Zertifikate: Die Trends 2009
Die Verschärfung der Finanzmarktkrise und vor allem die Lehman-Pleite versetzten dem deutschen Zertifikatemarkt einen Tiefschlag. Doch abschreiben sollte man die Produkte deswegen nicht. Schließlich gibt es zahlreiche sinnvolle Strukturen, die einem Direktinvestment überlegen sind. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Trends für 2009 vor.
Nach den heftigen Turbulenzen an den internationalen Märkten und der Kernschmelze des Finanzwesens im letzten Herbst ist das Marktvolumen der Zertifikate laut Schätzungen des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) um 42% auf 83 Mrd. Euro eingebrochen. Mittlerweile ist zwar wieder etwas Licht in Sicht, wie die November-Umfrage der Fachpublikation „Der Zertifikateberater“ zeigt, dennoch wird sich in Zukunft einiges ändern müssen, wenn sich die Erfolgsgeschichte der Zertifikate fortsetzen soll.
Rückbesinnung auf bewährte Tugenden
Der Fokus dürfte dabei vor allem auf der Wiederentdeckung der einfachen und effektiven Strukturen liegen. „Mehr denn je ist für Anleger Transparenz ein wichtiger Aspekt bei der Geldanlage. Dies zeigt sich regelmäßig im Dialog mit unseren Kunden“, so Jochen Fischer, Zertifikateexperte von Goldman Sachs. Eine Einschätzung, die Marc Pawlak, Leiter des Produktmanagements Zertifikate bei der WestLB teilt: „Noch stärker als bisher hat die Information der Anleger an Bedeutung gewonnen. Sie wollen sich zunehmend in ihren Anlageentscheidungen emanzipieren und die Produkte verstehen. Hierbei werden wir unsere Kunden und Kundenberater auch in Zukunft unterstützen und ihnen umfassende, klare Produktinformationen zur Verfügung stellen.“ Insofern hat der Crash auch sein Gutes. Übertreibungen in Sachen Komplexität und Gebühren dürften der Vergangenheit angehören. Komplizierte Strukturen wie etwa Twin-Win- oder Rainbow-Zertifikate werden auf mittlere Sicht wahrscheinlich ganz verschwinden. Stattdessen erfolgt eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen Tugenden. Denn der große Vorteil von Derivaten war anfangs schließlich der Kostenvorteil gegenüber Investmentfonds, die größere Flexibilität im Vergleich zu ETFs und ein meist besseres Chance-Risiko-Profil gegenüber der Direktanlage. Die Rückkehr zu einfacheren Mechanismen gilt aber auch für die Basiswerte: „Auch bei den Basiswerten fokussieren sich Anleger zurzeit auf etablierte und sehr liquide Basiswerte. Bluechips aus dem DAX, wichtige Aktienindizes und Rohstoffe wie Öl und Gold werden aktuell bevorzugt“, berichtet Fischer. Die neue Transparenz wird auch vom Deutschen Derivate Verband gefördert. Neben wichtigen Informationen zur Bonität der Emittenten, deren Credit Spreads auf der Website des Verbandes tagesaktuell abrufbar sind, bieten auch die – ebenfalls auf der DDV-Webseite abrufbaren – neuen Referenz-Indizes beispielsweise für Garantie-, Bonus- und Discount-Zertifikate eine Orientierungshilfe. Eine wichtige Rolle werden in Zukunft aber auch von den Emittenten unabhängige Dienste, wie die Derivate- Suchmaschine DERIXX, spielen. Diese bietet jedem Anleger die Möglichkeit, Zertifikate nach verschiedenen Kennziffern zu klassifizieren und so diejenigen mit dem besten Preis-Leistungs-Profil zu identifizieren.
