Das neue Ölzeitalter bricht an
Die großen Mineralölkonzerne haben sich in den vergangenen Jahren bemüht, ihr Image von den schmutzigen Öl- und Gasverwertern hin zu klimafreundlichen Unternehmen zu biegen. Aber die Menschen wollen es anders. Und so haben die meisten sich still und leise von ihren ehrgeizigen Klimaschutzzielen wieder verabschiedet und machen das, was sie immer gemacht haben: pumpen, fördern und raffinerieren.
Die großen Mineralölkonzerne haben sich in den vergangenen Jahren bemüht, ihr Image von den schmutzigen Öl- und Gasverwertern hin zu klimafreundlichen Unternehmen zu biegen. Aber die Menschen wollen es anders. Und so haben die meisten sich still und leise von ihren ehrgeizigen Klimaschutzzielen wieder verabschiedet und machen das, was sie immer gemacht haben: pumpen, fördern und raffinerieren.
Waren es die unumgänglichen Fakten, die eine leise Umkehr einleiteten? Oder nur die Gier nach dem schnellen Geld? Tatsache ist, dass weltweit tätige Konzerne wie BP, Shell, Chevron und ihre Mitbewerber vom Öl nicht lassen können. Oder es vielleicht auch nie wirklich gewollt haben. Diese Fragen stellen sich jetzt, nachdem der etwas undurchsichtige plötzliche Abschied des Chefs von BP sämtliche Beobachter überraschte. Angeblich lag der Grund in nicht transparent gemachten Beziehungen von Bernard Looney zu Mitarbeitern bei BP. Analysten vermuten jedoch, dass es im Hintergrund Streit um die Ausrichtung des Unternehmens gegeben habe. Looney war vor drei Jahren angetreten, die frühere „British Petroleum“, die im Laufe der Jahrzehnte gewichtige Konkurrenten der Ölbranche übernommen hatte, vom Benzin zur Sonne zu führen. Und er verfolgte die Strategie mit eiserner Entschlossenheit. Schon kurz nach seinem Antritt gab es aber erste anonyme Vorhaltungen, er habe es mit der Firmenkultur in Sachen Transparenz nicht so genau genommen. Das hatte zunächst keine Konsequenzen, bis nun der Hammer fiel. Genaueres weiß man nicht, und das fördert natürlich die Annahme, dass es hier um mehr geht als nebulöse „Beziehungen zu Kollegen“ bei BP.
Sicher ist, dass vor allem die Beziehungen zu den Aktionären zuletzt problematischer waren – unter ihnen umweltbewusste Großinvestoren genauso wie Alt-Öl-Haudegen von der Wall Street. Es beiden Fraktionen gleichermaßen recht zu machen, ist schwierig. Der Gewinnrückgang im zweiten Quartal um 70 Prozent dürfte da nicht einmal so dramatisch gewesen sein, es litt nicht einmal der Aktienkurs nennenswert – das Business ist nun einmal zyklisch. Allerdings hatte auch BP den neuen Goldrausch bei Öl und Gas nicht vorhersehen können und investiert nun – wie die Wettbewerber von Chevron bis Shell auch – Milliarden in neue Ölvorkommen. Alle fünf Großen sind mit 47 Milliarden Dollar dabei, eine rasante Steigerung gegenüber den zuvor, nämlich seit etwa 2014, eher vernachlässigten traditionellen Ertragsquellen.
Saudi Aramco als Schlüsselakteur
Denn Mineralöl könnte sogar noch deutlich teurer werden, wenn die Weltkonjunktur sich mittelfristig erholt und vor allem China als größter Nachfrager wieder ins Spiel kommt. Die Aufholjagd bei den Schwellenländern wird durch die sogenannten erneuerbaren Energien nicht allein am Laufen gehalten. Experten internationaler Organisationen wie etwa der Weltbank halten gar eine Knappheit an Öl für denkbar, denn bis die jetzigen Investitionen Früchte tragen und die Zurückhaltung der vergangenen Jahre wieder ausgeglichen sein wird, vergeht noch einige Zeit. Nicht nur neue Ölfelder zu finden und zu erschließen ist aufwendig, sondern auch die Raffineriekapazitäten müssen Schritt halten. Der Energieexperte und Rechtsanwalt Thomas Mock, der mehrere Naturschutzverbände vertritt, hält ein Comeback des Öls für unvermeidlich: Schließlich seien die weltweiten Interessen keineswegs deckungsgleich mit den deutschen Vorstellungen, und eine wachsende Weltbevölkerung mit Zuwächsen vor allem in Asien und Afrika habe andere Prioritäten als Westeuropa. Gute Aussichten für den größten Konzern der Branche, Saudi Aramco. Der hat laufend investiert und beherrscht von der Förderung über Verarbeitung bis zum Transport sämtliche Veredelungsschritte. Maßgeblich wird aber auch hier sein, ob Saudi-Arabien bereit sein wird, notfalls seine Förderung zu erhöhen – selbst wenn die Opec anderes beschließen sollte. Jedenfalls könnte nach Schätzungen der Rohstoff-Analysten in wenigen Jahren jeden Tag eine Menge von zehn Millionen Barrel (159 Liter) fehlen, soviel stößt Saudi-Arabien allein aus. Und kürzte letztens sogar noch die Förderung um zehn Prozent, um den Preis zu stabilisieren.
