Wann explodiert der Ölpreis?
Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran spitzt sich zu. Das befeuert auch den Krieg im Jemen. Und in Venezuela herrscht nach wie vor wirtschaftspolitisches Chaos. Warum klettert der Ölpreis nicht mit?
Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran spitzt sich zu. Das befeuert auch den Krieg im Jemen. Und in Venezuela herrscht nach wie vor wirtschaftspolitisches Chaos. Warum klettert der Ölpreis nicht mit?
Es gab Zeiten, da hätten zwei brennende Öl-Tanker im Golf von Oman, der nahe der „Straße von Hormus“ liegt, einen Börse und Weltwirtschaft gleichermaßen in Atem haltenden Preisschock ausgelöst. Immerhin gilt die Meerenge als wichtigste Route für den Erdölexport aus der persischen Golfregion nach Europa, Japan und Nordamerika. Über den an seiner engsten Stelle 38 Kilometer schmalen Ozeanstreifen wird ein Fünftel des weltweit geförderten Erdöls transportiert. Der Iran hat bereits mehrfach damit gedroht, ihn zu blockieren.
Der Iran ist es auch, dem die USA und Saudi Arabien vorwerfen, für die Angriffe auf die beiden Tanker verantwortlich zu sein. Auch für die dort bereits vor zirka vier Wochen sabotierten Schiffe. Der Iran freilich dementiert. Dabei scheint es zunächst gleich zu sein, wer im Recht ist. Auch so spitzen die Vorfälle den Konflikt der Parteien, der, seit die USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen ist, wieder entbrannt ist, zu. Auch der Iran selbst droht bei anhaltenden Sanktionen das Abkommen zu kündigen. Dem Nahen Osten, gern als Pulverfass bezeichnet, droht die Zündung. Jedenfalls mangelt es nicht an Zündschnüren, die es derzeit ansteuern.
Von all dem auffällig unbeeindruckt: Der Ölpreis. Offenbar haben sich die Zeiten geändert. Denn auch wenn die Preise für ein Barrel der Nordseeölsorte Brent sowie dessen amerikanischen Pendants West Texas Intermediate (WTI) am Donnerstag vergangene Woche für einen Moment in die Höhe schnellten, kurze Zeit später war schon wieder Ruhe eingekehrt, ehe der Preis für das schwarze Gold sogar seinen seit Ende April etablierten Abwärtstrend begann fortzusetzen. „Die Ölpreise reagierten vergleichsweise verhalten auf die jüngste Eskalation im Mittleren Osten“, kommentierten das Geschehen so auch die Rohstoffexperten der Commerzbank nüchtern.
Minus von fast 30 Prozent seit Oktober 2018
Überhaupt entwickelt sich der Ölpreis schwach, blickt man nicht nur auf die vielen Brandherde im Nahen Osten, sondern auch auf die am Boden liegende Wirtschaft in Venezuela oder die seit Beginn des Jahres und noch bis Ende Juni laufende OPEC+-Förderkürzung in Höhe von 1,2 Millionen Barrel. Eine Verlängerung gilt als wahrscheinlich. Er gehe davon aus, dass sich die Staaten darauf einigen, so Raiffeisen Centro Bank-Analyst Hannes Loacker.
Gemessen an der Sorte Brent hat sich der Preis für den wichtigsten Rohstoff der Weltwirtschaft auf Sicht von zwölf Monaten um 17 Prozent verbilligt. Von Dezember vergangenen bis zum April des laufenden Jahres noch um 37 Prozent gestiegen, fiel der Preis in den vergangenen rund zwei Monaten um deutliche 18 Prozent. Von seinem Hoch im Oktober 2018 bei rund 85 Dollar ist der Brent-Kurs inzwischen um fast 30 Prozent auf 61 Dollar gefallen. Der WTI-Kurs steht nach ähnlichem Zick-Zack-Kurs bei 51,50 Dollar.
Angst vor Handelskonflikt größer als vor militärischem im Nahen Osten?
Ganz offenkundig gilt Börsianern der Handelskonflikt zwischen China und den USA als die den Ölpreis stärker beeinflussende Bedrohung. Schafften es die beiden Großmächte nicht ihre Differenzen aus der Welt zu schaffen und erhöhten weiter die Zölle, dürfte die Wirtschaft global deutlich geschwächt werden, was dann wiederum Auswirkungen auf die Öl-Nachfrage hätte, erklärt Experte Rainer Preiss von Taurus Wealth Advisors. Negative Auswirkungen versteht sich. Die sind freilich nicht unbegründet. Der niederländischen Statistikbehörde CPB nach wächst der Welthandel so langsam wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Darüber hinaus sind die Erdöl-Vorräte in den USA zuletzt angestiegen.
Überhaupt drückt die Schieferölschwemme aus Nordamerika weiter kräftig auf den Ölpreis. „Wir prognostizieren, dass die amerikanische Ölproduktion um 1,6 auf 13, 4 Millionen Barrel pro Tag im Dezember 2019 anwachsen wird“, zitierte das Handelsblatt jüngst Bjørnar Tonhaugen, Chefanalyst der unabhängigen Energiemarktforschungsfirma Rystad Energy. Auch der Ausblick der Internationalen Energieagentur (IEA) liest sich eher in Richtung fallender oder stagnierender Ölpreise. Das Angebot außerhalb der OPEC könne derzeit jeden wahrscheinlichen Bedarf decken, schreiben die Experten. Aktuelle Daten der US-Rohstoffbörse CFTC zeigen dazu, dass Hedgefonds-Manager mit Terminkontrakten und Optionsscheinen verstärkt auf einen fallenden Ölpreis setzen. Die Zahl der Short-Wetten erreichte jüngst den höchsten Stand seit Januar.
100 US-Dollar pro Barrel denkbar?
So scheinen derzeit die Sorgen um eine sinkende Nachfrage die um ein sich verknappendes Angebot auszustechen. Allerdings wohl auch nur solange, bis es tatsächlich zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Iran käme. Diese gilt vielen Experten noch als zu unwahrscheinlich. Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, aber sagte dem Handelsblatt: „Es ist denkbar, dass bei anhaltenden Angriffen auf Tanker der Ölpreis signifikant steigen würde. In einem solchen Szenario sind 100 Dollar pro Barrel gut vorstellbar.“
Das wäre dann wahrlich eine Preisexplosion. Doch solange das Angebot außerhalb des Persischen Golfes so hoch bleibt und die globale Nachfrage durch ein sich abschwächendes Weltwirtschaftswachstum eher ab- als zunimmt, scheint ein nennenswerter Ölpreis-Anstieg unwahrscheinlich.
OG
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