Bewährte Strukturen treffen auf ideales Marktumfeld
Welche Produkte am Ende überleben werden, hängt aber auch davon ab, für welche Zielgruppe sie konzipiert sind. So dürften vor allem Derivate, die von Selbstentscheidern gekauft werden, zu den Gewinnern zählen. Dazu gehören beispielsweise Index-, Bonus-, Discount-Zertifikate und Aktienanleihen. Natürlich spielt auch das jeweilige Börsenumfeld bei der Auswahl des Zertifikattyps eine wichtige Rolle: „Die hohen Volatilitäten, die wir zurzeit wieder am Aktienmarkt beobachten, kommen besonders Discount- und Bonuszertifikaten zugute. Vor allem Discount-Strukturen finden bei Anlegern aktuell eine sehr hohe Akzeptanz“, so Fischer. Eine Entwicklung, die sich weiter fortsetzen dürfte, zumal es sich bei beiden Spielarten um bewährte Strukturen handelt, die für jeden Anleger leicht nachvollziehbar sind. „Unser Ziel ist es, die einzelnen Strukturen und Funktionsweisen der Produkte umfassend zu erklären und transparent darzustellen. Wir richten uns dabei sowohl an Selbstentscheider mit viel Know-how als auch an Einsteiger, die erst beginnen, ihr Zertifikatwissen aufzubauen. Daran werden wir auch in Zukunft festhalten“, so der Goldman- Experte weiter. Den Anleger dürfte es freuen, denn bei Konditionen, wie denen des Q-Cells Discount-Zertifikates (WKN: CG3RJL) oder denen des Discounters auf K+S (WKN: CG3RDM) sollte am Ende mehr als eine Outperformance gegenüber dem Basiswert herausspringen. Weil die Turbulenzen auf den Aktienmärkten aber nicht von heute auf morgen verschwinden dürften, rücken auch andere Märkte verstärkt in den Blickpunkt der Investoren. „Die Unsicherheit und die Kursverluste an den Aktienmärkten wirken sich derzeit auch auf die Wahl der Basiswerte selbst aus. Während der Absatz von Zertifikaten auf Aktien stark zurückgegangen ist, erleben wir eine deutlich höhere Nachfrage nach Zinszertifikaten. Deren Rendite wird entweder von der Entwicklung von Zinssätzen oder von festgelegten Kupons bestimmt“, so Pawlak weiter. Auch hier können altbekannte Strukturen den Einstieg erleichtern. „Der Devisenmarkt wird für Privatanleger immer interessanter. Bislang haben sich dort vor allem die erfahrenen Anleger mit Options- und Turboscheinen engagiert. Sal. Oppenheim bietet mit Bonuszertifikaten auf Devisen aber auch interessante Produkte für konservativere Anleger an“, erläutert Christopher Maaß, Zertifikateexperte des Bankhauses Sal. Oppenheim.
Auswirkungen der Abgeltungsteuer
Veränderungen ergeben sich aber auch aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen. Denn nachdem der Zertifikateabsatz laut dem DDV in den letzten Monaten gerade auch unter den steuerlichen Nachteilen der Übergangsregelung gelitten hat, werden die Karten jetzt neu gemischt. „Aufgrund der Abgeltungsteuer spielt die Spekulationsfrist keine Rolle mehr. Wir werden daher einen zunehmenden Trend zu kurz laufenden Produkten sehen“, ist sich Maaß sicher. Dass dies nicht nur für die Expresszertifikate gilt, zeigt ein Blick auf die jüngsten Neuemissionen. Das kürzlich gestartete (22.01.2009) Bonuspapier auf United Internet (WKN: CM2NXM) hat eine Laufzeit von weniger als 6 Monaten (12.06.2009), und das ist kein Einzelfall, wie ein Blick auf ein ähnliches Papier mit Basiswert Deutsche Telekom (WKN: CM2SJV) zeigt. Außer bei der Laufzeit dürften sich jedoch weitere Verschiebungen ergeben. So weist der DDV darauf hin, dass bestimmte Derivattypen, wie Aktienanleihen und Garantiezertifikate, die bisher als sogenannte Finanzinnovationen dem persönlichen Steuersatz des Anlegers unterlagen, von dem einheitlichen Steuersatz sogar in besonderer Weise profitieren. Für Maaß sind die ohnehin schon sehr beliebten Garantiepapiere allerdings momentan nicht automatisch die erste Wahl: „Aktienanleihen gehören zu den Gewinnern der Abgeltungsteuer, denn seit dem 1. Januar 2009 sind sie steuerlich allen anderen Zertifikate-Kategorien gleichgestellt. Zudem bieten sie zurzeit aufgrund der hohen Volatilität so attraktive Kupons, wie seit Jahren nicht mehr.“ Anleger, die Garantiezertifikate kaufen, suchen Sicherheit. Zu Recht, wie die letzten Monate gezeigt haben, denn der 100-prozentige Kapitalschutz zum Laufzeitende überzeugt gerade in schwierigen Marktphasen. „Allerdings sollte Anlegern bewusst sein, dass der Kapitalschutz, also die vollständige Rückzahlung des Nennbetrags, ausschließlich zum Laufzeitende gilt“, so Pawlak weiter.
Fazit
Anleger sollten sich darüber im Klaren sein, dass alle Produkte, auch Garantiezertifikate, ein selbständiges Garantieversprechen des Emittenten darstellen. Im Konkursfall des Emittenten ist das Vermögen der Anleger daher nicht geschützt. Mit speziellen neuen Zertifikaten der DWS und der Commerzbank lässt sich das Emittentenrisiko zwar ausschalten, aufgrund der damit verbundenen Kosten sind diese Papiere jedoch nicht zu empfehlen. Bewährte Strukturen auf transparente Basiswerte dürften dagegen in diesem Jahr eine Renaissance erleben. Die Anleger kommen jedoch auch in Zukunft nicht darum herum, sämtliche zur Verfügung stehende Informationsangebote zu nutzen und sich eine eigene Meinung zu bilden.