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Am Montag entsteht die gefährlichste Bank der Welt: „Das ist doch Irrsinn“

Die Schweizer Großbank UBS bringt die Notübernahme der Credit Suisse unter Dach und Fach. Damit entsteht ein Bankkoloss, dessen Bilanzsumme zweieinhalb Mal größer ist als die Wirtschaftskraft der Schweiz. Geht das schief, muss einer als erstes helfen: Deutschland. Die Beteiligten sind schon jetzt beunruhigt.

(Bild: picture alliance)

Die Schweizer Großbank UBS bringt die Notübernahme der Credit Suisse unter Dach und Fach. Damit entsteht ein Bankkoloss, dessen Bilanzsumme zweieinhalb Mal größer ist als die Wirtschaftskraft der Schweiz. Geht das schief, muss einer als erstes helfen: Deutschland. Die Beteiligten sind schon jetzt beunruhigt.

Am 12. Juni entsteht die gefährlichste Bank der Welt. Sie sitzt gleich um die Ecke in Zürich. Noch heikler aus deutscher Sicht: Einen großen Teil ihres Geschäftes steuert sie nicht von da aus, sondern direkt aus Frankfurt. Die Rede ist von der UBS. Die Schweizer Großbank hat sich jüngst die Konkurrentin Credit Suisse einverleibt. Der Deal soll am Montag formal abgeschlossen werden. Die Bank verwaltet dann eine Bilanzsumme von rund 1,6 Billionen Schweizer Franken, was etwa der gleichen Summe in Euro entspricht. Damit ist sie im weltweiten Vergleich zwar keine Riesennummer, im Vergleich zur Größe des Landes und dessen Bruttoinlandsprodukt ist sie aber die Nummer eins: Sie übertrifft das BIP der Schweiz um das Zweieinhalbfache. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank, größtes Geldhaus hierzulande, kommt auf eine ähnlich hohe Bilanzsumme, die allerdings „nur“ etwa einem Drittel des deutschen BIP entspricht. Bankenriesen, wie etwa die Bank of China oder die US-Bank JP. Morgan haben wegen der Größe ihres Landes nur eine vergleichsweise kleine Bedeutung für die Volkswirtschaft ihres Herkunftslandes.

Die Kennzahl „Bilanzsumme im Vergleich zum BIP“ ist unter Bankaufsehern entscheidend, weil sie Auskunft darüber gibt, ob eine Bank vom eigenen Land aufgefangen werden kann, wenn sie in eine Schieflage gerät. Die Schweiz wäre dazu seit der Fusion der UBS mit ihrer Konkurrentin nicht mehr in der Lage.

Die Folge: Andere Länder und Institutionen müssten eingreifen. Im Fall der UBS ginge dabei der erste Anruf nach Frankfurt, wo Europäische Zentralbank und Deutsche Bundesbank ihren Sitz haben. Nach Informationen des WirtshaftsKuriers aus Schweizer Finanzkreisen ist deswegen die Abstimmung schon jetzt besonders eng. So war die UBS während jenes Wochenendes im März, als der Deal mit der strauchelnden Credit Suisse in aller Eile ausgehandelt werden musste, in ständigem Kontakt mit amerikanischen, aber vor allem auch deutschen Notenbankern. Die Deutschen waren vor allem deswegen alarmiert, weil die UBS ihr Europageschäft von Frankfurt aus führt. Als Folge des Brexits hatte der Standort Frankfurt für die UBS an Bedeutung gewonnen. Hier sind die Geschäfte aus acht Ländern gebündelt: Deutschland, Italien, Luxemburg, Österreich, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Spanien.
 
Die UBS ist damit das herausragendste Beispiel für ein Problem, das mit der Finanzkrise vor 15 Jahren sichtbar geworden war. Es nennt sich „to big to fail“ und beschreibt, dass eine Bank, statt in die Insolvenz zu gehen, besser staatlich gerettet wird, weil ansonsten die Folgeschäden teurer würden, als alles andere. Vor allem die Großbanken in Europa haben dieses Problem:  Die spanische Banco Santander käme auf 127 Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung. Auf den ersten sechs Plätzen einer entsprechenden „Gefahrenliste“, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet hat, stehen ausschließlich europäische Banken. Ihre Bilanzsummen – vereinfacht gesagt sind das die zusammengezählten Kredite, Guthaben und Vermögenswerte – sind stets größer, als die Wirtschaftsleistung ihres Landes.  

Alle Bemühungen das Größe-Problem zu beherrschen, sind fehlgeschlagen. So hatten die Bankenaufseher nach der Finanzkrise vor 15 Jahren gefordert den Kapitalpuffer zu erhöhen, also das eigene Kapital zu erhöhen, was die Banken auch gemacht haben. Nur erhöhte sich gleichzeitig eben auch die Bilanzsumme. Auch sollten Banken ihr eigenes „Testament“ schreiben, also eine Art Plan, wie sie abgewickelt werden könnten. Auch das passierte, nur waren es eben Planspiele, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatten, wie die Notübernahme der Credit Suisse zeigte. „Im Nachgang zur Finanzkrise wurden insbesondere ein Abwicklungsregime und Kapitalpuffer für systemrelevante Banken geschaffen, um das „to big to fail-Problem“ zu adressieren“, stellt die Bundesbank auf Anfrage fest. Zum Fall UBS will sie sich nicht äußern: „Die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen in der Schweiz obliegt den dortigen Behörden.“ Und die haben dem Deal zugestimmt.

Anders sieht das Dorothea Schäfer vom Institut für Wirtschaftsforschung: „Solche großen Finanzinstitute lassen sich im Fall einer schweren Schieflage nicht mehr nur mit Privatkapital retten", sagt Schäfer. Es sei klar, dass der Staat bei diesen Großbanken als Anteilseigner mit Steuergeldern einsteigen müsse. Und Gerhard Schick, Chef der Bürgerbewegung Finanzwende, die das Gebaren der Banken in Europa kritisch begleitet, bringt es so auf den Punkt: „In der Schweiz wurde eine systemrelevante Bank von einer anderen systemrelevanten Bank übernommen, das Ergebnis ist eine Megabank. Bei einer massiven Schieflage dieser neuen Großbank gäbe es weltweite Turbulenzen und für die Schweiz eine kaum zu stemmende Herausforderung.“ Die Schweiz stieße bei einer Rettung an ihre Grenzen. Schick erinnert: „Die Versprechen in der Finanzkrise waren andere: Eigentlich sollten wir längst soweit sein, dass Staaten erst gar nicht bei einer Schieflage mit unserem Geld eingreifen müssen, weil Institute pleitegehen und abgewickelt werden können.“ Stattdessen zeigten die Daten, dass vielleicht einzelne Staaten mit der Rettung einer Bank überfordert wären. „Das ist doch ein Irrsinn.“

Oliver Stock

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