Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

Wenn Geld automatisch mehr wird – oder weniger

Der Robo-Advisor verdrängt den Bankberater. Die Geldanlage wird zur Aufgabe für Algorithmen. Wie funktioniert das? Wer bietet es an? Und bringt es Erfolg?

(Foto: Peshkova / Shutterstock)

Der Robo-Advisor verdrängt den Bankberater. Die Geldanlage wird zur Aufgabe für Algorithmen. Wie funktioniert das? Wer bietet es an? Und bringt es Erfolg?

Das letzte Buch des noch heute gefeierten Börsengurus André Kostolany erschien kurz nach dessen Tod und trug den schönen Titel: ‚Die Kunst über Geld nachzudenken‘. Es umfasst 240 Seiten. Sie zu lesen ist schon die eine Sache, sie anzuwenden nochmal eine ganz andere. Die Kunst über Geld nachzudenken, ist in erster Linie langwierig, aufwendig, mühsam. Sie zu erlernen, dauert und erfordert viel Geduld. Sein eigenes Geld erfolgreich anzulegen, will trainiert werden. Es braucht einen geschulten Blick auf entscheidende Einflussfaktoren, genauso wie den stetigen aufs Tagesgeschehen am Markt. Eine durchdachte Diversifizierungsstrategie ist von Nöten – und nicht zuletzt eine ruhige Hand und ein kühler Kopf.  

Zumindest bislang. 22 Jahre nach Kostolanys letztem schriftstellerischen Werk wirbeln sogenannte Robo-Advisor die Finanzbranche durcheinander. Das Nachdenken über Geld übernehmen bei diesen vollautomatischen, digitalen Vermögensverwaltern komplexe Algorithmen, die auf einen riesigen Berg an Daten zugreifen. So einfach wie heute, lies sich das eigene Nachdenken und Grübeln über die richtige Anlageentscheidung noch nie auslagern, nicht einmal der Weg zum Bankberater ist mehr nötig. Im besten Fall bedeutet das: Rendite ohne jeden Aufwand. Kein Wunder, dass die Branche boomt.

Robo-Advisor sind massiv im Kommen. Losgetreten um das Jahr 2014, hat sich der Trend rasch beschleunigt, der „digitale Berater“ ist inzwischen zur echten Anlagealternative geworden. Eine Statista-Studie schätzt das globale Anlagevolumen des Sektors für 2022 auf 1,48 Billionen US-Dollar. Bis 2026, so die Prognose, könnten daraus 2,48 Billionen werden. Das entspräche einem jährlichen Wachstum von 13,7 Prozent. Die Nutzerzahl könnte damit einhergehend auf eine halbe Milliarde steigen. Auch in Deutschland ist die Nachfrage hoch. Das von Robo-Advisoren verwaltete Vermögen lag dem Digital Market Outlook nach 2022 bei rund 22,4 Milliarden Euro. Im Jahr 2025 könnten es schon 34,5 Milliarden Euro sein. Wie viele Anbieter es insgesamt und hierzulande inzwischen gibt, lässt sich nur schwer sagen. Ständig streben neue Player auf den Markt, gleichzeitig erlebt die Branche immer wieder Konsolidierungswellen. Schätzungen nach dürften es weltweit um die 350 sein, in Deutschland zwischen 30 und 50. Zu den bekanntesten und größten hierzulande zählen, Quirion und Scalable Capital.

Beratung per Fragebogen - auch Großbanken mit dabei

Aber auch immer mehr etablierte Banken und Vermögensverwalter entdecken den deutschen Markt, so zum Beispiel die US-Geldinstitute Goldman Sachs und JP Morgan oder jüngst mit Vanguard einer der größten ETF-Anbieter der Welt. Für letzteren ist das auch eine Chance direkt an den Kunden zu verkaufen. „Deutsche Robo-Advisor investieren, wie ihre internationalen Pendants, vor allem in börsengehandelte Indexfonds“, sagt Deutsche Bank-Analyst Orcun Kaya. „Sie bilden Portfolios bestehend aus Aktien- und Anleihen-ETFs, deren Risiko- oder Rendite-Parameter während der Neukunden-Aufnahme festgelegt werden, wenn die potenziellen Kunden Online-Fragebögen ausfüllen“, erklärt er weiter.

