Preiserholung bei Eisenerz: nur von kurzer Dauer
In den vergangenen Jahren ist es in Anlegerkreisen abseits von Erdöl und Gold ruhig geworden um das Thema Rohstoffe: Hohe Preisschwankungen und tendentiell fallende Notierungen haben dafür gesorgt, dass sich viele Marktteilnehmer abgewandt haben. Dabei ist der weltweite Hunger nach Kohle, Eisenerz oder Kupfer ungebrochen – denn ohne diese Grundstoffe wäre die Weltwirtschaft nicht überlebensfähig. Ulrich Stephan analysiert.
In den vergangenen Jahren ist es in Anlegerkreisen abseits von Erdöl und Gold ruhig geworden um das Thema Rohstoffe: Hohe Preisschwankungen und tendenziell fallende Notierungen haben dafür gesorgt, dass sich viele Marktteilnehmer von entsprechenden Investments abgewandt haben. Dabei ist der weltweite Hunger nach Kohle, Eisenerz oder Kupfer ungebrochen – denn ohne die Grundstoffe zur Herstellung von zum Beispiel Stahl oder Stromkabeln wäre die Weltwirtschaft nicht überlebensfähig.
Von Ulrich Stephan
Entsprechend gigantisch sind die Mengen an Rohstoffen, die täglich per Schiff oder Bahn um die Welt geschickt werden. In einem solch bedeutenden Markt werden Preistendenzen von Analysten ganz genau beobachtet, um mögliche Anlagemöglichkeiten zu identifizieren. In den vergangenen Wochen rückte Eisenerz wieder in den Fokus der Experten. Denn nachdem die Notierungen einige Wochen zuvor deutlich nachgegeben hatten, stieg der Erzpreis spürbar an: vom 19. April bis zum 1. Mai um fast zehn Prozent – der Beginn einer Preisrallye?
Eisenerznachfrage weiter intakt
Betrachtet man die Nachfrageseite, scheint zunächst einiges dafür zu sprechen, dass die Notierungen weiter steigen könnten. So zogen in China – das allein für rund 40 Prozent des globalen Stahlverbrauchs verantwortlich ist – die Landverkäufe im ersten Quartal 2017 an, was für eine Ausweitung der Bautätigkeit spricht. Gleichzeitig dürften die Infrastrukturprojekte der Regierung die Nachfrage nach Stahl ebenfalls weiter stützen. Die Deutsche Bank rechnet auf Grundlage dieser Entwicklungen derzeit für das Jahr 2017 weltweit mit einem Nachfrageplus bei Eisenerz von 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Angebotsausweitung sorgt für Druck
Dass es sich trotzdem nicht um eine Rallye, sondern eher um ein kurzzeitiges Zwischenhoch beim Erzpreis handeln dürfte, liegt in der Angebotsseite begründet. Zum einen verfügt China derzeit über überdurchschnittlich hohe Erzreserven von 120 Millionen Tonnen, die immerhin den Eigenbedarf von rund 32 Tagen decken würden. Zum anderen unterliegt der Markt für Eisenerz ähnlichen Mechanismen wie der Ölmarkt: Steigen die Preise, kommt es zum Markteintritt weiterer Produzenten beziehungsweise die Förderer weiten ihre Produktion aus, um von höheren Margen zu profitieren. Diese Entwicklung wird mittelfristig unweigerlich die Notierungen der Rohstoffe sowie der von ihnen abhängigen Assets – beispielsweise Aktien von Rohstoffunternehmen – unter Druck setzen.
Keine Erholung in Sicht
Eine solche Abwärtstendenz dürfte nach Einschätzung der Deutschen Bank dem Eisenerzmarkt bevorstehen: Sie rechnet zum Jahresende 2017 mit einem Erzpreis von 50 US-Dollar je Tonne – und liegt damit noch unter den durchschnittlichen Schätzungen der Analysten von 56 US-Dollar. Im Vergleich zum aktuellen Preis von rund 65 US-Dollar entspricht das in beiden Fällen prozentual einem deutlich zweistelligen Minus. Langfristig dürfte ebenfalls kaum Aussicht auf eine nachhaltige Erholung bestehen: Sollte die chinesische Nachfrage im kommenden Jahr tatsächlich einbrechen, könnten sogar weitere Preisabschläge folgen. Damit bleibt Anlegern trotz der immensen Größe des Eisenerzmarktes auch weiterhin kaum eine Möglichkeit für ein interessantes Investment. Die Deutsche Bank rät insgesamt nach wie vor von Engagements im Rohstoffbereich ab.
Dr. Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank für Privat- und Firmenkunden.