Positiver Biden-Faktor – Nahezu die beste aller Börsenwelten
Hinter den positiven Nachrichten zur Impfstoff-Forschung gegen Covid-19 ist die US-Wahl zwar etwas in den Schatten gedrängt worden, aber auf die Finanzmärkte dürfte der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden und die Politik in den USA in den nächsten vier Jahren mindestens genauso viel Einfluss haben wie der Fortgang der Corona-Pandemie.
Hinter den positiven Nachrichten zur Impfstoff-Forschung gegen Covid-19 ist die US-Wahl zwar etwas in den Schatten gedrängt worden, aber auf die Finanzmärkte dürfte der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden und die Politik in den USA in den nächsten vier Jahren mindestens genauso viel Einfluss haben wie der Fortgang der Corona-Pandemie.
Von Konstantin Oldenburger, Marktanalyst CMC Markets
Noch immer sind zwar eine Woche nach der Wahl nicht alle Stimmen ausgezählt, dennoch bereitet der designierte US-Präsident Biden seinen Wechsel ins Weiße Haus vor und will den Kurs für bedeutende politische Veränderungen neu vorleben und vorgeben. Der amtierende Präsident Trump gibt unterdessen das Rennen um das Weiße Haus noch nicht auf. Er hat in mehreren Bundesstaaten Klagen eingereicht, um die Stimmenauszählung anzufechten. Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass selbst eine erfolgreiche Klage die Ergebnisse eines Bundesstaates oder gar das gesamte Wahlergebnis umdrehen kann.
Auch deshalb preisen die weltweiten Börsenmärkte mehr und mehr eine demokratische Präsidentschaft für die nächsten vier Jahre ein. Es ist davon auszugehen, dass Biden bereits mit seinen ersten Amtshandlungen im Januar einige Initiativen seines Vorgängers umkehren wird. Per Dekret sollen die USA wieder ins Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation eintreten.
Favoritenwechsel an der Börse
Für Anleger war das Börsenjahr 2020 auch schon ohne die Wahl in den USA ein wahres Auf und Ab. Die Corona-Pandemie sorgte in vielen klassischen Industrien für eine Depression. Auf der anderen Seite hat sich die Digitalisierung durch die Einschränkungen unseres sozialen Miteinanders beschleunigt und an der Börse zu einer noch stärkeren Outperformance von Technologieunternehmen gegenüber der Old Economy geführt. Auf die Nachricht über große Fortschritte bei der Impfstoff-Entwicklung und die damit verbundene Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität reagierten die Investoren entsprechend mit Anpassungen in ihren Portfolios, raus aus den Technologiewerten als Pandemie-Gewinner wieder rein in die Verlierer der Old Economy.
Gleichzeitig müssen die Märkte den Machtwechsel im Weißen Haus verarbeiten. Und hier wurden in den vergangenen Tagen bereits viele Vorschusslorbeeren verteilt. Trotz einer hohen Unsicherheit über den Wahlausgang legten die weltweiten Börsen im Schlepptau einer haussierenden Wall Street zu. Und es gibt einige Gründe, dass diese Entwicklung in den kommenden Wochen und Monaten so weitergehen könnte.
Entspannung im Welthandel ist angesagt
So dürfte sich eine potenzielle Entspannung in den Beziehungen zwischen den USA und China langfristig positiv auf das Weltwirtschaftswachstum und damit auch die Aktienkurse auswirken. Im Gegensatz zu Donald Trump, über den chinesische Politiker vor seinem Amtsantritt nur wenig wussten, ist Joe Biden in Peking gut bekannt. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass die Beziehung zwischen den Weltmächten, die sich in den vergangenen vier Jahren grundlegend verändert hat, schnell wieder in Ordnung gebracht werden kann und wird. Das Reich der Mitte ist mittlerweile ein Land geworden, das die USA nicht so ohne Weiteres unterdrücken oder destabilisieren können. Eine wieder stärkere Zusammenarbeit mit China ist und bleibt die beste Option für die USA, auch um ihre nationalen Interessen zu verwirklichen.
Mit Biden im Weißen Haus dürfte eine von den Demokraten geführte Regierung auch neue fiskalpolitische Anreize zur Unterstützung der US-Wirtschaft setzen. Der Umfang dieser Stimuli allerdings wird von der endgültigen Zusammensetzung des Kongresses abhängen. In einem Szenario eines von den Republikanern kontrollierten Senats sollte das am Ende verabschiedete Paket deutlich kleiner als die 2,2-Billionen-Dollar-Version der Demokraten ausfallen.
Gespaltener Kongress und Hand in Hand mit der Notenbank
Aber in einem geteilten Kongress liegt auch der Charme für die Börsen. Es besteht in diesem Fall ein geringeres Risiko, dass die Demokraten einige unternehmenskritische Projekte ihrer politischen Agenda umsetzen, darunter die Anhebung der Körperschaftssteuer und strengere Regulierungsvorschriften. Präsident Biden dürfte in Handelsfragen eher einen multilateralen Ansatz verfolgen, der dazu beitragen kann, die wirtschaftliche Unsicherheit und Marktvolatilität zu verringern. Und für den Fall, dass die Fiskalpolitik zu kurz greift, könnte die US-Notenbank dies am Ende durch aggressivere geldpolitische Stimuli ausgleichen und einmal mehr zum entscheidenden Akteur an den Finanzmärkten werden.