„Sell in May and Go Away“ – oder besser doch nicht?
Viele Anleger sind mit der vermeintlichen Börsenweisheit vertraut: „Sell in May and Go Away – but remember to come back in September“. Doch wie verlässlich ist diese Strategie des Verkaufs oder der Reduktion von Aktien im Mai mit dem anschließenden Wiedereinstieg im September? Profitieren Anleger wirklich davon, sich strikt daran zu halten, oder existieren Alternativen? Und wie sieht die Situation im aktuellen Jahr 2023 aus?
Viele Anleger sind mit der vermeintlichen Börsenweisheit vertraut: „Sell in May and Go Away – but remember to come back in September“. Doch wie verlässlich ist diese Strategie des Verkaufs oder der Reduktion von Aktien im Mai mit dem anschließenden Wiedereinstieg im September? Profitieren Anleger wirklich davon, sich strikt daran zu halten, oder existieren Alternativen? Und wie sieht die Situation im aktuellen Jahr 2023 aus?
Eine Analyse von Vontobel
Eine Studie der Bank of America zeigt, dass der S&P 500® seit dem Jahr 1928 die tiefste durchschnittliche und Medianrendite von Mai bis Oktober erzielt im Vergleich zu jeder anderen beliebigen 6-Monats-Periode desselben Jahres. Aus diesem Grund und weil die Kursperformance bisher ansehnlich war (der S&P 500® legte seit Jahresbeginn 2023 knapp 7 Prozent zu), fragen sich gewisse Anleger auch in diesem Jahr wieder: „Sell in May?“.
Der Grundgedanke, der diese „Börsenweisheit“ beinhaltet, ist die Idee, Aktien im Mai zu verkaufen und das dadurch freigewordene Cash über den Sommer hinweg auf der Seitenlinie zu parken, um dann ab Herbst wieder Zukäufe zu tätigen, wenn die Performance historisch gesehen wieder zunimmt. Aber kann diese Methode auch in der aktuellen herausfordernden wirtschaftlichen Phase zutreffend sein?
Die Ergebnisse der Studie widersprechen einem grundsätzlichen Verkauf von Aktien im Mai, da die Renditen der Aktien historisch gesehen auch in der ruhigeren Börsenphase positiv ausfielen, wenn auch deutlich geringer. So ist der S&P 500® beispielsweise in 65 Prozent der Fälle auch in dem schwächsten 6-Monats-Zeitraum von Mai bis Oktober gestiegen. Aber wie so häufig an den Finanzmärkten gilt, dass die vergangene Performance kein zuverlässiger Indikator für die zukünftige Performance ist.
Unter Experten herrscht dementsprechend auch kein Konsens darüber, warum die Performance von Mai bis Oktober als schwächer zu bezeichnen ist. Die Theorien reichen von Händlern, die schlicht in den Ferien verweilen, bis hin zu geschichtlichen Begründungsansätzen. Heutzutage jedoch vertreten Experten mehrheitlich die Auffassung, dass die meisten langfristig orientierten Anleger diese vermeintliche „Börsenweisheit“ nicht zu berücksichtigen brauchen. Schaut man sich als Beispiel die Performance im Jahr 2020 und 2021 an, hätten Anleger Ertragseinbußen hinnehmen müssen, wenn sie der Philosophie „Sell in May“ unmittelbar gefolgt wären. So hat der S&P 500® von Mai bis Oktober 2020 nämlich mehr als 12 Prozent zugelegt, während es im Jahr 2021 immerhin noch ganze 10 Prozent gewesen sind.
Erfahrungsgemäß spielt bei der Frage „Sell in May“ auch noch eine weitere Komponente mit rein – das sogenannte „Market Timing. Anleger“ wissen, es ist schwierig genug, den Markt korrekt zu timen, um mögliche Kurstaucher („Dips“) zu vermeiden. Aber als wäre das Verkaufen, bevor die Preise fallen, nicht schon schwierig genug, erfordert der zweite Teil der Weisheit ein „Comeback in September“ und damit müssten Anleger ebenfalls noch den richtigen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg treffen. Beim Versuch, Market Timing zu betreiben, kommt es daher häufig vor, dass Renditepotenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird. So zeigt die Studie der Bank of America weiter, dass wenn Anleger von Mai bis Oktober investiert geblieben wären, sie zwar eine schwächere Phase durchlaufen, allerdings immer noch positive Renditen erwirtschaftet hätten im Vergleich zu reinen Cash-Holdings.
Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld kommt im Jahr 2023 erschwerend hinzu
Angesichts der besonderen Herausforderungen, denen sich die Weltwirtschaft aktuell gegenübersieht – darunter Rezessionsängste, der anhaltende Ukraine-Krieg sowie die drohende Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten – könnte das Konzept des „Sell in May“ für Anleger in diesem Jahr besonders attraktiv erscheinen. Es ist jedoch wichtig zu bedenken, dass mit größeren Verkäufen häufig auch bedeutende Transaktionskosten und mögliche steuerliche Folgen verbunden sind.
Die aktuelle geldpolitische Strategie der Zentralbanken ist stark geprägt vom Zinsanhebungszyklus. Die höheren Zinsen, die für Sparer erfreulich sind, stellen zugleich eine Herausforderung für einige Schuldner dar. Die Zinskosten für Kredite sind sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen spürbar gestiegen, was wiederum einen deutlichen Effekt auf die Wirtschaftsaktivität hat.
Höhere Zinsen wirken sich auch auf die Bewertungen verschiedener Anlageklassen, wie Aktien und Obligationen, aus. So haben insbesondere Wachstumsaktien eine breit angelegte Kurskorrektur erlebt. Bei den Anleihen sinkt der heutige Wert (Barwert), da die Zinszahlungen mit einem höheren Zinssatz diskontiert werden müssen.
Welche Anlagemöglichkeiten bleiben Anlegern also noch?
Der Klassiker unter den strukturierten Produkten, die Aktienanleihe mit Barriere, spielt seine Stärken besonders in schwächeren Phasen an der Börse (Seitwärtsmarkt) aus. Sofern der Referenzpreis des Basiswerts während des Beobachtungszeitraums nicht unterhalb der Barriere, welche in jedem Fall niedriger als der Basispreis ist, liegt, erhalten Anleger zusätzlich zu dem jeweiligen Zinssatz den Nennbetrag. Aktienanleihen mit Barriere bieten somit die Möglichkeit, sowohl in seitwärts tendierenden sowie in leicht fallenden Märkten positive Renditen zu erwirtschaften. Eine mögliche Umsetzung gelingt beispielsweise mit kurzläufigen Aktienanleihen, mit einer Laufzeit von einem bis eineinhalb Jahren. Enstprechend ist das investierte Kapital in dem Produkt über einen überschaubaren Zeitraum gebunden.