Trotz Machtwechsel: keine italienischen Verhältnisse in Spanien
Dem spanischen Oppositionsführer Pedro Sánchez ist es gelungen, eine Mehrheit gegen den bisherigen Amtsinhaber Mariano Rajoy zu organisieren. Anlass war eine Korruptionsaffäre in der Partei des nun abgewählten Amtsinhabers, der Grund für das Misstrauensvotum ist aber der Ehrgeiz Sanchez'. Doch Spanien ist nicht Italien. Warum in dieser Lage keine dramatischen Folgen für Spaniens Wirtschaft zu erwarten sind weiß Julien-Pierre Nouen, Chef-Wirtschaftsstratege des Vermögensverwalters Lazard Frères Gestion.
Dem spanischen Oppositionsführer Pedro Sánchez ist es gelungen, eine Mehrheit gegen den bisherigen Amtsinhaber Mariano Rajoy zu organisieren. Anlass war eine Korruptionsaffäre in der Partei des nun abgewählten Amtsinhabers, der Grund für das Misstrauensvotum ist aber der Ehrgeiz Sanchez'. Warum in dieser Lage trotzdem keine italienischen Verhältnisse für Spaniens Wirtschaft zu erwarten sind.
Von Julien-Pierre Nouen
Die Situation in Spanien unterscheidet sich grundlegend von der in Italien. Das makroökonomische Umfeld ist in Spanien viel besser: Das Vertrauen in die Wirtschaft ist immer noch sehr hoch, es steht im Einklang mit einem starken Wachstum von etwa 3,0 Prozent, und die Arbeitslosenquote sinkt rapide. Deshalb wird unserer Meinung nach der Misstrauensantrag gegen den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy nicht zu einer politischen Krise führen. Es wäre viel mehr nötig, um die gute wirtschaftliche Dynamik Spaniens zu stören, zumal das Land keine dringenden Probleme hat, die eine Regierung lösen müsste.
Wir glauben, dass die Veränderung des spanischen Länderrisikos stärker von den Geschehnissen in Italien als von nationalen politischen Ereignissen beeinflusst wird. Tatsächlich dürfte das spanische Haushaltsdefizit im Jahr 2018 2,5 Prozent erreichen, und zugleich verbessert sich das Verhältnis von Staatsverschuldung und Bruttoinlandsprodukt. Sofern das spanische Wirtschaftswachstum auf dem derzeitigen Niveau bleibt, dürfte sich deshalb auch das Risikoeinordnung spanischer Staatsanleihen verbessern.
Zudem hat das spanische Parlament erst letzte Woche den von Rajoy eingebrachten, soliden Haushalt verabschiedet, was den Sozialisten Sánchez daran hindern dürfte, wirtschaftlichen Schaden anzurichten (Anm. d. Red.).
Sollte es zu vorgezogenen Wahlen kommen, könnte, letzten Umfragen zufolge, die pro-europäische Partei Ciudadanos als Siegerin daraus hervorgehen. Das besorgniserregendste Szenario wäre eine von den Parteien PSOE und Podemos gebildete, linke Koalitionsregierung. In diesem Fall käme es auf das jeweilige Gewicht der beiden Parteien an. Erhielte die PSOE die Oberhand, könnte sie die euroskeptischen Tendenzen von Podemos zügeln. Allerdings: Die drei wichtigsten politischen Parteien (Ciudadanos, PP, PSOE) sprechen sich alle für den Euro aus und respektieren den Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Blick auf die Märkte
Was den spanischen Anleihenmarkt beeinflusst, ist die Situation in Italien. Sollten die Sorgen über einen möglichen Ausstieg Italiens aus der Eurozone stark zunehmen, könnte es zur Ansteckung kommen und spanische Staatsanleihen könnten unter Druck geraten. In einem solchen Szenario könnte die Europäische Zentralbank (EZB) allerdings versucht sein, den schrittweisen Ausstieg aus den Anleihekäufen über September hinaus zu verzögern. Zudem gilt: Solange weiterhin ein klarer politischer Konsens darüber besteht, in der Währungsunion zu bleiben, könnten potenziell sich ausdehnende Spreads eine Kaufgelegenheit bieten.
Solange die Situation in Italien nicht geklärt ist, dürften die Aktienmärkte volatil bleiben und wir könnten Phasen der Panik erleben. Das wirtschaftliche Umfeld bleibt jedoch positiv, mit einem robusten globalen Wachstum, was wiederum das Gewinnwachstum je Aktie unterstützt. Das Problem ist, dass der Markt in Krisenzeiten nicht auf derlei gesunde Grundlagen achtet. Sobald aber die Angst nachlässt, sollte sich dies ändern.
Im Hinblick auf den Devisenhandel gilt: Sobald sich die Lage beruhigt, dürfte sich der Euro erholen und wieder zu einer stärkeren Entwicklung zurückkehren, zumal die EZB ihre Politik normalisiert. Es gilt zu bedenken: Die Aufwärtsbewegung des US-Dollars, die in den letzten Wochen zu beobachten war, hatte bereits begonnen, bevor der Markt sich Sorgen um Italien machte, da Anleger einen Anstieg der Zinssätze in den USA eingepreist haben.“
Julien-Pierre Nouen ist Chef-Wirtschaftsstratege des Vermögensverwalters Lazard Frères Gestion.