Marktbarometer: Paris sonnenköniglich – London mit Sturmrisiko
Die Wahlen in Frankreich laufen in eine eindeutige Richtung, die Finanzmärkte dürften das bald spiegeln. Ganz anders die Lage in London! Kommt die DUP ins Regierungsboot und toleriert sie die Tories nur? Die Wackelpartie nach dem misslungenen May-Macht-Poker bietet enorme Risiken, aber auch Chancen. Die Schroders-Experten Azad Zangana, Alix Stewart und David Docherty beleuchten die Folgen für die Wirtschaft und die britischen und von Großbritannien abhängigen Märkte.
Die Wahlen in Frankreich laufen in eine eindeutige Richtung, die Finanzmärkte dürften das bald spiegeln. Ganz anders die Lage in London! Kommt die DUP ins Regierungsboot und toleriert sie die Tories nur? Die Wackelpartie nach dem misslungenen May-Macht-Poker bietet enorme Risiken, aber auch Chancen. Die Schroders-Experten Azad Zangana, Alix Stewart und David Docherty beleuchten die Folgen für die Wirtschaft und die britischen und von Großbritannien abhängigen Märkte.
David Docherty, Fondsmanager für britische Aktien bei Schroders, beleuchtet die Sicht der Aktienmärkte. Unternehmen, die Gewinne im Ausland erzielen, würden möglicherweise von der Pfund-Schwäche profitieren, meint er: „Selbst wenn es der konservativen Partei gelingt, eine Regierung zu bilden, ist Theresa Mays Autorität und ihre Fähigkeit, über den Brexit zu verhandeln, durch das Wahlergebnis erheblich geschwächt.” Welche Unternehmen im FTSE dürften zu den Gewinnern und welche zu den Verlierern zählen? Hier fällt Dochertys Antwort differenziert aus: „Zunächst dürfte es bei britischen Aktien eine Flucht in sichere Papiere geben, da die Anleger robuste Unternehmen bevorzugen werden, die Gewinne im Ausland erwirtschaften. Stark konjunkturabhängige, heimische Konsumgüterunternehmen wie Einzelhändler mit breitem Sortiment könnten unter einem schwächer werdenden Pfund zu leiden haben. Denn Wechselkursveränderungen wirken sich auf ihre Margen und die real verfügbaren Einkommen ihrer Kunden aus. Andere inländische Finanztitel wie Aktien von Banken, Wohnungsbau- und sonstigen Immobilienunternehmen könnten ebenfalls nachgeben.”
Brexit, Steuern und Wiederverstaatlichung?
„Längerfristig ist eine Erholung des Pfunds möglich, falls der Markt eine geringere Wahrscheinlichkeit wahrnimmt, dass es tatsächlich zum Brexit kommen wird. Auch das Wachstum könnte sich wieder besser entwickeln, weil sich die Oppositionsparteien für höhere öffentliche Ausgaben einsetzen. Da die Labour-Partei jetzt der Macht nähergekommen ist, werden die Anleger zunächst versuchen abzuschätzen, wie sich die in ihrem Wahlprogramm vorgesehenen höheren Steuern und eine deutlich stärkere staatliche Intervention (einschließlich der Verstaatlichung von Betrieben) auf die Unternehmen auswirken werden. Auch wenn diese politischen Ereignisse Anlass für hitzige Diskussionen sein werden, werden Anleger sie im Zusammenhang mit anderen Faktoren betrachten. Hierzu gehören die allgemeine Weltwirtschaftslage, das Bewertungsniveau britischer Aktien und Überlegungen zu einer Aktienauswahl nach der Bottom-up-Methode.”
Azad Zangana, Senior-Volkswirt Europa bei Schroders, stellt fest, dass die Premierministerin aus Sicht der Wirtschaft einen Niedergang von ihrer Krönung zum Wettstreit und zur Kapitulation gemacht hat: „Das ist ein verheerendes Ergebnis für Großbritanniens konservative Partei, die sich Fragen über die Zukunft von Theresa May als Premierministerin stellen muss. Als größte Partei nach den Wahlen werden die Konservativen wahrscheinlich mit einer Minderheitsregierung an der Macht bleiben und sich auf die Zuversicht und die Stimmen freundlich gesinnter Oppositionsmitglieder im Parlament stützen. Das bedeutet eine weniger stabile Regierung, die selbst bei einfachen Gesetzesänderungen gezwungen sein wird, Zugeständnisse zu machen und einen Konsens herzustellen.”
