„Wir brauchen kreative Zerstörung“
Ifo-Chef Clemens Fuest erinnert auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel an die Kraft der Innovation, die auch von Krisen wie dem Ukraine-Krieg und Corona befeuert werden. Nur: Die Deutschen sind für neue Technologien bisher nicht offen genug.
Ifo-Chef Clemens Fuest erinnert auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel an die Kraft der Innovation, die auch von Krisen wie dem Ukraine-Krieg und Corona befeuert werden. Nur: Die Deutschen sind für neue Technologien bisher nicht offen genug.
Von Vera König
Eine Innovation kommt auf den Markt und alle sind begeistert? Von dieser Ideal-Vorstellung sollte man sich besser verabschieden. Zumindest, wenn es nach Clemens Fuest geht. Der Präsident des Ifo-Instituts in München nannte Innovationen auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee „kreative Zerstörung“. Eine Neuschöpfung ist demnach kein ausschließlich positiver Prozess: Es wird etwas geschaffen, zugleich aber vergeht auch etwas anderes. „Wir brauchen kreative Zerstörung“, sagte der Ökonom beim „Future Summit – Innovation leben für die ökosoziale Marktwirtschaft“. Dabei diskutierten Experten auf Einladung von Bayern Innovativ, einem Tochterunternehmen des bayerischen Wirtschaftsministeriums, welche Rolle Technologie und Innovationen bei der Gestaltung einer künftigen ökosozialen Marktwirtschaft spielen und welche Rahmenbedingungen Bayern schafft. Doch die Debatte ging weit über den Tellerrand des Freistaats hinaus.
Innovation bedeutet Veränderung – und das kann auch mal schmerzen. Eine Denkweise, die den Deutschen schwerfällt. „Wir sind ein Land mit hohem Wohlstandsniveau und hohem Bedürfnis nach Sicherheit, das passt nicht so recht zu Innovation“, erklärte Fuest. „Zerstörung macht uns Angst. Es solle immer alles erhalten und gerettet werden, dieser Appell gehe auch an die Politik. Aber: „Innovation bedeutet Zerstörung im Wettbewerb. Man muss auch zulassen, dass Firmen aus dem Markt ausscheiden.“ Unternehmen wie Nokia hätten das erlebt. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Rahmenbedingungen für kreative Zerstörung schaffen, wir müssen diesen Prozess ermöglichen.“ Dazu brauche es dann allerdings mehr Investoren, die in mehr als in einen Blue Chip oder die Staatsanleihe investierten. Die Deutschen hingegen denken Fuest zufolge oft, dass man Innovation staatlich verordnen kann.
Doch gerade staatliche Regularien verhindern nach Meinung der Experten Innovationen. Roland Weigert, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium, sieht die EU-Taxonomie als „Innovationsverhinderer“ Nummer eins. „Taxonomie ist Planwirtschaft, das ist Teufelszeug“, schimpfte er. Die Taxonomie würde beispielsweise zur kompletten Austrocknung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland führen, warnte er. Die EU-Taxonomie definiert, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden. An ihr orientieren sich etwa Investoren.
„Dieser Ansatz der Taxonomie birgt wirklich sehr hohe Risiken“, stimmte Ifo-Präsident Fuest zu. Für ihn ist sie sogar „eine Einladung zur Lobbyarbeit“. „Das Zertifizieren von Bürokratie ist ein Geschäftsmodell.“ Das sah auch Dagmar M. Schuller so: „Wenn wir Innovation vorantreiben wollen, darf es keine Überregulierung geben“, sagte die Vizepräsidentin der IHK München und Oberbayern sowie Chefin und Gründerin von Audeering. Statt strukturelle Hürden zu schaffen, solle man mit Maß und Ziel arbeiten. Irgendwann müsse der Zeitpunkt kommen, wo man das Produkt kommerzialisiert und in den Wettbewerb gebe.
Eine andere Hürde für Innovationen ist das tendenziell negative deutsche Mindset. „Wir müssen für Innovationen offener sein, vor allem im hochtechnologischen Bereich, damit sich Technologien entwickeln können“, forderte Schuller. „Oft wird man bei der Entwicklung limitiert, indem viele erwarten, dass ein Prototyp schon gut funktioniert.“ Wirtschaftsweise Veronika Grimm sah das ebenso und ergänzte: „In unserer Kultur stehen wir uns oft im Weg, dass es zu perfekt sein muss. Da zeigt schon das Beispiel Datenschutz.“
Innovationen haben durch die Globalisierung einen Sprung erlebt. Doch auch die aktuellen Krisen können Innovationen fördern – so die Erkenntnis. „Jede Krise ist eine Chance“, betonte Schuller. Krisen nötigten dazu, aus der Komfortzone herauszutreten. Das sei anstrengend, aber man habe immer wieder die Chance, sich anzupassen und sich auch Fehler zu erlauben. Sowohl die Corona-Krise als auch der Krieg in der Ukraine haben gleich mehrere Fehler der Vergangenheit deutlich gemacht. Unternehmer sollten sich daher, sagte Schuller, nicht davor scheuen, Dinge zu analysieren, Technologien eine Chance zu geben und weiterzudenken. Dazu gehöre es auch, mit Unternehmen zusammenarbeiten, mit denen man das bislang nicht gemacht habe.
Das gilt auch in puncto Energiewende. „Wenn eine Transformation ansteht und unumkehrbar ist, dann sollte man nicht lange abwarten, sondern lieber schnell und beherzt handeln“, sagte Florian Berger, Global Vice President von IBM. Dass der Übergangspfad teurer wird als das Gewohnte, das betonte Grimm. Gegebenenfalls müsse man sich einen anderen überlegen. „Wir müssen die Energiewende schneller vorantreiben und sehen, dass sie sozial ausgewogen ist. Wir brauchen keine Energiewende auf Kosten der unteren Schichten.“