Damit beschreibt Kaya im Kern auch gleich das eigentlich einfache System. Robo-Advisor sammeln zunächst die Daten ihrer Kunden, fragen dazu Anlageziele, Risikoneigung und ähnliches ab. In der Folge sucht ein Algorithmus dann automatisiert ein passendes Portfolio. Bei höherer Risikoneigung sind zum Beispiel  mehr Aktien enthalten, andersherum mehr Anleihen. Eine Bestätigung des Kunden später, geht es los. Anlageberatung im Turbomodus. Auch danach läuft in der Regel alles vollautomatisch.

In Krisen kommen Robo-Advisor oft schwerfällig daher

So weit, so einfach. Ob es auch zum Erfolg führt, lässt sich bislang nur schwer beurteilen, da es Robo-Advisor ja gerade erst in den Mainstream schaffen. Überdies bestimmt der Kunde durch den Fragebogen, den er ausfüllen muss, immer noch bedeutend über die Zusammensetzung seines Depots. Wenn sich ein Anleger also für viel Risiko entscheidet, obwohl das rein rational nicht begründbar ist – und dann wie zuletzt Wachstumsaktien massiv an Wert einbüßen, kann der Robo-Advisor selbst nicht immer etwas für eine schlechte Portfolioperformance. Ein Nachteil der neuen Stars der Finanzbranche ist das aber zweifellos. In Krisen kommen sie recht schwerfällig und handlungsunfähig daher. Einmal erhoben, folgt der Robo-Advisor den angegebenen Daten des Kunden, während der Bankberater vielleicht zum Telefonhörer greifen und einmal nachhaken würde, ob es denn tatsächlich bei der gewählten Strategie bleiben soll, auch bei dem sich verändernden Umfeld. In der Corona-Pandemie wurde dieses Dilemma offensichtlich. Von Juni 2019 bis Juni 2021 haben 40 vom Wirtschaftsmagazin „Capital“ untersuchte digitale Vermögensverwalter eine durchschnittliche 12-Monats-Rendite zwischen minus 4,9 und plus 11 Prozent erzielt. Der Dax stieg im gleichen Zeitraum um 25 Prozent.

Aber die Vorteile liegen neben denen der Zeitersparnis und natürlich den im Vergleich zur Beratung bei einer Bank deutlich günstigeren Konditionen, ebenso auf der Hand: Die Maschine kann dabei helfen „weniger Fehlentscheidungen zu treffen, aufgrund von geringer finanzieller Bildung oder eines wegen Denkfehlern systematisch verzerrten Verhaltens“, weiß Deutsche Bank-Experte Kaya. Einzelpersonen widmeten ihren Portfolios beispielsweise oft nur begrenzte Aufmerksamkeit und kümmerten sich nicht aktiv um ihre Finanzen. Außerdem gelinge es ihnen selten, geografisch oder über Anlageklassen hinweg zu diversifizieren. Hier hilft ein rational agierender Algorithmus, der ausschließlich auf harten Fakten basierend investiert und sich nicht emotional leiten lässt. Gerade bei stark schwankenden Aktienmärkten ein Vorteil, der vor Panikverkäufen oder zu hohen Einstiegskursen schützt. Manchmal ist es an der Börse schließlich gar nicht schlecht, mal nicht über sein Geld nachzudenken. „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“ Auch das hat André Kostolany einst gesagt.

Oliver Götz

Lesen Sie auch: Im Sturm der Inflation: Hält der Aktienmarkt stand?