Was das Wahlergebnis für Märkte und Wirtschaft bedeutet
„Was die Wirtschaft angeht, werden Privathaushalte und Unternehmen über die zunehmende politische Unsicherheit besorgt sein. Allerdings bedeuten die schwierigen Mehrheitsverhältnisse in Westminster auch, dass es weniger Änderungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik geben wird. Dennoch erwarten wir einen Rückgang der Haushaltsausgaben und Unternehmensinvestitionen, wodurch sich die derzeitige Wachstumsverlangsamung verschärfen wird.” Auswirkungen erwartet er auf den Kurs des Britischen Pfunds und die Geldpolitik der britischen Notenbank: „Das Pfund hat weniger stark abgewertet, als dies angesichts der Pattsituation im Parlament zu erwarten war. Allerdings wird der niedrigere Wechselkurs der britischen Währung die Inflation etwas stärker erhöhen als zuvor prognostiziert, was sich wiederum leicht negativ auf die Haushaltsausgaben auswirken wird. Die britische Notenbank wird ihre Geldpolitik auf kurze Sicht wahrscheinlich nicht verändern, den Märkten aber versichern, dass sie bereit ist zu handeln, wenn es zu finanzieller Instabilität kommen sollte. Mittelfristig besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine Minderheitsregierung der konservativen Partei sich möglicherweise nicht länger als ein Jahr halten können wird. Sie dürfte Probleme haben, Gesetze im Finanzbereich zu verabschieden.“
Wie geht es mit dem Brexit weiter?
„Was den Brexit betrifft, ist die Verhandlungsposition Großbritanniens ernsthaft beschädigt. Ohne ein starkes Mandat auf britischer Seite kann Europa die Forderungen Großbritanniens ignorieren. Selbst die Ankündigung, die Verhandlungen gegebenfalls abzubrechen, erscheint jetzt als leere Drohung, für die es in der britischen Öffentlichkeit keine Unterstützung gibt.”
Alix Stewart, Fondsmanager im Rentenbereich bei Schroders, beobachtet die Reaktion der Rentenmärkte. Aus seiner Sicht wird dort eine Inflationszunahme erwartet: „Ein Risiko, das aus dem britischen Wahlergebnis resultiert, ist, dass die Preise stärker steigen dürften, als zuvor erwartet worden war. Dies wird wahrscheinlich die Folge höherer Staatsausgaben in Verbindung mit einem schwächeren Pfund sein.“
Wackelige Aussichten für Anleihen
„Der Ausblick für britische Staatsanleihen ist unsicherer geworden. Allerdings dürfte es zumindest anfänglich zu einer Verkaufswelle kommen, da die Anleger für diese Papiere höhere Renditen verlangen werden. Das liegt an der zu erwartenden Inflationszunahme sowie daran, dass höhere Staatsausgaben eine stärkere Mittelaufnahme an den Anleihemärkten erfordern. Längerfristig sollten sich britische Staatsanleihen jedoch in den politischen Turbulenzen, die bereits im Vorfeld der Brexit-Verhandlungen ausgelöst worden sind, weiterhin gut behaupten.”
Ein vorläufiges Fazit
Das Signal, das die für Theresa May de facto verlorene Wahl nach brüssel sendet, ist fatal und birgt viele Risiken für die Finanz- und Aktienmärkte, über die zu berichten sein wird. Innenpolitisch ist die Lage für die glücklose May indes weniger verzweifelt, als das aus kontinentaler Sicht erscheinen könnte. Die britischen Aktienmärkte könnten die kommenden Turbulenzen sogar halbwegs brauchbar überstehen. Da das britische Pfund mit Verlusten auf den Wahlausgang reagiert, können vor allem Aktien von exportorientierten Unternehmen zulegen, die von einer Schwäche der Inselwährung profitieren. So fanden sich zm Wochenende Aktien des Verpackungskonzerns Smurfit Kappa mit einem Plus von 5,03 Prozent an der Spitze des FTSE. Die Deutsche Bank empfiehlt derzeit Aktien starker britischer Konzerne mit Weltmarktbezug und nennt konkret BP, Shell, Rio Tinto, Shire, Unilever, Vodafone und Halma als Gewinner der Pfund-Schwäche. Auch Minenwerte wie BHP und Fresnillo sind plötzlich stark im Fokus der Anleger.
Es bedarf einer guten Portion des Mutes zum Risiko, derzeit in britische Aktien zu investieren. Die Wette könnte indes aufgehen.