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Warum das Öl teuer bleibt

Viele Marktteilnehmer rechnen auf Dauer mit sinkender Nachfrage und damit sinkenden Preisen beim Erdöl. Doch dazu dürfte es so schnell nicht kommen. Denn die Kapazitäten sind knapp und Alternativen rar.

(Foto: hiroshi teshigawara / Shutterstock)

Viele Marktteilnehmer rechnen auf Dauer mit sinkender Nachfrage und damit sinkenden Preisen beim Erdöl. Doch dazu dürfte es so schnell nicht kommen. Denn die Kapazitäten sind knapp und Alternativen rar.

Eine Analyse von Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege Fidelity International

Daten des ADAC offenbarten vor wenigen Tagen , was die meisten Autofahrer längst ahnten: Das Jahr 2022 wird zum teuersten Spritjahr aller Zeiten. Selbst wenn die Tankstellen in den kommenden Wochen Diesel und Benzin verschenken würden, wäre das nicht mehr zu ändern. Auch der Hauptgrund für die Preisexplosion im Tank ist kein Geheimnis: Russlands Krieg gegen die Ukraine und die folgenden Sanktionen haben Öl und Sprit im Jahresverlauf stark verteuert.

Doch rechnen viele Marktteilnehmer inzwischen damit, dass der Ölpreis bald massiv sinken könnte. Schließlich laufen Europa und die USA auf eine Rezession zu, in deren Folge die Nachfrage deutlich sinken dürfte. Langfristig soll der Verbrauch fossiler Brennstoffe im Zuge der weltweiten Energiewende ohnehin drastisch sinken.

So plausibel die Argumente auch sein mögen: Sie überzeugen nicht. Denn die Energiewende wird sich noch über viele Jahre hinziehen, in denen herkömmliche Energieträger weiter gebraucht werden. Öl ist und bleibt damit vorerst das wichtigste Schmiermittel der Wirtschaft. Gleichzeitig haben die Ölkonzerne in den vergangenen Jahren kaum ausreichend neue Kapazitäten aufgebaut. Als die Preise niedrig waren, lohnte sich die Exploration schlicht nicht. Und jetzt, wo Einnahmen sprudeln, sollen die Konzerne Übergewinne in Form von Sondersteuern abgeben. Das Kapital und die Anreize zum Aufbau neuer Förderkapazitäten fehlen damit weiterhin. Auch die Lagerbestände gehen z. B. durch den Abbau der strategischen Reserven in den USA zurück. Angesichts dieser Entwicklungen müssen sich die Industriestaaten in Bezug auf den Ölpreis auf anhaltende Widrigkeiten einstellen, denn der Ölpreis wird traditionell vor allem vom Angebot bestimmt. Das wissen nicht zuletzt die Staaten des Öl-Kartells OPEC, die zuletzt ihre Förderung wieder drosselten, um den Preis zu stabilisieren.

Derweil legt die Politik im Westen den Produzenten fossiler Energieträger einen Felsbrocken nach dem anderen in den Weg. Auch wenn es langfristig unbestritten richtig ist, den Anteil der Fossilen aus dem weltweiten Spektrum der Energieversorgung massiv zu senken, muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist. Und so lange wird Öl gebraucht – woher auch immer. Dazu ein paar Daten: Erdöl deckte im Jahr 2021 über 31 Prozent des weltweiten Primärenergiebedarfs. Zusammen mit Kohle und Gas deckten die Fossilen im vergangenen Jahr mehr als 83 Prozent unseres Energieverbrauchs.

Fazit

Selbst wenn der Anteil erneuerbarer Energien weltweit stark wächst, wird der Umstieg noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern – zumal parallel dazu der weltweite Energiehunger wächst. Und schließlich funktioniert selbst bei uns der Verzicht auf fossile Brennstoffe nur in dem Maße, wie Alternativen zur Verfügung stehen – die genauso knapp sind wie das Öl. Für einen nachhaltigen Preisrückgang beim Öl spricht daher in den kommenden Jahren nur wenig. Im Gegenteil: Es entspricht der Marktlogik, dass knappe Ware teuer bleibt. Dazu kommt noch der politische Wille im Westen, den Preis der Fossilen zu steigern, um Sparanreize zu setzen und die Wettbewerbsfähigkeit der alternativen Energien zu steigern. An der Tankstelle dürfte das nächste Rekordjahr nicht mehr weit sein.