der Index notiert deutlich unter 24.000 Punkten. Erst zum Wochenschluss ein Silberstreif: mit einem Tagesplus von 1,3 Prozent kann der Dow Jones zumindest die 24.000er-Marke zurückerobern.
Zinsanstieg löst Verunsicherung aus
Grund für die Verunsicherung der Marktteilnehmer ist die zunehmende Sorge vor einem stärker als erwarteten Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen. Zwar lastete diese bereits seit Wochen auf den Märkten. Mit der Nachricht, dass die Stundenlöhne in den USA im Januar so stark gestiegen waren wie seit 2009 nicht mehr, bekam sie Anfang Februar jedoch neue Nahrung – was zu einem plötzlichen Abverkauf am Aktienmarkt führte. Denn die jüngsten Zahlen werfen bei vielen Investoren die Frage auf, ob die US-Notenbank Fed aufgrund der dynamischeren US-Konjunktur die Zinsen schneller und stärker anheben könnte als bisher von ihr kommuniziert. In der Folge stiegen die Leitzinserwartungen und mit ihnen die Verzinsung zehnjähriger US-Staatsanleihen bis auf 2,85 Prozent – den höchsten Stand seit fast vier Jahren. Der schnelle Anstieg in Richtung drei Prozent scheint Nervosität unter Anlegern im Hinblick auf die Aktienbewertungen auszulösen: Wenn die Anleihezinsen anziehen, verlieren die erwarteten Gewinne der Unternehmen relativ an Wert – und damit auch deren Aktien.
Aktienumfeld insgesamt weiter positiv
Trotz der jüngsten Entwicklungen sollten Anleger jedoch nicht in Panik verfallen. Die strategische Einschätzung der Deutschen Bank zum Aktienmarkt bleibt aufgrund einer Vielzahl von Gründen optimistisch. Der Konjunkturzyklus ist derzeit intakt, insbesondere in den USA wächst die Wirtschaft zurzeit solide, was aktuell gute Arbeitsmarktzahlen und der stabile ISM-Einkaufsmanagerindex eindrucksvoll belegen. In einem solch positiven Umfeld ist es nicht ungewöhnlich, dass Inflationserwartungen steigen, zumal Unternehmen aufgrund der US-Steuerreform gegebenenfalls zu weiteren Lohnsteigerungen bereit sein könnten. Dies dürfte die US-Notenbank einen restriktiveren Kurs einschlagen lassen – die von der Fed angedeuteten drei Leitzinsanhebungen im Jahr 2018 könnten daher aller Voraussicht nach nicht ausreichen. Die Deutsche Bank erwartet weiterhin vier Leitzinsschritte in diesem Jahr, was jedoch eher einer Normalisierung der Geldpolitik entsprechen würde als einer zu schnellen Anhebung.
Unternehmensgewinne: Die Berichtssaison zum 4. Quartal 2017 läuft auf Hochtouren und liefert bisher solide Ergebnisse, welche die Aktienmärkte unterstützen dürften. In den USA, Japan und Europa ergibt sich aktuell jeweils ein prozentual zweistelliges Gewinnwachstum. Im S&P 500 hat fast die Hälfte der Unternehmen bisher ihre Zahlen veröffentlicht und 82 Prozent davon haben die Gewinnerwartungen der Analysten übertroffen – das ist der höchste Wert in einem Quartal seit 2007. Nach solch guten Ergebnissen ist es keine Seltenheit, dass Analysten ihre Unternehmensgewinnschätzungen für das Gesamtjahr nach oben korrigieren.
US-Steuerreform: Die größte Steuerreform seit Ronald Reagan dürfte bei vielen Unternehmen die Gewinne zusätzlich steigen lassen. Denn die Körperschaftsteuer – also der Steuersatz auf Unternehmenseinkommen – wurde von 35 auf 21 Prozent reduziert. Entsprechend können seitens der US-Unternehmen voraussichtlich mehr Gewinne investiert oder ausgeschüttet werden – etwa in Form von Dividenden, Aktienrückkäufen und Unternehmensübernahmen.
Bewertungen: Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Gewinne der vergangenen 12 Monate liegt im S&P 500 mit rund 21 auf dem höchsten Niveau seit 2002. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Gewinnerwartungen dürfte das „Forward- KGV“ – also das auf den prognostizierten Gewinnen der kommenden 12 Monate basierende KGV – mit 17,3 ein besseres Maß für die aktuelle Marktlage darstellen.
Risiken bleiben bestehen: aktives Management ratsam
Insgesamt geht die Deutsche Bank für das Jahr 2018 daher nach wie vor von einem insgesamt positiven Aktienjahr aus – wobei der Verlauf der Aktienmarktentwicklung spürbar schwankungsintensiver werden sollte als im sehr ruhigen Anlagejahr 2017. Das Hauptrisiko bleibt, dass die Inflationserwartungen und damit die Zinsen noch stärker und schneller steigen, als es derzeit vom Markt erwartet wird. Ein aktives Management des Portfolios ist für Anleger daher das Gebot der Stunde. Denn historisch gesehen sind Korrekturen von 10 bis 15 Prozent nichts Ungewöhnliches. Eine durchschnittliche Korrektur dauert dabei rund vier Monate und eine Erholung bis zu vorherigen Kursständen weitere vier Monate.
Trotzdem ergeben sich durch die aktuellen Marktbewegungen noch nicht zwangsläufig Kaufgelegenheiten. Zwar geht die Deutsche Bank davon aus, dass die wichtigsten Aktienindizes am Jahresende höher stehen werden als heute, und hält an ihren Kurszielen für die Aktienmärkte in den USA (S&P 500: 3.000 Punkte) und Deutschland (DAX: 14.100 Punkte) fest. Anleger sollten jedoch wegen der erwarteten höheren Schwankungsbreite an den Kapitalmärkten über eine temporäre Risikoreduktion in ihrem Portfolio nachdenken. Insbesondere Bewegungen am Zinsmarkt sowie die Kommunikation und Umsetzung der Geldpolitik seitens der Notenbanken sollten zudem genau beobachtet werden.
Dr. Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.