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Kommt schon bald der nächste Ölpreisschub?

Die Null-Covid-Politik in China ist zu Ende. Eine Rezession in den USA und Europa bleibt womöglich aus – und Russland könnte bald weltweit deutlich weniger Öl ausliefern. Kommt die nächste Teuerungswelle?

(Foto: Hiroshi Teshigawara / Shutterstock)

Die Null-Covid-Politik in China ist zu Ende. Eine Rezession in den USA und Europa bleibt womöglich aus – und Russland könnte bald weltweit deutlich weniger Öl ausliefern. Kommt die nächste Teuerungswelle?

Vor etwas mehr als einem Jahr kostete ein Barrel der Nordseeölsorte Brent rund 130 US-Dollar. Erst die Aussichten auf Krieg in Europa und dann der tatsächliche russische Angriff auf die Ukraine hatten den Preis innerhalb von zweieinhalb Monaten um 75 Prozent steigen lassen. Bereits im Vorfeld war es nach den Rekordtiefs zur Hochzeit der Corona-Pandemie steil bergauf gegangen. Ein Ölpreisschock, vor allem für das importabhängige Europa, der neben dem noch dramatischeren Gaspreisschock maßgeblich die Inflationsraten nach oben trieb. 

Ein Jahr später ist die positive Nachricht: Dieses Hoch markierte gleichzeitig einen Wendepunkt. Die Sorge vor weiter steigenden Preisen erwies sich als unbegründet und Ende des vergangenen Jahres kostete ein Barrel Brent nur noch um die 80 US-Dollar. Die geringe Nachfrage in China durch die Null-Covid-Politik, eine drohende Rezession in Europa und den USA – letztere weiteten zudem die Fördermenge aus und gaben staatlichen Reserven frei – sorgten für Entspannung. Hinzu kam, dass der befürchtete Einbruch russischer Ölexporte ausblieb. Und so zeigte der Preistrend ob eines leicht überversorgten Marktes bis Ende 2022 nach unten.

Das änderte sich jedoch mit Beginn des neuen Jahres. Seit nunmehr zwei Monaten läuft der Kurs volatil seitwärts, bewegt sich zwischen 80 und 85 US-Dollar. Der Abwärtstrend scheint gestoppt, was ein Vorbote sein könnte für eine neue Preisrally nach oben, denn einige der aufgezählten Gunstfaktoren sind dabei sich umzudrehen.

Mehr Nachfrage aus China, weniger Angebot aus Russland

Die Null-Covid-Politik in China schließlich ist Geschichte. Noch läuft der Wirtschaftsmotor im Reich der Mitte nicht auf Hochtouren, doch das könnte sich im Jahresverlauf ändern. Die OPEC rechnet deshalb mit einem chinesischen Nachfrageplus von 500.000 Barrel pro Tag. In Kombination mit einer nun wahrscheinlich doch ausbleibenden Rezession in den USA und Europa könnte dies den globalen Ölhunger stärker antreiben als gedacht. Dazu ist Anfang Februar in Europa nun auch die Einfuhr russischen Öls über den Seeweg verboten. Unwahrscheinlich, dass Russland dies über andere Märkte komplett ausgleichen kann. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt deshalb, dass bis zum Ende des ersten Quartals 2023 rund eine Million Barrel pro Tag aus Russland fehlen könnten.

Experten und Ölhändler halten 100 US-Dollar je Barrel bis Ende des Jahres für möglich

Im Februar lag die russische Rohölproduktion laut der russischen Zeitung Kommersant zwar sogar um zwei Prozent höher als noch im Januar, doch für März ist bereits eine Kürzung von 500.000 Barrel pro Tag angekündigt. Die entscheidende Frage sei, ob dies kurzfristig angelegt sei oder noch ausgeweitet werde, schreiben die Rohstoffexperten der Société Generale. „Grundsätzlich bleiben wir skeptisch für das russische Angebot und halten an unserer Einschätzung fest, dass sich die Lage am Ölmarkt mit der weiteren Belebung der chinesischen Nachfrage spürbar anspannt“, schreiben die Analysten weiter. Zudem machten die jüngsten Entwicklungen bei den US-Bohraktivitäten wenig Hoffnung, dass eine steigende US-Produktion Russlands Angebotsausfälle kompensieren werde. Daten von Baker Hughes zufolge sei die Erholung der Bohraktivitäten in den USA schon seit einigen Wochen ins Stocken geraten. „Inzwischen sind die Bohrungen sogar 4,2 Prozent niedriger als Anfang Dezember“, so die Société Generale-Experten.

Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Exporte aus Russland zurückgingen, meint auch Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Im Interview mit der WirtschaftsWoche sagte er: „Zusammen mit der steigenden globalen Nachfrage dürfte dies den Preis steigen lassen. Zur Jahresmitte erwarten wir den Ölpreis für die Sorte Brent bei rund 95 Dollar je Barrel. Zum Jahresende hin könnte der Ölpreis wieder die 100-Dollar-Marke erreichen.“

Auch unter Ölhändlern gilt diese Marke als realistisch. Die Aussicht auf Preise zwischen 90 und 100 US-Dollar seien in der zweiten Jahreshälfte eine reale Möglichkeit, sagte Russell Hardy, Vorstandschef von Vitol, gegenüber Bloomberg.

Dazu passen die jüngsten Schätzungen der IEA. Die Behörde rechnet damit, dass die globale Nachfrage 2023 um 1,9 Millionen auf knapp 102 Millionen Fässer pro Tag steigt.  Das Angebot dürfte sich der IEA nach zwar ebenfalls erhöhen, weil unter anderem die USA, Kanada und womöglich auch Brasilien mehr fördern könnten. Allerdings sieht die IEA hier nur eine Steigerung von einer Million Barrel pro Tag.

Aus einem leicht überversorgten Markt könnte damit spätestens im zweiten Halbjahr 2023 ein leicht unterversorgter Markt werden. Da an der Börse und hier ganz besonders im Rohstoffbereich die Zukunft gehandelt wird, könnte sich dies bereits im ersten Halbjahr in steigenden Preisen äußern.

OG

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