Dieser jüngste Trend bedeutet auf der anderen Seite nicht gleich eine Abkehr von den Aktivitäten auf dem Sektor CO-2-armer Energien. Für Deutschland verkündete BP gerade erst eine Milliardeninvestition in künftige Entwicklungen an: Darunter Offshore-Wind, Wasserstoffgewinnung und die Entwicklung von Biokraftstoffen. Zehn Milliarden Euro sind dafür bis 2030 vorgesehen. Die deutsche BP-Tochter Aral kündigte an, die Zahl ihrer Ultra-Schnellladepunkte bis 2030 verzehnfachen zu wollen. BP-Deutschland-Chef Patrick Wendeler mahnte allerdings schnellere und einfachere Genehmigungs- und Anschlussverfahren an. Zahlreiche Anschlusspunkte seien bereit – nur die Genehmigung oder das Netz ließen auf sich warten. Manchmal bis zu zwei Jahre lang, so Wendeler.
BP Deutschland soll zu einem integrierten Energieunternehmen werden, was im wesentlichen einen Zuwachs auf seiten der erneuerbaren Energien bedeutet. Im Mittelpunkt blieben aber Raffinerieprodukte. Klar ist für BP, dass auch nach 2030 fossile Kraftstoffe benötigt würden. Da will man offensichtlich nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden. Kritiker allerdings monieren seit längerem, dass die selbst erklärten Klimaziele aller großen Konzerne weit von den Möglichkeiten und auch dem Wünschenswerten entfernt seien. Für Chevron, Shell und Mitstreiter gelte da wohl der Satz „Follow the money“: Mit der neuen Ölsuche verschlechtere sich das Verhältnis von Geld für Erneuerbare und Geld fürs Fossile weiter.
BP und der plötzliche Abgang des Chefs
Der nun verabschiedete PB-Chef Looney hatte zu Jahresbeginn die Zwangslage klar definiert: Für ihn müssten die Energien sicher, bezahlbar, und klimafreundlich sein. Wenn alles zusammen zu haben ist, darf man schlussfolgern, schön. Aber die Wahrscheinlichkeit dürfte hoch sein, dass man nicht alle Eigenschaften dieses schwierigen Dreiecks auf einmal bekommt – es würde bedeuten, dass klimafreundliche Energie stets auch sicher und preiswert sein würden, was nur bei wenigen Energiearten, und dann auch erst in einer denkbaren Zukunft, realistisch sein wird, entgegen deutschen Idealen vom sauberen, billigen und stets verfügbaren Solar- und Windstrom. Rechnet man allerdings Kernenergie zu den klimafreundlichen Arten hinzu, käme man der Sache wohl näher – die Atomkraft bleibt aber nicht nur in Deutschland mindestens umstritten.
Die Speicherung von CO2, in Deutschland gerade erst allmählich ins Feld des Denkbaren rückend, würde natürlich im großen Maßstab auch völlig „schmutzige“ Energieerzeugung ermöglichen, so wie hierzulande derzeit eine Fülle an Kohlekraftwerken noch oder wieder arbeiten – bislang natürlich ohne Abscheidung von CO2. Die Technologie der Abscheidung und Speicherung (CCS) bleibt bislang allerdings im Forschungsstadium hängen – angesichts starker Kritik an der Idee, Kohlendioxid aufzubereiten und zum Beispiel unterirdisch zu lagern wagt kaum ein Konzern wirklich entschiedene Investitionen. Klimaverbände lehnten die Versuche ab, wenn auch aus vorwiegend „erzieherischen“ Gründen, damit die Anstrengungen zur völligen Vermeidung von CO-2-Ausstoß nicht aus dem Blickfeld gerieten. Inzwischen deutet sich ein Umdenken an, denn international liegen die CCS-Technologien im Fokus. Die Möglichkeiten, das Gas nicht nur abzutrennen, sondern möglichst auch einem neuen Nutzen zuzuführen, sind denn doch zu verlockend. So konzentriert man sich auf Umwandlung („negatives CO-2“) oder die Möglichkeit, den Kohlenstoff in festem Zustand zu speichern und zu nutzen, zum Beispiel als Baustoff.
Derweil hat BP, die sich seit langem als Vorreiter „grüner“ Energien sieht, die langfristigen Ziele in Sachen CO-2-Verringerung leise angepasst. Noch unter der Ägide von Bernard Looney senkte man die geplanten Einsparungen beim Treibhausgas-Ausstoß von 35 bis 40 Prozent bis 2030 auf nur noch 20 bis 30 Prozent. Andere Konzerne dürften bestenfalls ähnlich planen. Ob die Verringerung der Verringerung nun auf mangelnden Ehrgeiz, reines Gewinnstreben oder aber auf realistische Einschätzung der Möglichkeiten hindeutet, wird sich an der Geschäftspolitik wohl demnächst ablesen lassen.
Reinhard Schlieker
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